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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter August 2023

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


Streitiges Recht

4 Ob 95/23h – Vertragsauslegung: Mietzins

Im „Mietzins“ sind ohne weitere Umschreibung nicht nach der Verkehrssitte jedenfalls Umsatzsteuer und Betriebskosten enthalten (vgl RS0069840; Lovrek in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 15 MRG Rz 6).

6 Ob 70/23x – Vertragsauslegung: Untervermietung

Die Vertragspartner eines Hauptmietvertrags über ein Geschäftslokal vereinbarten zur Untervermietung: „Entgegen der vertraglichen Bestimmung Punkt X. des Mietvertrags erklärt die Vermieterin [Rechtsvorgängerin der Klägerin] bereits heute ihre Zustimmung zu einer Untervermietung der Bestandobjekte an Unternehmen, an denen die Mieterin [Rechtsvorgängerin der Beklagten] oder die E* AG/München mehrheitlich beteiligt ist.“ Über den Vertragstext hinaus wurde nichts Weiteres besprochen. Die Mieterin hatte vor, im Mietobjekt einen Einzelhandel mit hochwertigen Textilwaren, Damen- und Herrenoberbekleidung, Wäsche, Schuhe, Accessoires und Kosmetika unter dem Namen „E*“ einzurichten und zu betreiben oder durch ein unter Einfluss der E* AG stehendes Unternehmen betreiben zu lassen. Die vermietende Gesellschaft bzw die ihr damals zurechenbaren Personen legten Wert darauf, dass eine angesehene Marke wie E* in das Haus kommt; gleichgültig war ihnen hingegen, ob die Mieterin oder die E* AG mittelbar oder unmittelbar an einer allfälligen Untermieterin mehrheitlich beteiligt ist.

Die Mieterin schloss im Jahr 2000 einen Untermietvertrag mit einer GmbH, die mittelbar eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der E* AG/München war. Infolge der Insolvenz dieser Gesellschaft im Jahr 2009 wurde deren Beteiligung, die mittelbar auch die Untermieterin erfasst, im selben Jahr an eine neu gegründete Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg veräußert. Die Klägerin kündigte den Mietvertrag mit der Begründung auf, mit der Veräußerung der genannten Beteiligung an die luxemburgische Gesellschaft sei die gegenständliche Untervermietung nicht mehr von der dargestellten Untervermieterlaubnis im Mietvertrag gedeckt, weshalb der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG verwirklicht sei.

Nach den Feststellungen war die übereinstimmende Absicht der Parteien, dass „hochwertige“ Waren unter dem Namen „E*“ verkauft werden (Mieterin) bzw „eine angesehene Marke wie E* in das Haus kommt“ (Vermieterin). Beiden Parteien waren hingegen – vom Wortlaut der Vertragsklausel jedoch insoweit abweichend – die konkrete Person, die das Unternehmen betreiben sollte, und die Beteiligungsverhältnisse an einer allfälligen Untermieterin gleichgültig. Der objektive Erklärungswert verliert seine Bedeutung, wenn sich die Parteien in der Sache einig sind. Es gilt dann ihr übereinstimmender Wille, unabhängig davon, ob die Ausdrucksmittel diesen Willen nach objektiven Kriterien zutreffend wiedergeben („falsa demonstratio non nocet“: RS0014005; vgl auch RS0017839; RS0016236). Die Veräußerung der mittelbaren Beteiligung an der Untermieterin lässt zwar nach dem Wortlaut der Vertragsklausel die weitere Untervermietung an diese Untermieterin unzulässig erscheinen. Angesichts des davon insoweit abweichenden übereinstimmenden Parteiwillens liegt der geltend gemachte Kündigungsgrund jedoch nicht vor, wird doch nach wie vor im Bestandobjekt ein E*-Store betrieben.

