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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter April 2023

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


Streitiges Recht

2 Ob 237/22z – Kein Prozesshindernis, wenn Übergabsauftrag unter Anspruchsverzicht zurückgezogen und sodann Räumungsklage eingebracht wurde

In einem Vorprozess begehrte die Klägerin zunächst die Erlassung eines Übergabeauftrags mit dem wesentlichen Vorbringen, dass sie Vermieterin eines näher bezeichneten Bestandobjekts sei und das mit dem Beklagten abgeschlossene Mietverhältnis ohne Aufkündigung durch Zeitablauf am 19. 1. 2022 erlösche. Nach Erhebung von Einwendungen durch den Beklagten, der unter anderem die Aktivlegitimation der Klägerin mangels Einverleibung ihres Eigentumsrechts im Grundbuch in Zweifel zog, erklärte die Klägerin, „den Übergabeauftrag unter Anspruchsverzicht“ zurück zu ziehen.

Mit der sodann eingebrachten Räumungsklage begehrt die Klägerin nunmehr, den Beklagten zur Räumung und geräumten Übergabe des (in identer Weise wie im Vorprozess) näher bezeichneten Bestandobjekts binnen 14 Tagen zu verpflichten. Sie sei Eigentümerin jener Liegenschaft, auf der sich das Bestandobjekt befinde. Das Mietverhältnis sei ohne Aufkündigung durch Zeitablauf am 19. 1. 2022 erloschen.

Der Beklagte wendete ein, dass das Prozesshindernis der Klagerücknahme unter Anspruchsverzicht vorliege. Der Streitgegenstand des Vorprozesses sei mit jenem im vorliegenden Räumungsverfahren ident.

Die Zurücknahme der Klage unter Verzicht auf den Anspruch stellt nach ständiger Rechtsprechung (nur) dann ein Prozesshindernis dar, wenn die Parteien und der Streitgegenstand im Vorprozess und im Folgeverfahren ident sind (vgl RS0039761). Dies setzt neben der Identität der Parteien auch jene der Ansprüche in beiden Prozessen voraus (RS0039473). Streitanhängigkeit liegt nach der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie (nur) dann vor, wenn der in der neuen Klage geltend gemachte Anspruch sowohl im Begehren als auch im rechtserzeugenden Sachverhalt mit jenem des Vorprozesses übereinstimmt (RS0039347). Ausgehend davon verneinen Rechtsprechung (etwa 4 Ob 187/12x) und Lehre (etwa Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ IV/1 § 560 ZPO Rz 53 mwN) das Vorliegen von Streitanhängigkeit zwischen einer gerichtlichen Aufkündigung und einer dasselbe Bestandobjekt betreffenden Räumungsklage. Dies ergebe sich schon aus der Verschiedenartigkeit der Begehren, bezwecke doch die Räumungsklage die sofortige Räumung des Bestandobjekts, während die Aufkündigung auf Übergabe des Bestandobjekts zu einem bestimmten Zeitpunkt (unter Einhaltung einer Kündigungsfrist) abziele. Die Erlassung eines – verfahrensrechtlich die gleiche Funktion wie eine gerichtliche Kündigung erfüllenden (RS0044915) – Übergabsauftrags nach § 567 ZPO kommt nur bei befristeten Bestandverträgen in Betracht, die ohne vorangegangene Aufkündigung allein durch den Ablauf der Bestanddauer enden. Der Übergabsauftrag kann auch nur vor, nicht aber erst nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer beantragt werden (8 Ob 88/14w). Unterbleibt die (fristgerechte) Beantragung der Erlassung eines Übergabsauftrags, hat der Bestandgeber die Möglichkeit zur Einbringung einer Räumungsklage (Iby in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ IV/1 § 569 ZPO Rz 10 ff; Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 §§ 1113–1115 Rz 14).

5 Ob 104/22p – Bekämpfung eines Vergleichs zwischen Wohnungseigentümern wegen Wucher und Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis)

Die Klägerin beantragte zunächst die Erteilung der Baubewilligung für einen Dachgeschossaus- und Zubau auf der Liegenschaft. Die Baubehörde forderte die Klägerin am 30. 11. 2020 auf, binnen einer Woche die fehlende Zustimmung zweier Miteigentümer, darunter jene des Beklagten, nachzureichen.

