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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter April 2024

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


Streitiges Recht

5 Ob 222/23t – Zum Schikaneverbot

Die Streitteile sind Miteigentümer einer Liegenschaft und Wohnungseigentümer von Objekten, denen jeweils ein Gartenanteil zugeordnet ist. Die Gärten grenzen aneinander. Die Klägerin hat im Jahr 2012 zur Abgrenzung der Gärten mit Zustimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine etwa 20 cm dicke Betonmauer errichtet. Zu einem kleinen Teil befindet sich diese Mauer auch im Bereich des der Beklagten zugeordneten Gartenteils. Die Klägerin begehrte in diesem Verfahren die Entfernung der Schrauben an der Steinmauer, Austausch der durch Bohrlöcher beschädigten Steine, für die Befestigung einer Schlauchrolle für einen Gartenschlauch, sowie die Entfernung der Steinplatten an der Sockelmauer und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands von dem Beklagten.

Die verfahrensgegenständliche, zwischen den Eigengärten errichtete Mauer ist in diesem Fall allgemeiner Teil, da darin eine (Haupt-)Wasserleitung verläuft, was eine ausschließliche Nutzungsbefugnis ausschließt (vgl RS0082890; RS0117164). Eine Änderung im Sinn des § 16 Abs 2 WEG kann nach der Judikatur des Fachsenats für bagatellhafte Umgestaltungen verneint werden (RS0109247). Das Einschlagen von Nägeln und das Anbohren von Wänden innerhalb eines Wohnungseigentumsobjekts wurde bereits als nicht genehmigungsbedürftig beurteilt (5 Ob 50/02t [zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 13 Abs 2 WEG 1975]). Nach der Judikatur des Fachsenats (RS0013205; 5 Ob 84/18s) steht einem Miteigentümer, dem der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, auch die alleinige rechtliche Verfügungsgewalt über diesen Teil zu, wobei das alleinige Nutzungsrecht in gewissem Umfang auch das Recht zur physischen Veränderung umfasst. § 828 ABGB (wonach kein Teilhaber einer gemeinsamen Sache bei Uneinigkeit der Miteigentümer Veränderungen vornehmen darf) steht dem nur dann entgegen, wenn durch Substanzveränderungen in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen und deren wichtige Interessen berührt werden. Weder das Bohren dreier Löcher noch der bloßen Verkleidung der dem Hausgarten der Beklagten zugewandten Mauerseite sei jedoch geeignet in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber einzugreifen und deren wichtige Interessen zu berühren.

5 Ob 225/23h – Die Geltendmachung von Unrichtigkeiten der Betriebskostenabrechnungen hat im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren zu erfolgen

Die Geltendmachung von Unrichtigkeiten der Betriebskostenabrechnungen ist innerhalb der Frist des § 34 Abs 1 letzter Satz WEG einzuleitenden wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG vorbehalten (5 Ob 116/19y,5 Ob 201/23d). Wollte man dem einzelnen Wohnungseigentümer nämlich die Bestreitung der inhaltlichen Richtigkeit einer Abrechnung im Streitverfahren ermöglichen, würde dies die Zuordnung dieser Überprüfung in das außerstreitige Verfahren völlig unterlaufen.

5 Ob 3/24p – Zur Abgrenzung zwischen Unternehmenspacht und Geschäftsraummiete

Nach den Feststellungen hatte die zuvor im Bestandobjekt tätige GmbH Taschen, Schuhe, Textilien und Parfums verkauft. Nach Auszug des Unternehmens aus dem Bestandobjekt Ende 2021 verblieben Regale im Geschäftslokal, Mitarbeiter übernahm der Beklagte nicht. Diese GmbH hatte im Bestandobjekt nie CBD-Produkte verkauft. Der Beklagte und die nun im Geschäftslokal tätige GmbH schlossen keinen schriftlichen Vertrag ab, Vereinbarungen vor Geschäftsbeginn konnte das Erstgericht nicht feststellen. Zur Vereinbarung einer Betriebspflicht kam es jedenfalls bei Abschluss des Vertrags zwischen dem Beklagten und der nun den CBD-Shop betreibenden GmbH nicht. Eine solche wurde (falls überhaupt) erst viele Monate nach dem Geschäftsbeginn der nun im Bestandobjekt tätigen GmbH vereinbart.

