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Blogserie | Teil 3: Die Restrukturierungsordnung (REO) – der neue Weg zur Entschuldung

Nach dem 1. Teil (Grundelemente und Wesensmerkmale) und dem 2. Teil (Restrukturierungsplan und -konzept) befasst sich der 3. Teil dieser Blogserie mit den verschiedenen Restrukturierungsverfahrensarten.

  1. „Ordentliches“ Restrukturierungsverfahren
    • Abstimmungsverfahren und Bestätigung

Die nicht öffentliche Restrukturierungsplantagsatzung zur Abstimmung über den Restrukturierungsplan hat innerhalb von 30 bis 60 Tagen nach Vorlage des Restrukturierungsplans zu erfolgen (§ 31 Abs 1ReO). Eine Änderung des Restrukturierungsplans ist bis zu diesem Zeitpunkt möglich (§ 145a IO ist anwendbar).

Für die wirksame Annahme des Restrukturierungsplans ist eine doppelte Mehrheit in jeder Gläubigerklasse notwendig: einerseits ist eine Kopfmehrheit, andererseits eine Summenmehrheit von 75% in jeder Gläubigerklasse herzustellen. Wurden keine Klassen gebildet, so berechnen sich die erforderlichen Mehrheiten anhand der insgesamt anwesenden Gläubiger (§ 33 Abs 1 ReO).

Die Zustimmung ablehnender Gläubiger kann nach den Voraussetzungen des § 36 Abs 1 ReO dann ersetzt werden, wenn (1) die Voraussetzungen zur Bestätigung des Restrukturierungsplans erfüllt sind, (2) ablehnende Gläubigerklassen gleichgestellt werden wie gleichrangige Klassen und bessergestellt werden als nachrangige Klassen („relative priority rule“) und (3) keine Gläubigerklasse mehr erhält als den vollen Betrag ihrer Forderungen (sog. „klassenübergreifender Cram-down“). Es ist sohin die Befriedungsreihenfolge des Insolvenzrechts einzuhalten. Weiters muss der Restrukturierungsplan von einer Mehrheit aller Gläubigerklassen samt besicherter Gläubiger oder durch die Mehrheit jener Klassen angenommen werden, die bei einer hypothetischen Liquidation eine Quote erhalten würden (§ 36 Abs 2 ReO).

Der Restrukturierungsplan ist (allenfalls gemeinsam mit dem klassenübergreifenden Cram-down) obligatorisch vom Gericht zu bestätigen (§ 34 ReO), wenn dieser die betroffenen Gläubiger innerhalb der Gläubigerklassen im Verhältnis ihrer Forderungen gleich behandelt wurden, der Schuldner bescheinigt, dass der Restrukturierungsplan allen betroffenen Gläubigern spätestens zwei Wochen vor der Abstimmung übermittelt wurde (§ 31 Abs 1 ReO), keine unangemessene Interessensbeeinträchtigung der betroffenen Gläubiger durch neue Finanzierungen vorliegen und die Entlohnung des ReO-Beauftragten bestimmt wurde. Die Bestätigung ist insbesondere bei wissentlichem Verschweigen nicht betroffener Gläubiger oder bei Nichtzahlung von nicht im Restrukturierungsplan einbezogenen, fälligen und feststehenden Forderungen, bzw. wenn der Restrukturierungsplan nicht die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, zu versagen.

  • Einbeziehung der Anteilsinhaber (§ 37 ReO)

Anteilsinhaber von Schuldner dürfen die Annahme, Bestätigung und/oder Umsetzung des Restrukturierungsplans nicht grundlos behindern oder erschweren.[1] Sie sind jedoch auch nicht gegen ihren Willen in den Restrukturierungsplan miteinzubeziehen, sodass von diesen auch kein Restrukturierungsbeitrag erzwungen werden kann.

Sofern gesellschaftsvertraglich die Zustimmung der Anteilsinhaber zum Inhalt des Restrukturierungsplans vorgesehen ist, kann die erforderliche Zustimmung durch Beschluss des das ReO-Verfahren führenden Gerichts ersetzt werden, wenn dieser nicht in deren rechtliche oder wirtschaftliche Stellung eingreift. Für die Einberufung einer Gesellschafterversammlung kommen – unabhängig von allfällig abweichenden vertraglichen Vereinbarungen – ausschließlich die gesetzlichen Fristen zur Anwendung.