Der Beklagte bestritt seine Verpflichtung, diesem Bauvorhaben zuzustimmen. Es kam aber sodann zu einer Vereinbarung, wonach der Beklagte seine Zustimmung zu näher konkretisierten Um-, Aus- und Einbauten an dem auf der Liegenschaft errichteten Gebäude und zur Errichtung von Wohnungseigentum an neu geschaffenen Objekten erteilte. Im Gegenzug hierzu verpflichtete sich die Klägerin zu einer bestimmten, vom ursprünglichen Bauplan abweichenden Ausführung des Bauvorhabens und weiters dazu, dem Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes insbesondere für die Wertminderung seiner Wohnung den Betrag von € 20.000,00 zu zahlen. Damit sollten sämtliche (allfällige) Forderungen und behaupteten Ansprüche der Klägerin und deren Rechtsnachfolger gegenüber dem Beklagten und dessen Rechtsvorgängern aus und im Zusammenhang mit der (Plan-)Einreichung, den geplanten Um-, Aus- und Einbauten, sowie dem Ausbau des Flachdachs und Errichtung des Dachgeschoßes endgültig bereinigt und zur Gänze abgegolten sein. Aufgrund dieser Vereinbarung zahlte die Klägerin dem Beklagten noch am selben Tag € 20.000,00 und der Beklagte erteilte der Klägerin eine umfassende Vollmacht, ihn zur Erwirkung der Baubewilligung und zur Begründung von Wohnungseigentum an neu geschaffenen Objekten vor allen Behörden und Gerichten zu vertreten.  Mit der am 27. 5. 2021 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten – gestützt auf Schadenersatz wegen Verletzung der vertraglichen Zustimmungspflicht und Nichtigkeit der Vereinbarung vom 10. 12. 2020 wegen Wuchers iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB – die Rückzahlung der € 20.000,00 samt 4 % Zinsen seit 10. 12. 2020.

Gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB sind Verträge nichtig, wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren lässt, deren Vermögenswert zu dem Wert der Leistung in auffallendem Missverhältnis steht. Das Gesetz missbilligt so die Ausbeutung eines Vertragspartners durch auffallende objektive Äquivalenzstörung der beiderseitigen Hauptleistungen in Fällen der gestörten Freiheit der Willensbildung (5 Ob 176/21z; 9 Ob 37/18h mwN; RS0016864 [T4]). Jedes Rechtsgeschäft, bei dem ein Austauschverhältnis und Gegenseitigkeitsverhältnis besteht, kann wegen Wuchers angefochten werden. Auch Vergleiche, in denen sich der eine Teil übermäßig hohe Leistungen und Verzichte versprechen oder gewähren lässt, können wegen Wuchers nichtig sein (7 Ob 50/18f; RS0016909; RS0014757 [T5]). Die Unwirksamkeit eines Vertrags wegen Wuchers iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB setzt dabei 1. das auffallende Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, 2. die mangelnde Wahrungsmöglichkeit der Äquivalenz durch den Bewucherten wegen Leichtsinns, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung sowie 3. das Ausnützen der Lage des Bewucherten durch den Wucherer voraus (RS0016861; vgl auch RS0016864). Fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, liegt kein wucherisches Geschäft vor (RS0016864 [T7]). Wucher erfordert demnach als objektives Merkmal eine grobe, leicht erkennbare Äquivalenzstörung, wobei die gesamten beiderseitigen Leistungswerte in ein Verhältnis zu setzen sind (RS0016947). Auffallend ist das Missverhältnis dann, wenn die Gegenleistung den Wert der Leistung bedeutend übersteigt, ohne dass die Übermäßigkeit durch besondere Umstände des Falls, etwa die Gewagtheit des Geschäfts, sachlich gerechtfertigt wäre (RS0104128). Bloßes Fehlen der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit reicht nicht aus (RS0104128 [T1]). Das Missverhältnis muss jedoch nicht das Ausmaß der laesio enormis erreichen, weil andernfalls § 934 ABGB in seinem Anwendungsbereich zur Anfechtbarkeit des Vertrags führen würde (9 Ob 37/18h). Eine die Willensbildung beeinträchtigende Zwangslage liegt vor, wenn der Vertragsgegner vor die Wahl gestellt ist, in den Vertrag einzutreten oder einen Nachteil zu erleiden, der nach vernünftigem Ermessen schwerer wiegt, als der wirtschaftliche Verlust, den der Vertrag zur Folge hat (RS0104125). Die Zwangslage, die eine Anfechtung wegen Wuchers rechtfertigt, kann auch nur vorübergehend, psychisch oder vermeintlich sein und in Befürchtungen bestehen (RS0016878 [T1]). Es muss sich nur darum handeln, dass der Ausgebeutete infolge seiner Verhältnisse oder Eigenschaften nicht in der Lage war, sein Interesse beim Geschäftsabschluss gehörig zu wahren (9 Ob 37/18h). Der Tatbestand des Wuchers iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ist zudem nur erfüllt, wenn die Zwangslage des Bewucherten von dem anderen Vertragspartner ausgebeutet wurde. Der Wucherer braucht dabei nichts zur Herbeiführung der für seinen Partner ungünstigen Lage beizutragen, insbesondere muss die Initiative zum Vertragsabschluss nicht von ihm ausgehen (RS0016864 [T1, T2]; RS0016894 [T1, T2]). Es genügt vielmehr, wenn ihm die Zwangslage seines Vertragspartners bekannt war oder offenbar aus den Umständen auffallen musste (RS0104125 [T1]; RS0016894 [T1]; RS0016887).  Zur Annahme des subjektiven Wuchertatbestands des „Ausbeutens“ genügt daher Fahrlässigkeit (RS0016887 [T1]; RS0104129). Gleiches gilt für das auffallende Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Notwendig und hinreichend ist, dass der Wucherer das grobe Missverhältnis der Leistungen gekannt hat oder erkennen hätte müssen (RS0016894). Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB, trifft den Anfechtenden (7 Ob 50/18f; RS0016915 [T2]). Das gilt insbesondere für das auffallende, also grobe und leicht erkennbare Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Es ist Sache des Anfechtenden, den Verkehrswert der Vertragsleistungen und Umstände darzutun, nach denen dem Beklagten ein Missverhältnis der Werte der Leistungen mindestens bekannt sein musste. Die bloße Behauptung, dass Leistung und Gegenleistung in einem auffallenden Missverhältnis stünden, reicht nicht aus (7 Ob 50/18f; RS0016915; RS0016912 [T2]; RS0016520).