8 Ob 6/23 z – Mietzinserhöhung und Geltendmachung der Wertsicherungsklausel

Der Kläger ist seit 2001 Eigentümer des Mietobjekts. Im Zusammenhang mit einer anstehenden Sanierung des Hauses war der Kläger jahrelang bestrebt, die Miete zu erhöhen. Der Beklagte machte auch wiederholt aufgetretene Mängel seiner Wohnung geltend. Im Oktober 2018 teilte der Kläger dem Beklagten nach einem vorangegangenen Telefonat mit, dass er die Nettomiete ab 1. 1. 2019 auf EUR 760,00 erhöhen „möchte“. Der Beklagte akzeptierte dies und bezahlte in der Folge laufend diesen erhöhten Betrag (in den ersten Monaten durch Gegenverrechnung mit einem Betriebskostenguthaben). Im Dezember 2021 forderte der Kläger den Beklagten durch seinen anwaltlichen Vertreter auf, basierend auf der Entwicklung des VPI 1976 seit 1. 8. 1984, rückwirkend ab 1. 1. 2019 einen wertsicherungsbedingt angeglichenen monatlichen Mietzins von EUR 1.038,23 zu bezahlen. Ab 1. 2. 2022 forderte er wegen neuerlicher Überschreitung der Indexschwelle eine weitere Erhöhung auf EUR 1.113,50 monatlich.

Der Beklagte erklärte, die Indexsteigerung nicht rückwirkend, sondern nur auf Basis des ab 1. 1. 2019 neu vereinbarten Mietzinses zu akzeptieren und bezahlte davon ausgehend seit 1. 2. 2022 monatlich 815,10 EUR zuzüglich Betriebskosten. Mit der am 31. 1. 2022 eingebrachten Klage wird die Zahlung von (ausgedehnt) EUR 11.209,88 an Mietzinsrückstand und Räumung begehrt.

Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist vom Wortlaut der Vereinbarung und der erforschten Parteienabsicht unter Berücksichtigung der redlichen Verkehrsübung unter Heranziehung des Parteienverhaltens und ihrer Erklärungen auszugehen, dies gemessen am Empfängerhorizont (RS0017915 [T2, T3, T19]). Die Auslegung hat sich primär am Wortlaut zu orientieren und nicht nach einem dem Adressaten nicht erkennbaren Parteiwillen zu fragen, vielmehr auf die Verständnismöglichkeit des Empfängers (RS0014205, Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 914 Rz 8). Der Kläger war als Vermieter nach dem MRG zu einer einseitigen Anhebung des Mietzinses grundsätzlich nur im Rahmen der vereinbarten Wertsicherungsklausel berechtigt. Seine im Dezember 2018 unterbreitete Ankündigung, den seit Jahren unveränderten Mietzins ab Jänner auf EUR 760,00 erhöhen zu wollen, konnte ein objektiver Erklärungsempfänger daher schon mangels rechtlich zulässiger Alternative nur dahin verstehen, dass der Kläger damit die Wertsicherung geltend machen, aber anstelle einer konkreten Berechnung eine Pauschalierung vornehmen wollte. Da eine beliebige Festsetzung des Zinses durch den Vermieter aber durch eine Wertsicherungsklausel nicht gedeckt ist, bedurfte das Pauschalanbot einer Annahme, die der Beklagte erteilt hat.

Wegen der festgestellten jahrelangen Diskussionen um Mängel der Wohnung und der verschobenen Sanierung des Hauses war es im vorliegenden Fall für einen objektiven Betrachter auch plausibel, dass der Vorschlag des Klägers die nach dem Mietvertrag mögliche Wertsicherung nicht zur Gänze ausschöpfen wollte.  Der Kläger war an die auf seinem eigenen, der Höhe nach willkürlich gewählten Anbot beruhende neue Mietzinsvereinbarung in der Folge gebunden.  Aufgrund der zwischen den Streitteilen ab 1. 1. 2019 zustande gekommenen Vereinbarung über einen monatlichen Mietzins von EUR 760,00 kam eine weitere Erhöhung unter Anwendung der Wertsicherungsklausel erst wieder in Frage, nachdem der zuletzt verlautbarte Indexwert (Dezember 2017) die nächste Schwelle überschritten hatte, was nach dem Klagsvorbringen ab Februar 2022 mit einer Steigerung von insgesamt 7,25 % der Fall war. Den sich daraus ergebenden erhöhten Mietzins von EUR 815,10 hat der Beklagte unstrittig auch bezahlt, sodass kein Rückstand offen ist. Das Zahlungsbegehren erwies sich daher als zur Gänze nicht berechtigt.

