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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter März 2020

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

STREITIGES RECHT

5 Ob 103/19m – Der Vermieter kann eine ihm gegenüber bereits verjährte Forderung nicht auf seine Mieter überwälzen

Die Beklagten waren seit 1995 Mieter einer Wohnung in einem Haus, dessen Eigentümerin die Klägerin ist. Das von ihnen gemietete Bestandobjekt wird über einen im Keller des Hauses gelegenen Heizkessel mit Wärme und Warmwasser versorgt. Seit über 15 Jahren bewohnen die Beklagten das Haus alleine; die übrigen beiden Wohnungen des Hauses sind unbewohnt. Die Zuleitung für die Heizung einer Wohnung wurde abgesperrt. Seit mehr als 15 Jahren wird daher ausschließlich ihre Wohnung über die im Keller gelegene Gaskesselanlage versorgt.
Den Gaslieferungsvertrag hatte der Rechtsvorgänger der Klägerin abgeschlossen, wobei den Beklagten bis 1. 1. 2009 monatliche Heizkostenakonti vorgeschrieben worden waren. Zwischen 11. 11. 2011 und 5. 7. 2016 fand keine Gaszählerablesung statt. Erst bei der Demontage des Zählers an diesem Tag wurde der Stand abgelesen. Der bei der Demontage des Gaszählers abgelesene Stand ergab für diesen Zeitraum eine verbrauchsbedingte Forderung in der Höhe von € 26.246,51, welche dem Rechtsvorgänger der Klägerin in Rechnung gestellt wurde. Da dieser nicht zahlte, brachte das Energieunternehmen eine Mahnklage ein, worauf ein Zahlungsbefehl erlassen wurde, der in Rechtskraft erwuchs. Der Rechtsvorgänger der Klägerin zahlte den eingeklagten Betrag schließlich und trat in weiterer Folge die Forderung an die Klägerin zum Inkasso ab, die die Abtretung annahm und dem Beklagten in Rechnung stellte. Der damit verrechnete Gasverbrauch wurde ausschließlich von den Beklagten für die Beheizung ihrer Wohnung und die Aufbereitung des Warmwassers verbraucht.
Die Gasheizungsanlage ist veraltet und für die (ausschließliche) Beheizung der Wohnung der Beklagten zu groß dimensioniert. Die Heizungsrohre sind mangelhaft isoliert; die Zirkulationspumpe für das Warmwasser war ständig in Betrieb.
In dem Mietvertrag war festgehalten worden, dass die Beklagten für die Benützung der Zentralheizung den auf ihren Mietgegenstand entfallenden Anteil an den Gesamtkosten des Betriebs, der gegenwärtig 33 % beträgt, tragen. Darüber hinaus haben sich die Beklagten im Mietvertrag damit einverstanden erklärt, dass sie für die Betriebskosten, öffentlichen Abgaben sowie Zuschläge (Aufzug, Zentralheizung) monatliche Pauschalbeträge in gleichbleibender Höhe gegen einmalige jährliche Verrechnung entrichten.
Die Beklagten wendeten neben der fehlenden Berechtigung der Klägerin zur Geltendmachung der Forderung deren (teilweise) Verjährung ein. Darüber hinaus hätten sie laut Mietvertrag lediglich 33 % der Gesamtkosten der Wärmeversorgungsanlage zu tragen. Die Wärmeaufbereitungsanlage sei darüber hinaus veraltet und unwirtschaftlich, sodass ihnen die daraus resultierenden Mehrkosten nicht in Rechnung gestellt werden könnten.