In diesem Fall wurde die Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 10. 12. 2020 wegen Wuchers verneint. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin ihrer Behauptungs- und Beweispflicht für das erforderliche auffallende Missverhältnis der wechselseitigen Leistungswerte nicht nachgekommen sei. Die bloße Behauptung, dass Leistung und Gegenleistung in einem solchen Missverhältnis stünden, reiche nicht aus. Dabei war der der Klägerin zukommende Vorteil der Vermeidung eines erheblichen Zeitverlustes und der von der Klägerin im Zusammenhang mit der Begründung ihrer Zwangslage geschilderten wirtschaftlichen Bedeutung dieses Umstands ebenso relevant, wie der Umstand, dass der Vergleich auch einen Ausgleich der von dem Beklagten behaupteten Wertminderung umfasste. Dass die Klägerin schon im Verfahren vor dem Erstgericht ein ausreichend konkretes Vorbringen dazu erstattet hätte, dass das Vergleichsergebnis insgesamt nicht nur objektiv, sondern auch offenkundig und für die Parteien leicht erkennbar ein Missverhältnis bedeutete, zeigte die Revision nicht auf. Des Weiteren kann ein „redlich errichteter“, sprich nicht durch List, Zwang oder Drohung beeinflusster Vergleich nicht gemäß § 1386 ABGB wegen laesio enormis (§§ 934 f ABGB) angefochten werden.

5 Ob 140/22g – Zur Rückzahlung eines von einem anderen Wohnungseigentümer über seinen Anteil hinaus geleisteten Betrags in die Rücklage

In dem Verfahren ging es um die Frage, ob ab dem Zeitpunkt der Rückzahlung eines von einem Wohnungseigentümer über seinen Anteil hinaus geleisteten Betrags in die Rücklage der Eigentümergemeinschaft der ursprünglich dem anderen Wohnungseigentümer vorgeschriebene (aber nicht geleistete) Betrag gegenüber diesem aufgrund der ursprünglichen Vorschreibung erfolgreich durchgesetzt werden kann. Die Beklagte bestritt diese Beitragspflicht mit dem Argument, dass die Eigentümer der Wohnung W 1 die gesamte für die Sanierung der Fenster vorgeschriebene Sonderrücklage („in der Höhe von 19.200 EUR“) zur Gänze gezahlt hätten. Damit sei die Forderung der Klägerin erfüllt. Der Verwalter habe die Hälfte („sohin den Betrag von € 9.955,80“) ohne Grund und aus Eigenem zurückgezahlt. Diese schikanöse Rückzahlung könne keine Schuld der Beklagten begründen.

Die Zahlung der Eigentümer der Wohnung W1 erfolgte zeitlich (lange) vor und losgelöst von der späteren Vorschreibung gegenüber der Beklagten. Diese Zahlung erfolgte auch nur deshalb in einer die gesamten voraussichtlichen Kosten deckenden (in etwa der späteren Vorschreibung entsprechenden) Höhe, um die Beklagte zur Einräumung eines Vorkaufsrechts zu bewegen. Zu einer solchen Vereinbarung, die die Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels iSd § 32 Abs 2 WEG beinhaltet hätte, kam es – unstrittig – nicht.

Zum Zeitpunkt der Erbringung der Leistung durch die Wohnungseigentümer der Wohnung W 1 bestand demnach die hier eingeklagte Beitragsschuld der Beklagten (noch) nicht. Die von der Beklagten behauptete Tilgung gemäß § 1412 ABGB oder Einlösung gemäß § 1422 ABGB einer für sie formell und materiell fremden Schuld kommt schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Eine schuldtilgende Wirkung gemäß § 1412 ABGB wäre zudem auch im Hinblick auf die Möglichkeit der bereicherungsrechtlichen Rückforderung der Zahlung zu verneinen. Bei einem Anspruch des Zahlers nach § 1431 ABGB oder § 1435 ABGB gegen den Empfänger (hier: die Klägerin), ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der wahre Schuldner (hier: die Beklagte) durch die Drittzahlung nicht befreit (5 Ob 90/21b mwN; RS0107954 [T4]). Die Beklagte hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Klägerin die Überzahlung der Wohnungseigentümer der Wohnung W 1 zur Deckung jenes Aufwands verwendet, den sie aufgrund ihrer Beitragspflicht zu tragen hat. Aus dem Umstand, dass zur Geltendmachung des solcher Art begründeten Verwendungsanspruchs nach § 1042 ABGB nicht die Klägerin, sondern die Wohnungseigentümer der Wohnung W 1 legitimiert wären, ist für den Prozessstandpunkt der Beklagten daher nichts zu gewinnen. Ein allfälliger Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB der Wohnungseigentümer der Wohnung W 1 gegenüber der Beklagten stünde außerdem in Konkurrenz zu einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin (2 Ob 157/10t [§ 1431 ABGB] = RS0126987).

