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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Juli 2023

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


Streitiges Recht

2 Ob 62/23s – Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens (§30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG)

Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt. Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur, wenn sie schwerwiegend sind; jedoch können mehrere, an sich geringfügige Vorfälle den Kündigungstatbestand bilden (RS0070303; RS0067678). Es kommt nicht darauf an, ob den Mieter ein Verschulden trifft, sondern darauf, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes angesehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige Erkrankung zurückgeführt werden kann. Bei krankheitsbedingtem Verhalten ist jedoch eine Interessenabwägung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (RS0067733 [insb T5]), die als typische Einzelfallbeurteilung in der Regel nicht revisibel ist (RS0020957 [T4]).

Das wiederholte Hinauswerfen von Unrat, Essensresten, Wäsche, aber auch schwereren Gegenständen (Flaschen, Tellern, etc) aus der im vierten Stock gelegenen Wohnung auf den Gehsteig sowie den Gang und die Verursachung nächtlichen Lärms durch die an paranoider Schizophrenie und Wahnvorstellungen leidenden Beklagten war geeignet den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3, 2. Fall MRG zu erfüllen. Aufgrund des Sachverhalts war auch von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen: Dass eine Wiederholung der bisherigen – nach Aufkündigung zwar gebesserten, aber nicht völlig eingestellten – Unzulänglichkeiten ausgeschlossen wäre, steht gerade nicht fest.

5 Ob 174/22g – Die Einräumung einer Hauptmietzinsfreistellung bei gleichzeitigem Verzicht auf darüberhinausgehende Ansprüche aus der Erstreckung der Übergabe, stellt keine befristungsfeindliche Vereinbarung dar

Die klagende Mieterin begehrte die Feststellung, dass die Befristungsklausel des zwischen ihr und dem beklagten Vermieter abgeschlossenen Mietvertrags nicht durchsetzbar und das Mietverhältnis unbefristet sei.

Der Mietvertrag wird (nur dann) durch Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer aufgelöst, wenn schriftlich vereinbart wurde, dass er durch den Ablauf der bedungenen Zeit erlischt (§ 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG). Dieses Erfordernis erfüllt jede Formulierung, die der Absicht des Gesetzgebers entspricht, nämlich dass sich der Mieter von vornherein auf eine bestimmte Mietdauer einstellen kann. Dies ist der Fall, wenn entweder der Endtermin datumsmäßig angegeben oder wenn er durch die Angabe des Anfangszeitpunktes und der Mietdauer eindeutig festgelegt ist (RIS-Justiz RS0070201). Die Befristung ist demnach durchsetzbar, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin unzweifelhaft bestimmt ist (RS0090569 [T1, T8]). Ob die konkrete Vertragsgestaltung diesen Grundsätzen entspricht, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln (RS0070201 [T4]; RS0090569 [T3]).  In dem hier zu beurteilenden Mietvertrag ist der unbedingte Endtermin in der Urkunde sowohl durch das Datum als auch durch die Angabe des Anfangszeitpunkts und der Mietdauer bestimmt.

Die Klägerin hat jedoch darin eine widersprüchliche und daher unklare Befristungsklausel gesehen, dass ihr als Mieterin in den ersten drei Monaten nach dem nominellen Mietbeginn der Gebrauch des Mietobjekts nicht überlassen worden sei und sie bis dahin vereinbarungsgemäß auch keinen Anspruch auf Gebrauchsüberlassung gehabt habe.

Wesentlich für das Befristungsende ist, dass dem Mieter noch vor der vertraglichen Bindung eindringlich vor Augen geführt wird, dass er sich auf einen Zeitmietvertrag einlässt. Konnte sich der Mieter, entsprechend der Intention des Gesetzgebers, darauf einstellen und musste er davon ausgehen, dass das Mietverhältnis ohne sein weiteres Zutun zu einem bestimmten Zeitpunkt enden werde, ist der Endtermin ausreichend bestimmt (vgl 6 Ob 124/20h). In der Einräumung einer Hauptmietzinsfreistellung bei gleichzeitigem Verzicht auf darüberhinausgehende Ansprüche aus der Erstreckung der Übergabe liegt keine befristungsschädliche Vereinbarung, weil der Mieter zu keinem Zeitpunkt im Unklaren darüber bleibt, dass der Mietvertrag dennoch zum vereinbarten Mietende abläuft und er sich darauf auch einstellen konnte.