Mangels Beistellung von Betriebsmitteln, Kundenstock, Warenlager oder einer Gewerbeberechtigung war hier nicht von der Übergabe eines lebenden Unternehmens des Beklagten an die nun einen CBD-Shop betreibende GmbH auszugehen; eine Betriebspflicht vor Weitergabe des Bestandobjekts an die nun den CBD-Shop betreibende GmbH war gerade nicht vereinbart worden.

Die (unter anderem) auf den Kündigungsgrund der gänzlichen Untervermietung nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG gestützte Aufkündigung war daher für rechtswirksam und verpflichtete den Beklagten zur Räumung des von ihm gemieteten Geschäftslokals.

10 Ob 20/23y – Ersitzung einer Garage durch einen Wohnungseigentümer

In dem der Begründung des Wohnungseigentums zugrunde liegenden Wohnungseigentumsvertrag sind nach der Widmung der Miteigentümer 79 Wohnungseigentumsobjekte (54 Wohnungen und 25 Garagen) aber kein Wohnungseigentumszubehör vorgesehen.

Es erfolgten mehrere Eigentümerwechsel der Wohnung Top 34. In den jeweiligen Kaufverträgen erklärten die Erwerber, in den Wohnungseigentumsvertrag einzutreten; das Kaufobjekt wurde jeweils als Wohnung (Top) 34 samt Garage beschrieben. Allen Erwerbern wurde im Zuge der Veräußerung der Wohnung auch die Garage (Top 72) übergeben und von ihnen auch genutzt. Ihnen wurden zudem von der Hausverwaltung die Betriebskosten und Annuitäten für die Garage vorgeschrieben, die sie auch bezahlten. Sie waren allesamt der Ansicht, bei der Garage handle es sich um Zubehörwohnungseigentum und betrachteten sich (demgemäß) unwidersprochen als Eigentümer der Garage.

Obwohl Mag. A* bis heute als Eigentümer der Garage Top 72 im Grundbuch eingetragen ist, nutzte er sie seit dem Verkauf an die erste Erwerberin im Jahr 1990 nicht mehr.

Voraussetzungen für die Ersitzung nach § 1477 ABGB sind neben dem Zeitablauf echter und redlicher Besitz eines Rechts, das seinem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entsprochen hat, und der Besitzwille (RS0034138 insb [T2]; RS0034283). Nach § 326 (iVm § 1463) ABGB ist redlich, wer eine Sache aus wahrscheinlichen Gründen für die Seinige hält. Redlichkeit verlangt also nicht den Glauben, Eigentümer zu sein, sondern nur den Glauben an einen gültigen Titel (RS0010172). Maßgeblich ist demgemäß das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Besitzausübung (7 Ob 97/21x; 2 Ob 37/20k mwN), das beim Besitzerwerb und während der ganzen Ersitzungszeit vorhanden sein muss (RS0010175). Der gute Glaube fehlt bzw geht verloren, wenn der Besitzer positiv Kenntnis erlangt, dass sein Besitz nicht rechtmäßig ist, oder zumindest solche Umstände erfährt, die Anlass geben, an der Rechtmäßigkeit der Besitzausübung zu zweifeln (RS0010184; RS0010137 [T1]), wobei bereits leichte Fahrlässigkeit die Redlichkeit ausschließt (RS0103701; RS0010189 [T6, T7]). Da die Redlichkeit nach § 328 ABGB vermutet wird (RS0034251 [T6]; RS0010185 [T5]), trifft den Gegner für die Fehlerhaftigkeit und Unredlichkeit des Besitzes die Behauptungs- und Beweislast (RS0010185; RS0010175 [T2]; RS0034251).

Der Ersitzungswerber ist (ohne Verdachtsmomente) nicht verpflichtet, sich über den tatsächlichen Grundbuchstand Kenntnis zu verschaffen (8 Ob 645/93; vgl RS0045838). Dass aus dem Grundbuch zu erkennen gewesen wäre, dass die Garage ein eigenes Wohnungseigentumsobjekt und bei der Wohnung kein Zubehör eingetragen ist, schließt die Redlichkeit daher nicht von vornherein aus.

Grundsätzlich bedarf Zubehörwohnungseigentum einer dahingehenden Widmung durch die Wohnungseigentümer (RS0120725 [T10]; RS0118149). Nachforschungspflichten bestehen grundsätzlich erst dann, wenn ein (indizierter) Verdacht besteht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Grundbuchstand entsprechen (vgl RS0011676 [T19]).

Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze konnte eine redliche Besitzausübung angenommen werden, weil die Garage den jeweiligen Erwerbern übergeben wurde und diese sie exklusiv genutzt (vgl RS0010101; RS0009792) und alle Kosten getragen haben, auch wenn der letzte Erwerber die Garage seit dem (ersten) Verkauf nicht mehr in Anspruch genommen hat (vgl RS0034116). Es gibt auch nicht den Ausschlag, dass im ersten Kaufvertrag (aus dem Jahr 1990) die Garage nicht erwähnt wurde, weil die Rechtmäßigkeit des Besitzes keine Voraussetzung der uneigentlichen Ersitzung ist (§ 1477 ABGB; RS0034138 [T3]; 3 Ob 46/23w Rz 17). Dafür reicht aus, dass die Garage der ersten Erwerberin im Zuge des Kaufs der Wohnung übergeben wurde und sie davon ausging, auch daran (Wohnungs-)Eigentum zu erwerben. Die uneigentliche Ersitzung hat auch gerade dann Bedeutung, wenn der Ersitzende zwar die vertragliche Einräumung von Rechten annimmt, diese aber nicht ausreichend nachweisbar ist oder ein Recht trotz ausreichenden Titels nicht verbüchert wurde (8 Ob 36/17b; 1 Ob 129/16a).

Außerstreitiges Recht

5 Ob 202/23a – Zur Auflösung des Verwaltungsvertrages

Gemäß § 21 Abs 3 WEG kann der Verwaltungsvertrag jederzeit aus wichtigem Grund von der Eigentümergemeinschaft gekündigt oder bei grober Verletzung der Pflichten des Verwalters auf Antrag eines Wohnungseigentümers vom Gericht aufgelöst werden. In diesem Fall wurden ausreichende Gründe als vorliegend angesehen, den Verwaltungsvertrag auf Antrag eines Mit- und Wohnungseigentümers aufzulösen. Der Verwalterin war vorzuwerfen, über zwei Jahre lang laufende Hinweise der Antragstellerin betreffend Wassereintritte nicht mehr weiterverfolgt und sich nicht um eine sachverständige Ursachenforschung und/oder Behebung gekümmert zu haben. Die Pflichtverletzung lag aber nicht nur in der Vernachlässigung von Instandhaltungspflichten durch die Verwalterin an sich, sondern auch in der unzureichenden oder sogar ganz verweigerten Kommunikation mit den Wohnungseigentümern. Dieses Verhalten wurde als derart grobe Pflichtverletzung angesehen, dass von einer Zerstörung der Vertrauensbasis (RS0083249 [T4]; Schatzl/Spruzina in GeKo Wohnrecht II § 21 WEG Rz 19 mwN) ausgegangen werden kann.

5 Ob 216/23k – Zur Antragstellung nach § 15 Abs 4 MRG

Im Vollanwendungsbereich des MRG kann seit der Einfügung des § 15 Abs 4 MRG durch das 3. WÄG, BGBl 1993/800, der Vermieter oder der Hauptmieter beantragen, dass anstelle eines Pauschalmietzinses ein aufgegliederter Mietzins zu entrichten ist. § 15 Abs 4 MRG bezieht sich auf den im Zeitpunkt der Antragstellung jeweils gültig vereinbarten Pauschalmietzins. Wurde im Laufe des Mietverhältnisses eine Erhöhung des Pauschalmietzinses vereinbart, können nur diese Mietzinsvereinbarung und die im Jahr dieser Vereinbarung angefallenen Betriebskosten maßgeblich sein (RIS-Justiz RS0108655).

Unbestritten war in diesem Fall, dass das Mietverhältnis der Parteien dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegt. Die Antragsgegner haben eine vom Antragsteller im Jahr 2021 begehrte Anhebung der bereits seit der Vereinbarung aus dem Jahr 2002 gleichen „monatlichen Pauschalmiete“ verweigert. Eine Aufschlüsselung des im Jahr 2002 (nach einem früheren Mietvertrag der Streitteile über eine andere Wohnung) vereinbarten und seither unwidersprochen als „globalen Betrag für die Miete und Betriebskosten“ gezahlten Betrags nahmen die Parteien nicht vor. Diese Vereinbarung war als Pauschalmiete qualifizierten, die dem Antragsteller keine gesonderte Einhebung von Betriebskosten ermöglichte und ihn daher zur Antragstellung nach § 15 Abs 4 MRG berechtigt.

 

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, April 2024

WMWP Rechtsanwälte GmbH