5 Ob 182/22h – Schriftformgebot für Vereinbarungen, die einen abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit festlegen

Gemäß § 32 Abs 2 WEG können sämtliche Wohnungseigentümer (ua) einen vom Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile nach § 32 Abs 1 WEG abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit festlegen. Solche Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Die Festsetzung einer abweichenden Abrechnungseinheit führt dazu, dass die Abrechnungseinheit der Liegenschaft unterteilt wird und innerhalb der Liegenschaft für jede Einheit, etwa bestimmte Häuser einer Liegenschaft, eigene Abrechnungen zu legen sind (vgl RIS-Justiz RS0122484 [T6]). Durch eine solche Vereinbarung wird auch der Kreis der Miteigentümer bestimmt, die jeweils die Aufwendungen für diese Abrechnungseinheit zu tragen haben (5 Ob 160/18t).

In der Zeit zwischen dem Inkrafttreten des WEG 1975 und dem 3. WÄG (also zwischen dem 1. 9. 1975 und dem 1. 3. 1994) war die Rechtslage in Bezug auf die Wirksamkeit einer seinerzeit wirksamen mündlichen Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer über einen vom Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile abweichenden Aufteilungsschlüssel so, dass ein durch Rechtsnachfolge neu hinzukommender Wohnungseigentümer nur dann an die Vereinbarung gebunden war, wenn er dieser in Schriftform beigetreten oder in einer ebenfalls dem Schriftlichkeitsgebot des § 19 Abs 1 Z 2 WEG 1975 genügenden Weise in die Rechtsstellung des früheren Miteigentümers (seines Einzelrechtsvorgängers) eingetreten war (5 Ob 274/04m mwN; 5 Ob 120/01k). Ein konkludenter Beitritt eines Wohnungseigentümers zu einer bestehenden Vereinbarung kam daher seit dem Inkrafttreten des WEG 1975 mit 1. September 1975 nicht mehr in Betracht. Wenn ein Einzelrechtsnachfolger, dem ein diesbezügliches Entscheidungsrecht zu stand, den Beitritt zur seinerzeitigen (noch mündlich bzw konkludent wirksam geschlossenen) Vereinbarung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer ablehnte und damit die gesetzlich geforderte Übereinstimmung aller Miteigentümer nicht mehr erreicht werden konnte, war die getroffene Vereinbarung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer hinfällig (vgl RS0013676 [T4]). Solange ein neuer Miteigentümer, für den die Vereinbarung nicht kraft Rechtsübergangs galt, einen Beitritt zu dieser Vereinbarung aber nicht ablehnte, bestand – bis zum Inkrafttreten des 3. WÄG am 1. März 1994 – ein Schwebezustand, während dessen die anderen Miteigentümer (als Vertragspartner der ursprünglichen Vereinbarung) daran gebunden blieben (vgl RS0013676; s auch 5 Ob 205/14d zu einer Benützungsvereinbarung).

In diesem Fall wurde der Beklagte im Jahr 1986 Wohnungseigentümer des (bereits seit rund 15 Jahren von ihm genutzten) Geschäftslokals nach seinem Rechtsvorgänger (Verein) auf der Grundlage eines Anerkenntnisurteils, das den Verein zur Übertragung des Eigentums an den Liegenschaftsanteilen verpflichtet hatte. Eine vertragliche Überbindung der im Jahr 1981 vom Rechtsvorgänger mit sämtlichen anderen Miteigentümern wirksam abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarung über die gesonderten Verrechnungseinheiten für die einzelnen Gebäudekomplexe (Blöcke) der Anlage kann daher nicht vorliegen. Allerdings legen hier die konkreten Umstände eine Beurteilung dahin nahe, dass der Beklagte durch seine Vorgangsweise dieser Vereinbarung in einer dem Schriftformgebot des § 19 Abs 2 WEG 1975 (nun § 32 Abs 2 WEG 2002) genügenden Form beigetreten ist: Die beiden vom Beklagten der Hausverwaltung übermittelten schriftlichen Vereinbarungen aus den Jahren 1987 und 1993, in denen die Wohnungseigentümer des Geschäftstrakts nähere Einzelheiten über die gesonderte Verrechnung der Betriebs- und Instandhaltungskosten für den Geschäftstrakt „Block D“ festlegten, ist als Beitritt zur bestehenden Vereinbarung über die gesonderten Verrechnungseinheiten zu werten gewesen. Da eine allgemein formulierte Übernahme der „bestehenden Rechte und Lasten“ im schriftlichen Vertrag des Rechtsnachfolgers eines Wohnungseigentumsobjekts ausreichte, um der Schriftform nach § 19 Abs 2 WEG 1975 idF 3. WÄG zu genügen, lässt sich dies auch auf die schriftlichen Erklärungen des Beklagten in Bezug auf die gesonderte Verrechnung der Betriebs- und Instandhaltungskosten für die einzelnen Gebäude der Anlage übertragen.