Bei Restrukturierungsmaßnahmen, die sich unmittelbar auf die Anteilsinhaber auswirken (zB geplante Kapitalmaßnahmen), kann eine Abstimmung der Gläubiger über den Restrukturierungsplan nur nach Eintragung der positiven Beschlussfassung im Firmenbuch erfolgen. Kommt es zur Anfechtung, ist von der Unterbrechung des Eintragungsverfahrens gemäß § 19 Abs 2 FBG abzusehen und aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, wenn das rechtliche oder wirtschaftliche Interesse an einer raschen Erledigung erheblich überwiegt.

Sollte der Beschluss der Anteilsinhaber nicht binnen sechs Monaten wirksam sein, so ist das ReO-Verfahren nach § 41 Abs 2 Z 10 ReO einzustellen.

  • Folgen der Bestätigung

Der vom Gericht bestätigte Restrukturierungsplan ist für alle betroffenen Gläubiger und für den Schuldner verbindlich und tritt hinsichtlich der gekürzten Forderungen Restschuldbefreiung ein. Rückgriffsansprüche der betroffenen Gläubiger gegenüber Bürgen/Mitschuldnern werden jedoch nicht beeinträchtigt. Weiters werden mit der Bestätigung die vereinbarten Forderungsgestaltungen (z.B. Stundung; § 28 ReO) wirksam, jedoch werden hierdurch allfällig gesetzliche oder vertragliche Voraussetzungen, die zur Durchführung sonstiger Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich sind, nicht ersetzt und können betroffene Gläubiger auch nicht zur Abgabe von Vertragserklärungen verpflichtet werden (§ 39 Abs 3 ReO).

Sofern der Restrukturierungsplan nichts anderes bestimmt, leben bei Verzug der Zahlungsverpflichtungen des Schuldners die Forderungen der betroffenen Gläubiger wieder auf (§ 39 Abs 5 ReO iVm § 156a IO).

  • Aufhebung / Einstellung

Das ReO-Verfahren ist mit Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung aufgehoben. Scheitert die Restrukturierung, insb. bei fehlender Vorlage bzw. Ablehnung des Restrukturierungsplans, bei beharrlicher Verletzung der Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten, bei nicht rechtzeitiger Erlegung des Kostenvorschusses des ReO-Beauftragten, ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, so ist das ReO-Verfahren einzustellen (§ 41 ReO).

  • Rechtsschutz

Betroffene Gläubiger können in der Restrukturierungstagsatzung oder binnen sieben Tagen die Überprüfung der Einhaltung des Kriteriums des Gläubigerinteresses sowie der Bedingungen des klassenübergreifenden Cram-down beantragen (§ 35 Abs 1 ReO). Das Kriterium des Gläubigerinteresses wurde verletzt, wenn ein ablehnender Gläubiger durch den Restrukturierungsplan im Vergleich zum nächstbesten (wahrscheinlichen) Alternativszenario schlechter gestellt wird. Die Überprüfung setzt in beiden Fällen eine Bewertung des Unternehmens und der Vermögenswerte durch einen Sachverständigen oder durch den ReO-Beauftragten voraus. Dieses ist jedoch nur dann einzuholen, wenn ein ablehnender betroffener Gläubiger rechtzeitig einen Verstoß behauptet. Der Kostenersatz richtet sich nach den Bestimmungen der ZPO, dem antragstellenden Gläubiger kann ein Kostenvorschuss aufgetragen werden (§ 38 Abs 3 ReO).