Bei der verfahrensgegenständlichen Heizungsanlage handelt es sich – auch wenn diese zuletzt nur von den Beklagten genutzt wurde – um eine Gemeinschaftsanlage. Für die Abrechnung von Gemeinschaftsanlagen gilt § 21 Abs 3 bis 5 MRG sinngemäß (§ 24 Abs 3 MRG). Dem Vermieter steht ohne Rücksicht auf Vereinbarungen ein freies Wahlrecht zwischen einer Jahrespauschalverrechnung nach § 21 Abs 3 MRG und der Einzelvorschreibung iSd § 21 Abs 4 MRG zu (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 21 MRG Rz 14 mwN; Hausmann in Hausmann/Vonkilch³ § 24 MRG Rz 18). Macht der Vermieter keinen Gebrauch (hier: mehr) von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Pauschalverrechnung, so hat der Mieter nach § 21 Abs 4 MRG den auf seinen Mietgegenstand entfallenden Anteil an den Betriebskosten und den laufenden öffentlichen Abgaben an den Vermieter am 1. eines jeden Kalendermonats zu entrichten, wenn ihm dessen Höhe vorher unter Vorlage der Rechnungsbelege nachgewiesen wird. Betriebskosten und Abgaben, deren Fälligkeit vor mehr als einem Jahr eingetreten ist, können jedoch nicht mehr geltend gemacht werden (§ 21 Abs 4 letzter Satz MRG). Bewirtschaftungskosten, die der Vermieter seinem Mieter gegenüber nicht innerhalb der einjährigen Präklusivfrist unter Vorlage der Rechnungen fällig stellt, können daher nicht mehr eingefordert werden; die Frist läuft ab Fälligkeit gegenüber dem Vermieter und ist von Amts wegen wahrzunehmen (Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 21; Egglmaier-Schmolke/Schinnagl aaO § 21 MRG Rz 101; E. M. Hausmann aaO § 21 MRG Rz 54). Werden die Bewirtschaftungskosten aber innerhalb der Frist des § 21 Abs 4 MRG wirksam geltend gemacht, können sie – als Teil des gesetzlichen Mietzinses – innerhalb der Verjährungsfrist des § 1486 Z 4 ABGB – von diesem eingefordert werden (RS0107090). Grundsätzliche wurde die Forderung nach den Feststellungen fristgerecht geltend gemacht und war aus diesem Rechtsgrund an sich nicht präkludiert. Da aber Feststellungen dazu fehlten, ob die Forderungen die der Rechtsvorgänger der Klägerin bezahlt hatte, nicht selbst schon verjährt waren, war das Verfahren zu ergänzen.
Aus dem allgemein den Wohnungsgesetzen zugrunde liegenden Schutzgedanken zugunsten der Mieter ist abzuleiten, dass der Vermieter nicht berechtigt ist, im Zug der Bewirtschaftung der Bestandobjekte den Mietern Kosten zu verrechnen, die bei vernünftiger Wirtschaftsführung üblicherweise nicht aufgewendet werden (5 Ob 74/88). Darüber hinaus wird von einem Vertragspartner ganz allgemein ein entsprechendes Maß an Aufmerksamkeit, Überlegung und Rücksichtnahme, nicht nur bei Erbringung der Hauptleistung verlangt, sondern auch bei jedem weiteren Verhalten, das mit der Durchführung des Vertragsverhältnisses in einem mehr oder minder engen Zusammenhang steht (RS0013970). Daher kommt es für die Frage, ob der Mieter die in die Betriebskostenabrechnung aufgenommenen Rechnungsposten zu tragen hat, nicht nur darauf an, ob die Kosten tatsächlich aufgelaufen sind, sondern auch darauf, ob die ihnen zugrunde liegenden Leistungen im Zug einer ordentlichen Hausverwaltung üblich sind (vgl RS0070462). Aus diesen Grundsätzen folgt, dass der Vermieter eine ihm gegenüber verjährte Forderung nicht auf seine Mieter überwälzen kann, auch wenn er sie als Naturalobligation beglichen hat. Ein sorgfältiger Vermieter wird in Wahrnehmung der Interessen seines Mieters eine bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt erkennbare Verjährung geltend machen (in dem Fall, dass er klageweise in Anspruch genommen wird, einwenden) und nicht damit spekulieren, dass er diese Position überwälzen kann und dann nicht endgültig selbst zu tragen hat.