5 Ob 12/23k – Bekämpfbarkeit von Entscheidungen der Mehrheit der Wohnungseigentümer

Die Eigentümer (die Eigentümerpartner) der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen, dass kein Verwalter zu bestellen ist. Mit einem Schreiben wurde die Beklagte von dem Mehrheitseigentümer über die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen informiert und ihr eine, auf Anboten für diese Arbeiten basierende, Investitionsvorschau für das Jahr 2020 übermittelt. Sie wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass geplant sei, die Vorhaben mittels Sondervorschreibung zu finanzieren. Mit einem weiteren Schreiben wurde die Beklagte zur Leistung einer (ersten) Sondervorschreibung von EUR 12.000,00 auf das Rücklagenkonto der Eigentümergemeinschaft aufgefordert. Die Beklagte hat diese Vorschreibung erhalten; ihr ging keine Beschlussfassung durch die Miteigentümer voraus.

Die Klägerin begehrt sodann die Zahlung von EUR 12.000,00. Die Eigentümergemeinschaft werde durch die nach Miteigentumsanteilen berechnete Mehrheit der Wohnungseigentümer vertreten, die durch die beiden Eigentümerpartner repräsentiert werde.

Die Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft kann (auch) in einem bloßen Willensakt des Mehrheitseigentümers bestehen. Kommt es zu einer fristauslösenden Bekanntmachung eines solchen „Beschlusses“, richtet sich die Anfechtung formell nach Beschlussrecht. Sonst bleibt dem Minderheitseigentümer nur die Vorgangsweise nach § 30 Abs 2 WEG (RS0121904). Nach Verstreichen der Anfechtungsfrist oder dem rechtskräftigen Scheitern der Anfechtung ist ein Mehrheitsbeschluss über die Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten trotz etwaiger formeller oder inhaltlicher Mängel rechtsgültig und endgültig bestandskräftig (RS0122765 [T4]; RS0118450 [T1]). Sowohl die Wohnungseigentümer als auch ein Verwalter sind – bis zu einem etwaigen Widerruf im Weg einer neuerlichen Beschlussfassung (vgl dazu RS0131552) – daran gebunden. Die vom Verwalter aufgrund eines nicht mehr bekämpfbaren Beschlusses vorgeschriebenen Beiträge zur Sonderrücklage sind für die Mit- und Wohnungseigentümer bindend (RS0083581 [T9]). Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des Fachsenats auch für eine „Dominatorentscheidung“ (5 Ob 126/19v mit Verweis auf RS0121904).

5 Ob 18/23t – Wesentliche Änderungen an einem Wohnungseigentumsobjekt

Gemäß § 16 Abs 2 WEG ist der Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten unter dort näher beschriebenen Voraussetzungen berechtigt. Der Änderungsbegriff des § 16 Abs 2 WEG ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs weit auszulegen (RIS1.1. gem § 16 Absatz 2 WEG ist der Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten unter dort näher beschriebenen Voraussetzungen berechtigt. Der Änderungsbegriff des § 16 Absatz 2 WEG ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs weit auszulegen (RIS-Justiz RS0083108 [T1]; RS0083132). Jede Änderung, die eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnte, bedarf der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer oder der Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG (RS0083132 [T10]). Holt der änderungswillige Wohnungseigentümer die Zustimmung der anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters nicht ein oder setzt er sich über den Widerspruch eines anderen Miteigentümers hinweg, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung (gegebenenfalls auch zur Unterlassung künftiger Änderungen) verhalten werden (RS0083156; RS0005944).  Nach ständiger Rechtsprechung (RS0109247) kann das Vorliegen einer Änderung im Sinn des § 16 Abs 2 WEG nur für bagatellhafte Umgestaltungen verneint werden.