Gegen die Bestätigung des Restrukturierungsplan kann von jedem ablehnenden betroffenen Gläubiger, sowie gegen die Versagung der Bestätigung vom Schuldner ein Rekurs erhoben werden, dem nur auf Antrag aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, wenn die Umsetzung des Restrukturierungsplans für den Rekurswerber mit schweren, unwiederbringlichen Schäden verbunden wäre, die außer Verhältnis zur sofortigen Umsetzung stehen (§ 40 ReO). Erlegt der Schuldner eine Sicherheitsleistung, ist die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Der Beschluss über die Bestätigung des Restrukturierungsplans kann aufgehoben oder bestätigt werden. Ausnahmsweise ist auch eine Aufrechterhaltung der Bestätigung möglich, wenn dem Rekurs zwar stattgegeben wird, dies jedoch dem gemeinsamen Gläubigerinteresse entspricht (§ 40 Abs 4 Z 2 ReO). In diesem Fall wird dem Schuldner die Zahlung der dem Gläubiger entstandenen Kosten per Beschluss aufgetragen.

Den Schuldner trifft die Verpflichtung im Restrukturierungsplan nicht nur die betroffenen Gläubiger sondern auch alle nicht betroffenen Gläubiger offenzulegen. Verschweigt der Schuldner wissentlich Gläubiger, so kann jeder betroffene Gläubiger innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft der Bestätigung des Restrukturierungsplans seinen Anspruch auf Zahlung des Ausfalls gerichtlich geltend machen, ohne die Rechte zu verlieren, die ihm im Restrukturierungsplan bereits eingeräumt wurden (§ 42 ReO; § 161 IO).

  1. Besondere Verfahrensarten
    • Europäisches Restrukturierungsverfahren (§ 44 ReO)

Auf Antrag des Schuldners ist ein (öffentliches) Europäisches ReO-Verfahren zu führen, bei dem spezielle Verfahrensvorschriften zur Anwendung gelangen.

Die Eröffnung des Europäischen ReO-Verfahrens wird in der Ediktsdatei veröffentlicht und kann den betroffenen Gläubiger auf Antrag des Schuldners die Anmeldung ihrer Forderungen aufgetragen werden. Der vom Gericht bestätigte Restrukturierungsplan ist auch für betroffene Gläubiger verbindlich, die ihre Forderungen trotz Aufforderung nicht rechtzeitig anmelden.

Bei (öffentlichen) Europäischen ReO-Verfahren richtet sich die internationale Zuständigkeit nach Art 3 EuInsVO (Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen im Inland).

Das Gericht kann des Weiteren festlegen, dass die Vollstreckungssperre alle Gläubiger umfasst (allgemeine Vollstreckungssperre). Zudem haben Gläubigerschutzverbände ein Akteneinsichtsrecht.

  • Vereinfachtes Restrukturierungsverfahren (§ 45 ReO)

Auf Antrag des Schuldners ist ein vereinfachtes ReO-Verfahren zu führen, wenn nur Finanzgläubiger betroffene Gläubiger sind und ein außergerichtlicher Abschluss einer Restrukturierungsvereinbarung lediglich an einer Gläubigerminderheit („Akkordstörer“) gescheitert ist. Ziel hierbei ist die Förderung von außergerichtlichen Restrukturierungsvereinbarungen.

Das Gericht hat – nach Einvernahme der betroffenen Gläubiger – bei Vorliegen einer Zustimmung von mindestens 75% der Kapitalmehrheit, die nicht älter als 14 Tage alt sein darf, ohne Durchführung einer Tagsatzung über die Bestätigung der Restrukturierungsvereinbarung zu entscheiden. Es ist weder ein ReO-Beauftragter zu bestellen, noch besteht die Möglichkeit einer Vollstreckungssperre (bzw. Vertragsauflösungs- oder Insolvenzsperre).

Gemeinsam mit dem Antrag ist die Restrukturierungsvereinbarung, eine Gläubigerliste sowie ein Gutachten eines Sachverständigen für das Gebiet Unternehmensführung, Unternehmensreorganisation, Unternehmenssanierung, Unternehmensliquidation, mit dem die Erfüllung aller Bestätigungsvoraussetzungen nachgewiesen wird, vorzulegen.

 

Dieser Beitrag stellt lediglich eine generelle Information dar und kann eine individuelle Rechtsberatung daher nicht ersetzen. WMWP Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit der hierin erfolgten Angaben.

 

 

[1]          Vgl. Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 37 ReO, Seite 21, welches auf das in Art 12 RIRL festgeschriebene Obstruktionsverbot verweist.

 

WMWP Rechtsanwälte GmbH

Wien/Klagenfurt, Februar 2022