Unternehmer haben ihre Forderungen grundsätzlich binnen drei Jahren geltend zu machen (RS0034137). Demnach unterliegen Forderungen eines Energieversorgungsunternehmens aufgrund der Lieferung von Energie der kurzen Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB (RS0122723; RS0124811). Voraussetzung für den Beginn der Verjährung ist die Fälligkeit der Kosten für den Betrieb der Gaskesselanlage dem Rechtsvorgänger der Klägerin gegenüber. Die Fälligkeit richtet sich – sofern keine besonderen gesetzlichen Fälligkeitsvorschriften greifen – primär nach der vom ehemaligen Vermieter als Vertragspartner mit dem Energieversorgungsunternehmen getroffenen Vereinbarung. Ist der Fälligkeitszeitpunkt auf diese Weise nicht zu bestimmen, ist er nach Natur und Zweck der Leistung zu ermitteln; letztlich kommt § 904 ABGB zur Anwendung, wonach der Gläubiger die Leistung sogleich (ohne unnötigen Aufschub) fordern, das heißt fällig stellen kann. Ist also der Leistungstermin nicht anderwärtig bestimmt, tritt die Fälligkeit mit der Mahnung ein (RS0108926).
Der Grundsatz der Verteilung der Kosten des Betriebs nach Nutzflächen, der hier mangels gegenteiliger Anhaltspunkte grundsätzlich auch für die Kosten des Betriebs der Gaskesselanlage zum Tragen kommt (§ 24 Abs 1 iVm § 17 MRG), ist durchbrochen, wenn ein Mieter unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht (5 Ob 213/03i; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 17 MRG Rz 8 mwN). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das Übermaß aus Billigkeitserwägungen nicht auf die übrigen Mieter überwälzt werden kann (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch aaO § 17 MRG Rz 6; Prader in GeKo, Wohnrecht I § 17 MRG Rz 15). Im vorliegenden Fall steht fest, dass der für den Betrieb der Heizkesselanlage erforderliche Gasverbrauch in der Zeit vom 11. 11. 2011 bis 5. 7. 2016 ausschließlich für die Beheizung der Wohnung der Beklagten und die Aufbereitung ihres Warmwassers angefallen ist. Damit ist es keinesfalls unbillig, dass sie diesen Verbrauch unter sinngemäßer Anwendung der soeben wiedergegebenen Grundsätze losgelöst vom Verhältnis der Nutzfläche ihres Bestandobjekts zur Gesamtnutzfläche der übrigen Bestandobjekte im Haus tragen. Dem steht auch die Vereinbarung im Mietvertrag nicht entgegen, wonach der Anteil der Beklagten an Gesamtkosten des Betriebs gegenwärtig (Anm.: zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) 33 % beträgt, weil bereits ihr Wortlaut deutlich macht, dass sie lediglich die Verhältnisse im damaligen Zeitpunkt widerspiegelt, Veränderungen aber keineswegs ausschließt.
Allein vom Verbrauch der Beklagten abhängige Heizkosten kann eine – auf der Verletzung von Erhaltungspflichten des Vermieters beruhende – Unwirtschaftlichkeit der Anlage nicht entgegengehalten werden, sodass die Beklagten den Rechtsgrundsatz, dass der Vermieter nicht berechtigt ist, im Zug der Bewirtschaftung der Bestandobjekte den Mietern Kosten zu verrechnen, die bei vernünftiger Wirtschaftsführung üblicherweise nicht aufgewendet werden (vgl dazu etwa RS0070462; 5 Ob 180/14b), für sich nicht in Anspruch nehmen können.