10 Ob 29/22w – Verpflichtung zur Bezahlung des Mietentgelts trotz Inanspruchnahme einer Mietkaufoption nach dem WGG

Die klagende Partei als Vermieterin und die ursprüngliche Mieterin schlossen im Jahr 2010 einen Mietvertrag mit Kaufoption, der den Bestimmungen des MRG und des WGG unterliegt. Im Mietvertrag wurde unter Punkt III. Folgendes vereinbart:

Der bei Erstbezug eingehobene Finanzierungsbeitrag beträgt für Grundkosten EUR 9.421,00. Der Mieter hat den Finanzierungsbeitrag in Höhe von EUR 9.421,00 zur Gänze geleistet.

Mit der Leistung des Grundkostenanteils hat der Mieter gemäß den Bestimmungen der § 15b ff. Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz in Verbindung mit § 38 des Salzburger Wohnbauförderungsgesetzes einen Anspruch auf nachträglichen Erwerb der zugeteilten Wohnung bzw. der auf sie entfallenden Miteigentumsanteile, verbunden mit der Zusicherung der Begründung von Wohnungseigentum durch unsere Gesellschaft erworben. Im Falle der Auflösung des Mietvertrages hat der ausscheidende Mieter einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm zur Finanzierung geleisteten Beträge, vermindert um die ordnungsgemäße Absetzung für Abschreibung gemäß § 17 Abs 4 WGG im festgesetzten Ausmaß.“

Nach Ablauf einer Mietdauer von zehn Jahren wurde die Mieterin von der klagenden Partei in einem Schreiben über die Möglichkeit der Ausübung der Mietkaufoption informiert. Ihre Schwiegertochter füllte das dem Schreiben angeschlossene Antwortformblatt „Ausübung des gesetzlichen Optionsrechtes zum Erwerb der Wohnung“ aus. Das von der Mieterin eigenhändig unterschriebene Antwortformblatt wurde am selben Tag an die klagende Partei übermittelt. Infolge des Todes der Mieterin nur wenige Tage später und des Fehlens eintrittsberechtigter Personen wurde von der klagenden Partei gegenüber der Verlassenschaft die Ausarbeitung und Unterfertigung eines schriftlichen verbücherungsfähigen Kaufvertrags abgelehnt.   Mit der gerichtlichen Aufkündigung kündigte die klagende Partei der beklagten Verlassenschaft das Bestandverhältnis auf. Als Kündigungsgründe wurden der Tod der Mieterin (§ 1116a ABGB iVm § 30 Abs 2 Z 5 MRG) und hilfsweise der Mietzinsrückstand (§ 30 Abs 2 Z 1 MRG) geltend gemacht.

In dem hier zu beurteilenden Vertrag wird auf die §§ 15b ff WGG verwiesen, nach denen erst nach Annahme des Kaufangebots durch die Mieterin die Voraussetzungen für die nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum zu schaffen sind. In diesem Sinn wurde auch im Mietvertrag festgehalten, dass die Mieterin mit Leistung des Grundkostenanteils Anspruch auf nachträglichen Erwerb hat; die Mieterin ist demnach aber nicht berechtigt, die Rechtslage durch ein Gestaltungsrecht einseitig zu verändern. In dem hier zu beurteilenden Fall liegt daher kein „echtes Optionsrecht“ der Mieterin vor.

Nach der Rechtsprechung endet das Bestandverhältnis infolge Konfusion, wenn das Eigentumsrecht des Mieters sachenrechtlich übergeht, etwa durch bücherliche Einverleibung des Eigentumsrechts (RS0034033 [Erwerb der Liegenschaft mit dem gemieteten Haus]; vgl RS0034032 [Erwerb einer Eigentumswohnung]; RS0034033 [T1] [Begründung von Wohnungseigentum am vermieteten Objekt]). Konkret zur nachträglichen Übertragung in das Wohnungseigentum nach dem WGG wurde ausgesprochen, dass der Mietvertrag durch die Begründung von Wohnungseigentum und Zuweisung des Objekts ins Eigentum des vormaligen Mieters aufgelöst wird (5 Ob 35/22s; 5 Ob 54/16a; zustimmend Trummer, Mietkauf 375, der lediglich beim freivertraglichen Mietvertrag mit Kaufoption – also außerhalb des WGG – das Erlöschen des Mietvertrags bereits mit Kaufvertragsabschluss befürwortet). In Ermangelung einer anderslautenden Vereinbarung ist für die Beendigung des Bestandverhältnisses auf den sachenrechtlichen Eigentumsübergang abzustellen. Daher besteht, solange es zu keiner Vereinigung von Vermieter- und Mieterstellung kommt, auch die Pflicht zur Mietzinszahlung – trotz des Kaufvertragsabschlusses bzw der Optionsausübung – weiter (ebenso etwa 5 Ob 119/13f).