8 Ob 32/23y – Zur Einhebung eines unverhältnismäßig hohen Untermietzinses

Die Vertragsparteien vereinbarten:

Der Mieter und jeder Nachmieter ist berechtigt, den Mietgegenstand auch gänzlich unterzuvermieten, wobei der Vermieter keine Einwände erhebt, falls Umstände vorliegen, die einen wichtigen Grund gemäß § 11 Abs 1 Z 1, 2 und 3 MRG darstellen. (…) Der Vermieter verzichtet zeitlich unbegrenzt auf die Kündigung dieses Mietverhältnisses, ausgenommen die Kündigungsgründe gemäß § 30 Abs 2 Z 1 und 3 MRG.“ Der Vermieter begehrte die Unterlassung der Untervermietung da der Mieter das Objekt für einen Untermietzins in der Höhe von € 1.800,00 vermietet hatte und selbst nur € 685,83 Mietzins entrichtete.

Gemäß § 11 Abs 1 MRG kann sich der Vermieter auf ein vertragliches Verbot der Untervermietung nur berufen, wenn ein wichtiger Grund gegen die Untervermietung vorliegt, insbesondere weil (Z 1) der Mietgegenstand zur Gänze untervermietet wird oder (Z 2) der Untermietzins eine im Vergleich zu dem vom Untervermieter zu entrichtenden Mietzins unverhältnismäßig hohe Gegenleistung darstellt. Der Kläger hatte in diesem Fall aber kein vertragliches Verbot der Untervermietung vereinbart, sondern ganz im Gegenteil den Beklagten eine gänzliche Untervermietung gestattet und auf Einwendungen selbst für den Fall eines unverhältnismäßig hohen Untermietzinses iSd § 11 Abs 1 Z 2 MRG verzichtet. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine von der Höhe des Untermietzinses unabhängige Zustimmung zur Untervermietung zulässig, sodass eine spätere Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG ausgeschlossen ist (RS0070472). Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch widerspricht damit der im Mietvertrag getroffenen Vereinbarung.

Nach § 26 Abs 1 MRG darf der Untermietzins, wenn der Mietgegenstand zur Gänze untervermietet wird, den vom Untervermieter zu entrichtenden Hauptmietzins grundsätzlich um nicht mehr als 50 vH übersteigen. Der Kläger beruft sich auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach es sich dabei auch um eine Schutzbestimmung für den Vermieter handle, die eine unverhältnismäßige Bereicherung des Hauptmieters durch Untermietentgelte verhindern soll (RS0115603). Dies kann aber nichts daran ändern, dass der zwingende Charakter dieser Vorschrift über die zulässige Höhe des Untermietzinses lediglich im Verhältnis zwischen dem Untervermieter und dem Untermieter besteht (1 Ob 196/02h). Der Oberste Gerichtshof hat deshalb bereits ausgesprochen, dass § 26 MRG die Wirksamkeit einer Zustimmung des Vermieters zur bestmöglichen Verwertung der Mietrechte durch den Mieter unberührt lässt (6 Ob 537/87 = RS0070326).

Außerstreitiges Recht

5 Ob 7/23z – Zur Rechtsunwirksamkeit eines mit Aushang bekannt gemachten Umlaufbeschlusses der Eigentümergemeinschaft infolge des wirtschaftlichen Naheverhältnisses der Erstantragsgegnerin zur vorgeschlagenen Hausverwaltung