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10 Ob 88/18s – Voraussetzung für die Wirksamkeit der Befristung bei einem Mietvertrag ist die Einhaltung der Schriftform mit Vereinbarung eines unbedingten, durch Datum oder Fristablauf von vornherein bestimmten Endtermines

Die Beklagten sind Eigentümer einer Liegenschaft auf der sich ein Baggersee befindet. Diese Liegenschaft ist in Badeparzellen unterteilt, die an die Kläger bzw deren Rechtsvorgänger vermietet wurden. Die Kläger (bzw ihre Rechtsvorgänger) errichteten auf den Badeparzellen bauliche Objekte, die (unstrittig) Superädifikate sind. Alle Superädifikate auf der Liegenschaft verfügen über eine gemeinsame Versorgung mit Strom, Abwasser, Wasser, gemeinsame Postkästen und eine gemeinsame Einfahrt samt Straßennetz.
Die Mietverträge, die ab dem Jahr 1986 abgeschlossen wurden weisen einen Beendigungszeitpunkt mit 31. 12. 2015 auf. Sämtliche Kläger haben in den Jahren 2015 und 2016 Schreiben an die Beklagten gerichtet, in welchen sie die Verlängerung ihrer Mietverträge um ein Jahr begehrt haben. Die Beklagten haben diese Verlängerung abgelehnt.
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die von ihnen oder ihren Rechtsvorgängern abgeschlossenen Bestandverträge in unbefristete Mietverhältnisse übergangenen seien, die den Kündigungsschutzbestimmungen des MRG unterlägen.
Aufgrund der gleichgelagerten Schutzbedürftigkeit des Mieters auf die Vermietung von Grundstücken zwecks Errichtung eines Superädifikats zu Wohn- oder zu Geschäftszwecken sind die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG analog anzuwenden (RS0069261 ua; eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Kritik der Lehre erfolgte in 6 Ob 88/05t wobl 2006/52, 147 [Hausmann]). Dasselbe gilt für Grundstücke mit schon darauf befindlichen Superädifikaten (6 Ob 306/05a; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23 § 1 Rz 33). Eine nicht dem MRG unterliegende Flächenmiete liegt vor, wenn den Räumlichkeiten im Vergleich zur Fläche keine selbständige Bedeutung, sondern nur Hilfsfunktion zukommt (RS0069423), was hier nicht der Fall ist. Maßgeblich für die Beurteilung der analogen Anwendung des MRG ist im vorliegenden Fall, ob nach dem Vertragszweck die auf den Badeparzellen der Mieter errichteten (oder befindlichen) Räumlichkeiten der (relativ) dauernden Wohnraumversorgung der Kläger dienen sollten. Für eine analoge Anwendung des MRG auf ein Superädifikat, das seinem Charakter nach nicht auf Dauer errichtet wird, kommt es nicht nur auf den entsprechenden Willen des Mieters an, sondern auf die dem Vermieter erkennbare Absicht des Mieters, sich mit Hilfe des Grundstücks (relativ) dauernden Wohnraum zu schaffen (5 Ob 607/84; RS0069454). Da die Vermietung nach dem Wortlaut der Verträge „zu Wohn- und Erholungszwecken“, erfolgte, ist von einer analogen Anwendung des MRG auszugehen gewesen.