Eine bagatellhafte Änderung lag in diesem Fall nicht mehr vor: die Belegung des gesamten (!) Hausgartens mit Terrassenplatten, auch wenn die Platten bei schwimmender Verlegung leichter entfernbar sein mögen als aus einem Mörtelbett, ist die Abtragung der obersten Erdschicht samt Bewuchs, Anbringung einer Schotterschicht und Verlegung von Terrassenplatten doch als eine auf Dauer angelegte Widmungsänderung des Hausgartens auf „Terrasse“ zu sehen. Die zu beurteilenden Änderungen hätten daher der Zustimmung sämtlicher übriger Mit- und Wohnungseigentümer bedurft.

5 Ob 39/23f – Ausschlussklage nach § 36 Abs 1 WEG

Ein Wohnungseigentümer ist nach § 36 Abs 1 WEG auf Klage der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer aus der Gemeinschaft auszuschließen, wenn einer, der in Z 1 bis 3 dieser Bestimmung aufgezählten Ausschlussgründe, vorliegt. Nur die nach Anteilen zu berechnende Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer sind zur Einbringung der Ausschlussklage (und nicht auch die Eigentümergemeinschaft) aktiv legitimiert (5 Ob 193/18w; RIS-Justiz RS0113761). Dadurch wird die Gemeinschaft aufgehoben oder durch das Ausscheiden eines Wohnungseigentümers bzw im Fall der Realteilung durch (zusätzliche) Begründung von Wohnungseigentum geändert (5 Ob 193/18w).

Für den Fall, dass ein Miteigentumsanteil, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist, mit einem Fruchtgenussrecht belastet ist, gilt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Eigentümer einer derart belasteten Wohnung kein Recht auf die Benutzung (und Verwaltung) des Wohnungseigentumsobjekts selbst hat (RS0011841). Erstreckt sich das Fruchtgenussrecht auf den gesamten, mit dem Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung verbundenen Mindestanteil, kommen dem Fruchtgenussberechtigten nach außen hin – und auch im Verhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern – die Rechte eines Wohnungseigentümers zu (5 Ob 50/20v mwN). Der Fruchtgenussberechtigte tritt nur in den Angelegenheiten der Verwaltung an die Stelle des Wohnungseigentümers (vgl RS0011841). Die Ausübung des Gestaltungsrechts durch den oder die (bei der Ausschlussklage mehrheitlich) klagenden Teilhaber stellt aber keine Verwaltungsmaßnahme dar (5 Ob 193/18w). Dem Fruchtgenussberechtigten kommt damit ebenso wenig eine Legitimation zur Klage nach § 36 WEG zu wie einem Fruchtnießer die Passivlegitimation. In beiden Fällen fehlt die Aktiv- bzw Passivlegitimation, die mit dem Mit- bzw Wohnungseigentum verbunden ist, und mit der Einräumung des dinglichen Fruchtgenussrechts nicht übertragen wird. § 36 Abs 1 WEG stellt zur Klageberechtigung demgemäß ausschließlich auf die (Mehrheit der) Wohnungseigentümer ab. Die Klage ist gegen den auszuschließenden Wohnungseigentümer zu richten, sodass das Gesetz sowohl zur Aktiv- als auch zur Passivlegitimation ausschließlich auf die dingliche Stellung als Miteigentümer abzielt.

Außerstreitiges Recht

5 Ob 13/23g – Anhebung des Hauptmietzinses für ein Geschäftslokal auf den angemessenen Mietzins

Die Antragstellerin begehrte nach Übertragung sämtlicher Anteile der Mietergesellschaft an den Sohn der bisherigen Alleingesellschafterin die Festsetzung des angemessenen monatlichen Hauptmietzinses für das Geschäftslokal. Die Antragsgegnerin wendete im Wesentlichen ein, im Zug der Covid-19-Krise habe sich der Markt für Geschäftsraummieten drastisch verändert, eine Anhebung des Mietzinses sei daher nicht möglich.