Demnach bestand das Mietverhältnis ungeachtet der Optionsausübung bis zur Wohnungseigentumsübertragung weiterhin fort und es war auch das Mietentgelt zu entrichten. Die Beurteilung der Fragen, ob der Verlassenschaft (bzw dem Sohn) ein Erwerbsanspruch hinsichtlich der Wohnung zukommt und ob dieser Anspruch vererblich ist, sind nicht Gegenstand eines Aufkündigungsverfahrens, das auf die Beendigung des Bestandverhältnisses gerichtet ist. Ein konkreter Rechtsmissbrauchseinwand im Hinblick auf das Räumungsbegehren wurde nicht erhoben.

Außerstreitiges Recht

5 Ob 34/22v – Gemäß § 24 Abs 1 S 2 WEG kommt der Beschluss erst zustande, wenn allen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde; bis dahin ist ein Wohnungseigentümer an seine Abstimmungserklärung nicht gebunden

Die Grundsätze der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft sind in § 24 WEG geregelt. Danach dient zur Willensbildung vornehmlich die Eigentümerversammlung, doch können Beschlüsse auch – allenfalls ergänzend zu den in einer Eigentümerversammlung abgegebenen Erklärungen – auf andere Weise, etwa auf schriftlichem Weg zustande kommen (§ 24 Abs 1 WEG). Die Willensbildung kann daher auch im Weg sogenannter Umlaufbeschlüsse erfolgen. Da die Willensbildung in Form eines Umlaufbeschlusses der Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung gleichsteht, hat sie grundsätzlich den Anforderungen des § 24 WEG zur Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung zu entsprechen (5 Ob 16/16p mwN). Gemäß § 24 Abs 1 S 2 WEG kommt der Beschluss erst zustande, wenn allen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde; bis dahin ist ein Wohnungseigentümer an seine Abstimmungserklärung nicht gebunden (§ 24 Abs 1 S 2 WEG; zu der dem Gesetzgeber unterlaufenen Verwechslung von Zustandekommen und Wirksamkeit des Beschlusses: 5 Ob 116/06d; 5 Ob 18/07v). Bis zu diesem Zeitpunkt seiner Bindung kann jeder Wohnungseigentümer seine Entscheidung abändern und eine bereits abgegebene Erklärung widerrufen.  Das gilt auch beim schriftlichen Umlaufbeschluss; auch dieser kommt erst dann zustande, wenn auch dem letzten Wohnungseigentümer die Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde (RIS-Justiz RS0108769 [T1]).   Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs tritt bei einem Umlaufbeschluss die Bindung der Teilnehmer an ihre Abstimmungserklärung dabei (erst) dann ein, wenn sie allen anderen am Willensbildungsprozess Beteiligten zugegangen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Wohnungseigentümer seine Entscheidung widerrufen. Zum Eintritt der Bindungswirkung ist demnach bei Umlaufbeschlüssen – falls nicht ausnahmsweise auf andere Weise der allseitige Zugang der Abstimmungserklärungen dokumentiert ist – die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich, um die Entscheidung rechtswirksam werden zu lassen (RS0106052). Der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses liegt dabei nicht im Belieben der Initiatoren eines Umlaufbeschlusses. Die Bekanntgabe hat vielmehr nach Ablauf einer angemessenen Äußerungsfrist und zeitnah zum Abstimmungsvorgang zu erfolgen, um eine nachträgliche Änderung des Ergebnisses des an sich abgeschlossenen Abstimmungsvorgangs durch Beeinflussung einzelner Wohnungseigentümer auszuschließen. Wird die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses ohne sachlich gerechtfertigten Grund hinausgezögert, ist der Umlaufbeschluss nicht wirksam zustande gekommen (5 Ob 191/13v; 5 Ob 16/16p; RS0123022).