Selbst wenn man im Sinn der Kläger mit dem Berufungsgericht von der analogen Anwendung des MRG auf die vorliegenden Bestandverhältnisse ausginge, ist die Befristung jedoch wirksam vereinbart und durchsetzbar: Die Wirksamkeit der Befristung eines dem Voll- oder Teilanwendungsbereich des MRG unterliegenden Mietverhältnisses ist nach den jeweils maßgeblichen Übergangsbestimmungen (§ 49a Abs 1 MRG, § 49b Abs 7 MRG, § 49c Abs 6 MRG) nach der im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung geltenden Rechtslage zu beurteilen (vgl 2 Ob 196/11d; RS0106017; RS0111549; Vonkilch in GeKo Wohnrecht I [2018] § 49a MRG Rz 1). Anzuwenden ist daher unter der Annahme der analogen Anwendung des MRG das in § 29 MRG in der anzuwendenden Fassung geltende Befristungsregime des MRG. Für sämtliche Tatbestände des § 29 Abs 1 Z 3 MRG war (und ist) Voraussetzung für die Durchsetzbarkeit einer vereinbarten Befristung, dass der Endtermin im schriftlichen Vertrag von vornherein durch Datum oder Fristablauf bestimmt ist (RS0090569). Der Zweck der Schriftform liegt zum einen in einer Warn- und Aufklärungsfunktion für den Mieter, zum anderen in der Erleichterung und Sicherung des Beweises für die Befristung (RS0030289). Es genügt jede Formulierung, die der Absicht des Gesetzgebers entspricht, nämlich dass sich der Mieter von vornherein auf eine bestimmte Mietdauer einstellt kann. Dies ist der Fall, wenn der Endtermin – so wie hier – datumsmäßig angegeben ist (RS0070201) und aus der Urkunde selbst hervorgeht (RS0070201 [T3]; RS0112243). In der Einräumung eines bloßen Rechts, einen neuen Mietvertrag zu neuen Bedingungen nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer abzuschließen (Vormietrecht), liegt keine befristungsschädliche Vereinbarung, weil der Mieter zu keinem Zeitpunkt im Unklaren darüber bleibt, dass der alte Mietvertrag abgelaufen ist und sich darauf auch einstellen konnte.
§ 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG in der hier anzuwendenden Fassung vor der WRN 2000 lässt eine wirksame Vereinbarung der Befristung eines Hauptmietvertrags nur unter der weiteren Voraussetzung zu, dass sie in einem Hauptmietvertrag über eine Wohnung in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen im Sinn des § 1 Abs 4 Z 2 MRG idF vor der MRN 2001 getroffen wird. Nach den Verfahrensergebnissen und der maßgeblichen Verkehrsauffassung war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass tatsächlich und wirtschaftlich voneinander getrennte selbständige Objekte bzw Häuser vorliegen, die jedes für sich allein eine wirtschaftlich selbständige Einheit bildet. Zu keinem anderen Ergebnis würde man in den Fällen gelangen, in denen § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG in der ab 1. 7. 2000 geltenden Fassung nach der WRN 2000 (§ 49c Abs 1 MRG) anwendbar wäre. Mit dieser Novelle wurde das Befristungsrecht im MRG radikal liberalisiert und vereinfacht (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 29 MRG Rz 21). Die in den seit 1986 geschlossenen Verträgen der Kläger bzw ihrer Rechtsvorgänger vereinbarten Befristungen erwiesen sich dadurch als jedenfalls durchsetzbar.