Gemäß § 12a Abs 2 und 3 MRG darf der Vermieter binnen sechs Monaten nach Anzeige einer Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in einer Gesellschaft, die Hauptmieterin eines Geschäftslokals ist, die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag (unter Berücksichtigung der Art der im Objekt ausgeübten Geschäftstätigkeit) verlangen.

Der angemessene Hauptmietzins hat nach kritischer Ermittlung des für vergleichbare Mietgegenstände nach Art, Größe und Lage üblichen Mietzinses durch entsprechende Aufschläge oder Abschläge zu geschehen, die der Beschaffenheit, dem Ausstattungszustand und dem Erhaltungszustand des Objekts gebührend Rechnung tragen (RS0070448 [T10]). Die Beurteilung der Angemessenheit des Mietzinses ist eine Rechtsfrage, die vom Richter – und nicht vom Sachverständigen – zu lösen ist. Die Ermittlung des üblichen Mietzinses – als Orientierungshilfe für die Angemessenheitsprüfung – gehört hingegen zur Tatfrage, zu deren Lösung der Richter auf die Hilfe eines Sachverständigen zurückgreifen kann. Dessen Bewertungsergebnis und die Aufgabenadäquanz der von ihm gewählten Methode sind vom Gericht frei zu würdigen (RS0111105, vgl auch RS0070382, RS0107999).

Nach den Feststellungen hat sich die Corona-Krise bisher auf die Höhe der Mietzinse auf dem Immobilien-(teil-)markt der dem Bestandobjekt der Antragsgegnerin vergleichbaren Geschäftslokale (noch) nicht ausgewirkt; erst allmählich könnten (allenfalls) solche Auswirkungen eintreten. Temporäre Sonderentwicklungen der durchschnittlichen Mietzinse für Geschäftslokale – sei es generell oder an einem bestimmten Standort – sind bei der Ermittlung des angemessenen Mietzinses aufgrund eines Anhebungstatbestands grundsätzlich unbeachtlich, weil der Vermieter letztlich den Mietzins erhalten soll, den er im Fall einer Neuvermietung beim Eintritt des die Anhebung rechtfertigenden Ereignisses zu üblichen Bedingungen erzielt hätte (vgl 5 Ob 184/01x mwN). Nach ständiger Rechtsprechung besteht im Fall einer eingeschränkten Nutzbarkeit des Bestandobjekts ein Anspruch auf Zinsminderung oder Zinsbefreiung nach § 1096 ABGB ab Beginn der Gebrauchsbeeinträchtigung oder Unbrauchbarkeit des Objekts bis zu deren Behebung (RS0107866 [T4]). Es kann nicht an Stelle der Zinsbefreiung bis zur Behebung der Unbrauchbarkeit zu einer Neufestsetzung eines angemessenen Mietzinses kommen (1 Ob 27/97w; RS0024613; Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1096 Rz 204; Pletzer in Böhm/Pletzer/Spruzina/ Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 1096 Rz 123; Riss in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1096 Rz 30 mwN).

5 Ob 15/23a – Zur Präklusivfirst des § 16 Abs 8 Satz 3 MRG (Geltendmachung der Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung)

Der Mieter hatte die verfahrensgegenständliche Wohnung für einen befristeten Zeitraum angemietet. Noch vor dem Befristungsende brachte der Vermieter am 8. 1. 2020 eine Mietzins- und Räumungsklage aufgrund bestehender Mietzinsrückstände ein, in der er die sofortige Aufhebung des Mietvertrags gemäß § 1118 ABGB erklärte. Die Klage wurde dem Mieter jedenfalls vor dem 4. 3. 2020 zugestellt. In dem Mietzins- und Räumungsverfahren wurde ein bedingter Vergleich geschlossen, in dem sich der Mieter verpflichtete, die Wohnung zu räumen und bis 30. 4. 2020 unter Verzicht auf jeglichen Räumungsaufschub zu übergeben und den bestehenden Mietzinsrückstand und die Kosten des Verfahrens zu bezahlen. Der Vergleich wurde nicht widerrufen. Am 10. 9. 2020 brachte der Antragsteller einen Antrag auf Überprüfung des Hauptmietzinses bei der Schlichtungsstelle ein.