Die mit Blick auf das Anhörungsrecht der Wohnungseigentümer zu konstatierenden Unterschiede bei der Meinungsbildung und Abstimmung rechtfertigen die in der Lehre (Briem, Erfordernisse einer rechtswirksamen Beschlussfassung auf schriftlichem Weg im WEG 2002, immolex 2010, 6 [7]; Terlitza, Glosse zu 1 Ob 136/18h, wobl 2020/39 [114f]) kritisierte Ungleichbehandlung des Umlaufbeschlusses gegenüber der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung nicht nur, sie machen diese vielmehr notwendig. Die Bindung erst nach Zugang des Abstimmungsergebnisses soll gewährleisten, dass die Wohnungseigentümer ihre Entscheidung letztlich auf Basis allen zur Verfügung stehenden, also auch der sich aus einer späteren Äußerung eines Wohnungseigentümers ergebenden, Informationen treffen. Das Abstellen auf den Zugang der Abstimmungserklärungen ist kein Verkennen des Erklärungsempfängers im rechtsgeschäftlichen Sinn (vgl Terlitza, Glosse zu 1 Ob 136/18h, wobl 2020/39 [114]), sondern Ausfluss des nach dem Gesetz zu gewährenden Anhörungsrechts. Die „Gelegenheit zur Äußerung“ (iSd § 24 Abs 1 S 2 WEG) umfasst eben nicht nur die Möglichkeit zur eigentlichen Stimmabgabe, sondern auch jene zur Werbung für den eigenen Standpunkt (RS0108769 [T10]). Das sämtlichen Wohnungseigentümern im Zug des Willensbildungsvorgangs zu gewährenden Beteiligungs- und Äußerungsrecht, eine Forderung, die auch die zitierte Lehre nicht in Frage stellt, wird daher nur dann Rechnung getragen, wenn ihnen diese Möglichkeit bis zur Beendigung des Abstimmungsvorgangs offen steht. Zwar mag bei einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren idealerweise die Dauer der Äußerungsfrist durch einen Endtermin definiert werden. Nach Rechtsprechung und Lehre setzt eine ordnungsgemäße (= rechtswirksame) Beschlussfassung aber nicht voraus, dass auf diese Weise das Ende des Diskussionsprozesses im Verfahren über die Beschlussfassung im Umlauf bestimmt oder zumindest bestimmbar festgelegt wird (5 Ob 191/13v = RS0129492; RS0124152 [T3]; Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht I23 § 24 WEG Rz 12; Löcker in Hausmann/Vonkilch WEG4 § 24 WEG Rz 26).

Der zur Anfechtung berechtigte Wohnungseigentümer muss von einem (Form-)Mangel nicht persönlich betroffen sein. Daher können überstimmte Wohnungseigentümer – wie die Antragsteller hier – geltend machen, dass andere Wohnungseigentümer mangelhaft angehört wurden (5 Ob 315/03i; Löcker in Hausmann/Vonkilch WEG4 § 24 WEG Rz 69). Die Beschlussanfechtung muss sich also nicht auf eigene Informationsdefizite stützen, es können auch solche anderer Wohnungseigentümer herangezogen werden (RS0118846 [T1]).

5 Ob 188/22s – Hat eine gemeinnützige Bauvereinigung ein Bestandobjekt in Anwendung der Bestimmungen der §§ 15b ff WGG an den bisherigen Mieter ins Wohnungseigentum übertragen, sind bei nachfolgender Vermietung die Bestimmungen des WGG nicht mehr anzuwenden

Die Gebäude auf der Liegenschaft, deren Miteigentümerin die Antragstellerin ist, wurden von einer gemeinnützigen Bauvereinigung (idF: GBV) errichtet. Mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 16. 12. 2003 wurde daran Wohnungseigentum (nachträglich) begründet, wobei die GBV das letzte bei ihr verbliebene Wohnungseigentumsobjekt im Jahr 2017 veräußerte.

Die Antragstellerin begehrt, der Antragsgegnerin aufzutragen, eine vollständige Betriebskostenabrechnung nach § 19a WGG iVm § 34 WEG vorzulegen. Das Gebäude sei von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet worden, weswegen nach dem Grundsatz „einmal WGG, immer WGG“ die Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes weiterhin anzuwenden seien. Die Antragsgegnerin habe für das Jahr 2019 zwar eine Abrechnung nach § 34 WEG gelegt, die aber nicht der Bestimmung des § 19a WGG entspreche, die festlege, wie die Abrechnung zu gliedern sei und auch eine Information über den Stand des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags (EVB) fordere.

§ 19a Abs 2 WGG nennt die Anforderungen an die von der GBV oder einem ihr nachfolgenden Verwalter als Grundlage für eine ordentliche Einzelabrechnung nach Abs 1 leg cit gemäß § 34 WEG zu erstellende Abrechnung.  Die Bestimmung des § 14e WGG, auf die in § 19a WGG verwiesen wird, geht auf die WRN 2006 zurück. Nach den ErläutRV zur WRN 2006 (1183 BlgNR 22. GP 46) folgt die Klarstellung des § 14e Abs 1 WGG der Überlegung, dass bei nachträglicher Wohnungseigentumsbegründung und (allenfalls sukzessivem) Abverkauf an die Mieter in einem „Vielparteienhaus“ letztlich auch nur eine einzige im Wohnungseigentum der Bauvereinigung stehende Mietwohnung verbleiben kann, die aber jedenfalls nach WGG-Grundsätzen zu bewirtschaften und abzurechnen ist (§ 19a WGG). Dadurch soll (systemkonform) eine klare Trennung in der Rechtsstellung der Bauvereinigung einerseits als Verwalter des wohnungseigentumsrechtlichen Gesamtobjekts (mit spezifischen Pflichten gegenüber den anderen Wohnungseigentümern) und andererseits als Wohnungseigentums-Vermieterin (und damit Verwalter einzelner, eigener Wohnungen) unterstrichen werden, um nicht zuletzt Interessenkollisionen zu vermeiden.