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AUSSERSTREITIGES RECHT

5 Ob 40/19x – Zur Geltendmachung der Individualrechte der einzelnen Wohnungseigentümer und Stimmrechtsausschluss

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind Mit- und Wohnungseigentümer bzw Fruchtgenussberechtigte einer Liegenschaft. Gegenstand des Verfahrens war die Anfechtung von Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft betreffend die Geltendmachung von Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen von Bau- und Fertigstellungsmängeln allgemeiner Teile der Liegenschaft. Dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts steht die Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger auch dann (allein) zu, wenn die Mängel nicht (nur) sein eigenes Wohnungseigentumsobjekt, sondern auch allgemeine Teile des Hauses betreffen. Nach der ständigen Rechtsprechung können einzelne Wohnungseigentümer solche Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche geltend machen, ohne dass die übrigen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen oder selbst als Kläger auftreten müssen (RIS-Justiz RS0108157; RS0082907; RS0119208; vgl auch RS0108158). Wenn und soweit das Vorgehen des einzelnen Eigentümers Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, ist allerdings ein Beschluss der Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder oder eine diesen Mehrheitsbeschluss substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters erforderlich (RS0108158; RS0108157 [T3, T6, T7, T10, T14, T16]; RS0082907 [T7, T8, T13, T20]).
Bei der Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen können unterschiedliche Interessen etwa bei der in manchen Konstellationen trotz des in § 932 Abs 2 ABGB angeordneten Primats der Verbesserung notwendigen Wahl des Gewährleistungsbehelfs oder bei der Wahl zwischen Schadenersatz durch Naturalrestitution oder Geldersatz vorliegen. In diesen Fällen sind die Wohnungseigentümer gehalten, ihre Individualrechte durch einen Mehrheitsbeschluss aufeinander abzustimmen und ihr Vorgehen durch einen Beschluss der Mehrheit der Wohnungseigentümer genehmigen zu lassen. Ein Interessenkonflikt kann insbesondere in der möglichen Wahl zwischen Verbesserungs- und Preisminderungsbegehren liegen (5 Ob 40/18w mwN).
Entbehrlich ist ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft oder die Entscheidung des Außerstreitrichters allerdings dann, wenn bei der Geltendmachung von Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüchen betreffend allgemeine Teile durch einen einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer Gemeinschaftsinteressen nicht beeinträchtigt werden können, also kein Interessenkonflikt möglich ist (5 Ob 40/18w; RS0108157; RS0108158). In diesem Fall kann der Wohnungseigentümer seine Ansprüche ohne Abstimmung mit der Eigentümergemeinschaft geltend machen.
Gegenstand und Zweck der Beschlussfassung bedingen einen ausreichend bestimmten Beschlussgegenstand. An diese Bestimmtheit sind aber keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn daraus das Vorgehen des einzelnen Eigentümers durch die Beschreibung des Begehrens und des anspruchsbegründenden Sachverhalts so deutlich hervorgeht, dass damit der mit der Beschlussfassung verfolgte Zweck, den möglichen Interessenkonflikt zu lösen, erreicht ist.
Wenn der Gegenstand der beabsichtigten Beschlussfassung ein Rechtsgeschäft, Rechtsverhältnis oder Rechtsstreit mit einem Wohnungseigentümer oder mit einer Person ist, mit der dieser durch ein familiäres oder wirtschaftliches Naheverhältnis verbunden ist, ist dieser Wohnungseigentümer gemäß § 24 Abs 3 WEG von Gesetzes wegen vom Stimmrecht ausgeschlossen. Der naheliegende Zweck des Stimmrechtsausschlusses ist die Vermeidung von Interessenkonflikten. Die Intensität des Naheverhältnisses und das mit dem Beschlussgegenstand verbundene Gefahrenpotential sind dabei in einem beweglichen System konditional miteinander verknüpft. Je größer die mit der zu beschließenden Maßnahme verbundene Gefahr für die Eigentümergemeinschaft ist, umso weniger Intensität muss das familiäre oder wirtschaftliche Naheverhältnis aufweisen, um den Stimmrechtsauschluss eines Wohnungseigentümers zu rechtfertigen. In typisierten Fällen einer formellen Interessenkollision ist der Stimmrechtsausschluss ohne zusätzliches Gefährdungspotential verwirklicht. Ein zum Ausschluss vom Stimmrecht führendes zu enges wirtschaftliches Naheverhältnis zum Geschäftspartner einer Eigentümergemeinschaft kann sich aus der Eigenschaft als Gesellschafter (mit erheblichen Anteilen) und/oder Geschäftsführer des Geschäftspartners, konzernmäßigen Verflechtungen und Beteiligungen, oder wirtschaftliche Abhängigkeiten aus einem Dienst-, Werkvertrags- oder Auftragsverhältnis ergeben (RS0118453). Typischerweise gefahrengeneigt ist beispielsweise die Beschlussfassung über die Erhebung von Ansprüchen gegenüber dem Wohnungseigentümer oder einer Person, mit der der Wohnungseigentümer wirtschaftlich oder familiär verbunden ist (vgl 5 Ob 230/99f). In diesem Fall wurden die Antragstellerin und die 7. Antragsgegnerin durch dieselben Geschäftsführer vertreten. Diese konzernmäßigen Verflechtungen und wirtschaftlichen Beteiligungen bedingen ein wirtschaftliches Naheverhältnis, das im Hinblick auf das doch erhebliche „Gefährdungspotential“ des Beschlussgegenstands zum Stimmrechtsausschluss beider führt.