Gemäß § 16 Abs 8 Satz 3 MRG endet bei befristeten Hauptmietverhältnissen die dreijährige Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis. Diese Verlängerung der Präklusivfrist soll dem Mieter die Möglichkeit bieten, noch nach Mietende einen allfälligen Rückforderungsanspruch wegen Mietzinsüberschreitung gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG geltend zu machen, zumal er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr unter dem Druck steht, bei Geltendmachung seiner im MRG normierten Rechte eine Verlängerung des Bestandverhältnisses zu gefährden (5 Ob 102/04t; 5 Ob 71/15z mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0105354) ist eine auf § 1118 2. Fall ABGB gestützte Mietzins- und Räumungsklage des Vermieters als Erklärung der Auflösung des Mietverhältnisses zu werten. Das Mietverhältnis wird bereits mit Zustellung dieser Klage aufgelöst (RS0105354 [T5]). Ein Mieter, dessen Mietverhältnis wegen Zahlungsrückständen nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG aufgekündigt oder nach § 1118 2. Fall ABGB aufgelöst wurde, hat zwar nach § 33 Abs 2 und 3 MRG die Möglichkeit, die Aufkündigung oder Auflösung durch Zahlung des geschuldeten Betrags bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abzuwenden, dies aber nur unter der Voraussetzung, dass ihn am Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft. Diesfalls wird die Erklärung des Vermieters, den Vertrag aufzuheben, rückwirkend unwirksam (RS0107946). Die Behauptungs- und Beweispflicht für das Fehlen des groben Verschuldens liegt beim Mieter (RS0069316), jeder Zweifel geht zu seinen Lasten (RS0069316 [T5]). In den Fällen in denen der Mieter schon mangels ausreichenden Vorbringens zu den Voraussetzungen des § 33 Abs 2 und 3 MRG die vorzeitige Auflösung eines befristeten Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückstands nach § 1118 2. Fall ABGB nicht mehr ex tunc beseitigen kann, beginnt die sechsmonatige Verlängerung der dreijährigen Präklusivfrist (§ 16 Abs 8 Satz 3 MRG) mit Zustellung der Räumungsklage.

Die Mietzins- und Räumungsklage wurde hier vor dem 4. 3. 2020 zugestellt. Prozessvorbringen dahingehend, dass der Antragsteller mit den Mietzinszahlungen gar nicht in Verzug gewesen wäre und/oder ihn an diesem Verzug kein grobes Verschulden getroffen hätte, erstattete er in der vorbereitenden Tagsatzung nicht. Er verpflichtete sich mittels bedingten Vergleichs vielmehr, nahezu den gesamten eingeklagten Betrag und die Kosten binnen kurzer Frist zu bezahlen. Dieser Vergleich wurde auch nicht widerrufen (etwa mit Prozessvorbringen zu mangelndem grobem Verschulden). Mit Zustellung der Mietzins- und Räumungsklage musste dem Antragsteller auch klar sein, dass die Antragsgegnerin eine Verlängerung des Bestandverhältnisses über den Endtermin hinaus ablehnt. Auch objektiv gesehen befand er sich nicht mehr unter dem Druck, vorläufig auf einen Antrag auf Überprüfung des Hauptmietzinses verzichten zu müssen, um eine mögliche Verlängerung des Bestandverhältnisses nicht zu gefährden.

Durch den Vergleich wurde kein neues Bestandverhältnis begründet oder das bisherige Bestandverhältnis weitergeführt. Die durch Zustellung der Mietzins- und Räumungsklage bereits bewirkte Auflösung des Bestandverhältnisses sollte durch den Vergleich nicht rückgängig gemacht werden. Aus dem bloßen Umstand, dass die Streitteile eine Widerrufsfrist für den Vergleich vereinbarten, lässt sich dies nicht ableiten.

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, Juli 2023

WMWP Rechtsanwälte GmbH