Die Anwendung des WGG setzt grundsätzlich ein Rechtsverhältnis zwischen einer gemeinnützigen Bauvereinigung und den Mietern/Nutzungsberechtigten voraus (Prader/Pittl, WGG2 § 20 Rz 1). Ein solches liegt in diesem Fall unzweifelhaft nicht (mehr) vor, weil die GBV nach den Feststellungen seit dem Jahr 2017 nicht mehr Wohnungseigentümerin und damit auch nicht Vermieterin ist. Aus dem Zusammenspiel der Regelungen des § 20 Abs 1 Z 2 bis Z 3 WGG folgt, dass nur für den Fall, dass an einem Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstand der Baulichkeit zugunsten des bisherigen Mieters gemäß den §§ 15b bis 15e WGG Wohnungseigentum begründet (oder bereits begründetes Wohnungseigentum veräußert) worden ist, die Bestimmungen des WGG nicht weitergelten, sondern jene des MRG nach Maßgabe dessen § 1 Abs 1, 2 und 4 (§ 20 Abs 1 Z 2a WGG). Hat also die gemeinnützige Bauvereinigung ein Bestandobjekt in Anwendung der Bestimmungen der §§ 15b ff WGG an den bisherigen Mieter ins Wohnungseigentum übertragen, sind bei nachfolgender Vermietung die Bestimmungen des WGG nicht mehr anzuwenden (5 Ob 80/21g; Rudnigger aaO § 20 WGG Rz 5; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 20 WGG Rz 11; Prader/Pittl, WGG1.03 § 20 Rz 7). Andernfalls, also im Anwendungsbereich von § 20 Abs 1 Z 2b WGG, haben die wohnzivilrechtlichen Bestimmungen des WGG auch bei anschließender Weitervermietung Geltung (Rosifka aaO 319; so auch Prader, Zu den Folgen des Erwerbs von gemeinnützigen Bauten durch einen „Dritten“, immolex 2013, 230 [231]). Eine Abrechnung nach § 19a WGG ist nur solange zu erstellen, als zumindest ein Wohnungseigentumsobjekt von der GBV vermietet wird. Das ergibt sich nicht zuletzt aus dem Zweck dieser Regelung, die sicherstellen soll, dass die GBV auch bei der Verwaltung durch einen Dritten, in der Lage bleibt, ihrer Abrechnungsverpflichtung gegenüber den Mietern oder sonst Nutzungsberechtigten der in ihrem Eigentum verbliebenen Objekte nachzukommen.

5 Ob 219/22z – Wird der Kündigung erst nach Ablauf des Kündigungstermins mit gerichtlichem Urteil Folge gegeben, so ist das Bestandverhältnis schon als mit dem Ablauf des Kündigungstermins erloschen anzusehen

Der Oberste Gerichtshof hat die vom Antragsteller gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, mit der es das Urteil des Erstgerichts über die Wirksamkeit der Aufkündigung zum 30. 4. 2020 bestätigte, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss zu 1 Ob 228/21t vom 14. 12. 2021 zurückgewiesen. Mit Zustellung dieser Entscheidung wurde die Kündigung zum Stichtag 30. 4. 2020 rechtswirksam, sodass sich der Antragsteller auf kein Rechtsverhältnis berufen kann, das ihn gegenüber der Antragsgegnerin zur Nutzung des Mietobjekts nach diesem Zeitpunkt berechtigt hätte. Zum 2. 9. 2021, zu dem der Antragsteller die Antragsgegnerin aufforderte, einen Preis für die Übertragung der Wohnung in sein Eigentum bekanntzugeben, bestand kein wirksames Mietverhältnis mehr, mag die Rechtskraft im Verfahren über die Aufkündigung auch erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sein. Damit kann sich der Antragsteller – ex post betrachtet – auch nicht mehr darauf berufen, er sei als Mieter zur Antragstellung iSd § 15c WGG (idF BGBl I Nr  162/2001) legitimiert gewesen. Nach gefestigter Rechtsprechung endet das Bestandverhältnis, wenn eine gerichtliche Aufkündigung für rechtswirksam erkannt wird, stets mit dem gemäß § 562 Abs 1 ZPO in der Kündigung anzugebenden Zeitpunkt (RS0044763). An der Beendigung zu diesem Stichtag ändert auch der Umstand nichts, dass das Urteil, mit dem die Kündigung für rechtswirksam erklärt wurde, erst nach Ablauf des Kündigungstermins erging (RS0044917; RS0044908).

Stellt der Mieter ungeachtet einer wirksamen Kündigung das Bestandobjekt nicht zurück, hat er dem Bestandgeber als titelloser Benützer nach § 1041 ABGB ein Benützungsentgelt in Höhe eines bei Weitervermietung erzielbaren Bestandzinses zu zahlen (RS0030282; RS0019883). Als titelloser Benützer ist der Antragsteller entgegen seiner Argumentation aber nicht Nutzungsberechtigter iSd §§ 15c und 15e WGG.

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, April 2023

WMWP Rechtsanwälte GmbH