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5 Ob 135/19t – Bindungswirkung materiell rechtskräftiger Entscheidungen nur bei Deckungsgleichheit der Begehren

In einem Vorverfahren wurde rechtskräftig ausgesprochen, dass die Zinsvereinbarung aus dem ursprünglichen Mietvertrag und einer später erfolgten Mietzinsanhebung zwischen den Streitteilen in dem über den festgestellten zulässigen Mietzins hinausgehenden Teil unwirksam ist und die Überschreitung des gesetzlichen Zinsausmaßes für den Zeitraum März 2015 bis einschließlich Juli 2017 betragsmäßig festgestellt. Mit einem neuerlichen Antrag begehrte die Antragstellerin unter anderem die Feststellung, in welchem Ausmaß der von der Antragsgegnerin vorgeschriebene Mietzins das gesetzlich zulässige Zinsausmaß ab August 2017 (pro futuro) überschreitet und insoweit unzulässig ist.
Im Verfahren außer Streitsachen ergangene Entscheidungen sind der materiellen Rechtskraft teilhaftig und entfalten daher die aus dieser folgende Einmaligkeits- und Bindungswirkung (RIS-Justiz RS0007171 [T13]). Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung ist auch im Verfahren außer Streitsachen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten. Liegt bereits eine rechtskräftige Entscheidung vor, so kann über dieselbe Sache zwischen denselben Parteien nicht mehr entschieden werden (RS0007477 [T3]; für das wohnrechtliche Außerstreitverfahren vgl 5 Ob 47/17y). Die materielle Rechtskraft äußert sich als zur Zurückweisung des später gestellten Antrags führende Einmaligkeitswirkung nur dann, wenn und insoweit die Begehren deckungsgleich (ident) sind (RS0007201 [T2]; auch RS0041115 [T6]). Der Verfahrensgegenstand (der Rechtsgrund) wird durch den Entscheidungsantrag (Sachantrag) und die zu seiner Begründung erforderlichen, vorgebrachten Tatsachen (Sachverhalt) bestimmt (RS0039255; RS0039347).
Die Rechtskraft der Feststellung der Teilunwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung entfaltet zwar Bindungswirkung auch für das vorliegende Mietzinsüberprüfungsverfahren und bewirkt, dass diesem der Einwand der Präklusion nicht entgegengesetzt werden kann, hindert aber nicht die Überprüfung des zulässigen Mietzinses ab August 2017 (pro futuro), weil unterschiedliche Zinsperioden zu beurteilen sind, sodass keine Identität der Verfahrensgegenstände vorliegt.
Das rechtliche Interesse an einer Feststellung in einem außerstreitigen Wohnrechtsverfahren geht im Allgemeinen nicht schon mit der Möglichkeit zur Erhebung einer Leistungsklage verloren, weil es grundsätzlich im Belieben des Rückfordernden steht, zunächst einen (Feststellungs-)Antrag im Außerstreitverfahren zu stellen oder diese Voraussetzung als Vorfrage der Beurteilung im Rückforderungsprozess zu überlassen (RS0131113 = 5 Ob 143/16i; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 37 MRG Rz 8).