In diesem Fall sind die beiden Antragsgegnerinnen mit ihren insgesamt 5.422 Anteilen an der Liegenschaft (verbunden mit Wohnungseigentum an 49 Wohnungen) zwar nicht gemeinsam Mehrheitseigentümer, sie haben aber unstrittig bei der Beschlussfassung über die von ihnen im Umlaufweg initiierte Abberufung und Neubestellung der Verwalterin mitgestimmt. Wenn das Rekursgericht zu dem Ergebnis kam, dass ein wirtschaftliches Naheverhältnis (jedenfalls der Erstantragsgegnerin) zu der auf Initiative der Erstantragsgegnerin zu bestellenden Verwalterin insbesondere deswegen bestehe, weil deren 39 Wohnungen bereits durch diese betreut und durch eine mit dieser eng verflochtenen Gesellschaft vermittelt würden, auf die wiederum der Geschäftsführer der als neue Hausverwaltung zu bestellenden Gesellschaft maßgeblichen Einfluss habe, so steht dies im Einklang mit der hier wiedergegebenen Rechtsprechung zu § 24 Abs 3 WEG. Dass die Antragsgegnerinnen „lediglich rund 32 % der Anteile an der Liegenschaft“ hätten und daher keine „dominanten“ Miteigentümer seien, schließt ein wirtschaftliches Naheverhältnis im Sinn des § 24 Abs 3 WEG nicht aus.

5 Ob 45/23p – Hat ein Mieter eine Person, die nicht Vermieter ist, bei der Schlichtungsstelle wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG in Anspruch genommen, so kann der Mieter in einem solchen Fall nicht erst im Verfahren vor Gericht den Antragsgegner durch den tatsächlichen Vermieter ersetzen, weil damit eine Änderung des vor der Schlichtungsstelle geltend gemachten Anspruches verbunden wäre

Der Antragsteller führte eine GmbH als Erstantragsgegnerin (und historische Eigentümerin) und die nunmehrige Antragsgegnerin als Zweitantragsgegnerin (und aktuelle Eigentümerin des Bestandobjekts) namentlich an und legte dazu auch einen Grundbuchauszug vor, in dem die Antragsgegnerin tatsächlich als Wohnungseigentümerin einer Wohnung Top 20/21 in einem Objekt mit anderer Liegenschaftsadresse aufschien. Der Mietvertrag wies als Vermieter die Hausinhabung des Hauses, vertreten durch eine Hausverwaltung auf. Ein Grundbuchsauszug mit der im Mietvertrag genannten Adresse wurde nicht vorgelegt. Die Schlichtungsstelle zog nur die im Antrag genannten Antragsgegner dem Verfahren bei (die sich dort nicht beteiligten). Wenn die Vorinstanzen diesen Antrag in Zusammenhang mit den vorgelegten Urkunden nicht dahin umzudeuten vermochten, dass er in Wahrheit nicht gegen die Antragsgegner, sondern die aus den vorgelegten Urkunden nicht ableitbare Liegenschaftseigentümerin gerichtet sein sollte, die der Antragsteller nun als Partei im Gerichtsverfahren einbezogen haben will, ist dies keine grobe Fehlbeurteilung, die des Eingreifens des Obersten Gerichtshofs bedürfte.

Gemäß § 39 Abs 1 MRG geht bei der zwingende Vorschaltung der Schlichtungsstelle in Gemeinden, in denen eine solche eingerichtet ist, die höchstgerichtliche Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0083775) davon aus, dass der Mieter nicht erst im Verfahren vor Gericht den Antragsgegner durch den tatsächlichen Vermieter ersetzen kann, wenn er eine Person, die nicht Vermieter ist, bei der Schlichtungsstelle wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG in Anspruch genommen hat, weil damit eine Änderung des vor der Schlichtungsstelle geltend gemachten Anspruchs verbunden wäre. Der Antrag nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG kann nur gegen alle Miteigentümer des Hauses als Vermieter gestellt werden (RS0083777 [T4, T14, T17]), weil das Begehren gegen alle diese Personen notwendigerweise dasselbe sein muss. Wurde der Antrag an die Schlichtungsstelle nur gegen einen Teil der Miteigentümer gerichtet, so kann dieser Antrag nicht erst im Verfahren vor Gericht auf die anderen Miteigentümer ausgedehnt werden, weil dies eine wesentliche Änderung des Antragsinhalts bedeutete, einer solchen Änderung aber die Unzulässigkeit des Rechtswegs nach § 39 Abs 1 MRG entgegensteht. Diese Auffassung wird in der wohnrechtlichen Literatur geteilt (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 MRG § 37 Rz 66 und Klicka in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht4 § 37 MRG Rz 88 mwN).

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, August 2023

WMWP Rechtsanwälte GmbH