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5 Ob 172/19h – Das Recht auf Gehör im wohnungsrechtlichen Außerstreitverfahren

Für das wohnungseigentumsrechtliche Außerstreitverfahren sieht § 52 WEG ergänzend zu den allgemeinen Zustellregeln des § 24 AußStrG Sonderregelungen vor. Zustellungen an mehr als sechs Wohnungseigentümer können durch einen Hausanschlag vorgenommen werden. Der verfahrenseinleitende Antrag ist überdies einem vom Gericht zu bestimmenden Wohnungseigentümer mit Zustellnachweis zuzustellen. Die Zustellung an einen Ersatzempfänger ist zulässig (§ 52 Abs 2 Z 4 WEG). Die in § 52 Abs 2 Z 4 WEG angeordnete individuelle Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags an einen vom Gericht bestimmten Wohnungseigentümer unterblieb hier. Mangels einer gesetzmäßigen Zustellung wurde damit den Antragsgegnern die Möglichkeit entzogen, sich am Verfahren zu beteiligen.
Nach § 15 AußStrG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Gegenstand, über den das Gericht das Verfahren von Amts wegen eingeleitet hat, den Anträgen und Vorbringen der anderen Parteien und dem Inhalt der Erhebungen Kenntnis zu erhalten und dazu Stellung zu nehmen. Wird einer Partei durch unterbliebene Beiziehung oder durch einen ungesetzlichen Vorgang, insbesondere durch Unterlassung einer gesetzmäßigen Zustellung, die Möglichkeit entzogen, sich am Verfahren zu beteiligen, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 15 Rz 13 mwN). Das rechtliche Gehör im Sinn dieser Bestimmung wird dabei nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wird, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (RIS-Justiz RS0005915; RS0074920 [T3]; vgl auch RS0119970).
Die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs zwingt zwar nicht jedenfalls zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Gemäß § 5 Abs 1 und 3 AußStrG ist vielmehr vor der Entscheidung auf Aufhebung und Zurückverweisung der Außerstreitsache an eine Vorinstanz zu prüfen, ob nicht eine Bestätigung selbst aufgrund der Angaben im Rechtsmittelverfahren oder eine Abänderung ohne weitere Erhebungen möglich ist. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist im außerstreitigen Verfahren also nur dann wahrzunehmen, wenn die Gehörverletzung Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (RS0120213 [T11, T16, T17, T20, T22]). Um diese Prüfung vornehmen zu können, muss daher von einem Rechtsmittelwerber, der die Verletzung seines rechtlichen Gehörs geltend macht, gefordert werden, dass er seine Rüge durch Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes entsprechend konkretisiert (RS0123872; RS0120213 [T15]).

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5 Ob 191/19b – Die Anzeigepflicht des § 12a Abs 3 MRG ist ein Schutzgesetz zugunsten des Vermieters

§ 12a Abs 3 MRG normiert ausdrücklich eine Pflicht der vertretungsbefugten Organe der Mietergesellschaft zur Anzeige (RS0124474 [T2]; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23 § 12a MRG Rz 15). Demgemäß bleibt kein Raum für eine Erkundigungsobliegenheit oder gar Pflicht des Vermieters zur Nachfrage (vgl 5 Ob 101/07z; 5 Ob 157/17z).
Die Anzeige nach § 12 a Abs 3 MRG an den Vermieter, wonach sich ein Machtwechsel bei der Mieterin vollzogen hat, ist an keine bestimmte Form gebunden. Der Inhalt muss aber eindeutig sein. Aus der Anzeige muss eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft – etwa durch Kippen der Mehrheitsverhältnisse – zuverlässig und eindeutig feststellbar sein. Die Anzeige muss demnach jedenfalls über das rechtliche Instrument des Machtwechsels, die in dieser Hinsicht getroffenen Maßnahmen, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Zeitpunkt des Rechtsvorgangs Auskunft geben (8 Ob 4/11p; 5 Ob 157/17z). Dabei ist auf den objektiven Erklärungswert abzustellen (allgemein hierzu RIS-Justiz RS0014160).

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, März 2020

WMWP Rechtsanwälte GmbH