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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter September 2021

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


AUSSERSTREITIGES RECHT

5 Ob 238/20s – Anforderungen an einen Umlaufbeschluss

Allen Mit- und Wohnungseigentümern – auch jenen mit einer voraussichtlich chancenlosen Gegenposition – ist die Gelegenheit zur Äußerung zu geben; dies muss die Möglichkeit einer Werbung für den eigenen Standpunkt ebenso einschließen, wie jene der eigenen Stimmabgabe. Einzelnen Wohnungseigentümern soll nicht der Eindruck vermittelt werden, sie könnten die Beschlussfassung ohnehin nicht mehr verhindern und der Versuch einer argumentativen Gegenwehr lohne sich gar nicht (5 Ob 141/12i mwN; RIS-Justiz RS0108769 [T7, T10, T15]). Dieses Anhörungsrecht ist auch dem nach § 24 Abs 3 WEG vom Stimmrecht Ausgeschlossenen zu gewähren (5 Ob 75/10fRS0118846 [T2, T3]).

Ausreichend ist eine Gelegenheit zur Äußerung nur, wenn der Wohnungseigentümer jene Informationen bekommt, die ihm eine sinnvolle Meinungsbildung ermöglichen. Ein wirksamer Umlaufbeschluss setzt daher Angaben über den wesentlichen Inhalt einer geplanten Maßnahme voraus (5 Ob 2/13z3 Ob 144/08k). Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, die Entscheidungsgrundlagen aufzubereiten und die Argumente, die für und gegen die Maßnahme sprechen, darzustellen und zu diskutieren, trifft den Initiator eines Umlaufbeschlusses aber nicht.

Bei einer Beschlussfassung in Form des Umlaufbeschlusses muss dem einzelnen Wohnungseigentümer auch ausreichend Zeit für die Informationssammlung und Meinungsbildung bleiben. Diesem ist daher eine angemessene Frist zur Äußerung zu geben (RS0123022). Eine zwingende und starre Orientierung an der Mindestfrist des § 25 Abs 2 von zwei Wochen für die Eigentümerversammlung lehnt die Rechtsprechung für den Umlaufbeschluss ab. Es hängt daher von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, ob durch Einräumung einer bestimmten Frist für die Stimmabgabe ausreichend Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde. Maßgeblich für die erforderliche Frist sind vor allem der Gegenstand der Abstimmung und dessen Komplexität; je schwieriger die Zusammenhänge zu erfassen und je umfangreicher die Beurteilungsgrundlagen sind, umso mehr Zeit wird den Wohnungseigentümern einzuräumen sein (5 Ob 191/13v5 Ob 113/08sRS0124152).

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5 Ob 67/21w – Zur Zulässigkeit der Anhebung des Hautmietzinses nach §45 MRG

Zweck des § 45 MRG idgF ist die Anhebung von vor dem 1. 3. 1994 vereinbarter Hauptmietzinse auf gesetzlich normierte Beträge. Er bewirkt insofern einen Mindestmietzins als Einheit aus vereinbartem Hauptmietzins und dem gesetzlichen Zuschlag (RS0125842; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 45 MRG Rz 3). Die nach dem 28. 2. 1994 als Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag eingehobenen Beträge sind ab 1. 1. 2002 gemäß § 49d MRG. Absatz 3 als Teil des Hauptmietzinses und daher nur mehr als solche zu verrechnen (5 Ob 55/10i). Der nach § 45 MRG in der Fassung der MRN 2001 „erhöhte Hauptmietzins“ teilt als Hauptmietzins(bestand)teil das Schicksal sonstiger verrechnungspflichtiger Einnahmen (§ 20 Abs 1 Z 1 lit a MRG). Die besondere Zweck- und Verwendungswidmung für Erhaltungsarbeiten ist gänzlich weggefallen. Er stellt insofern einen Mindestmietzins als Einheit aus vereinbartem Hauptmietzins und dem gesetzlichen Zuschlag dar.

§ 45 Abs 1 MRG räumt dem Vermieter ein Gestaltungsrecht ein, das ihn bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle berechtigt, ein Begehren auf Anhebung immer dann zu stellen, wenn eine Valorisierung (deren Kundmachung mit Verordnung des Bundesministeriums für Justiz) zu einer Erhöhung der in § 45 Abs 1 MRG genannten Beträge führt, auch wenn im Mietvertrag keine Wertsicherung vereinbart wurde und bereits ein Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrag aF eingehoben wird.

 

STREITIGES RECHT

1 Ob 109 /21x – Zur Begründung von Wohnungseigentum

Die Begründung von Wohnungseigentum ist eine Sonderform der Realteilung (RIS-Justiz RS0106352RS0013236 [T2]), sie geht der Zivilteilung grundsätzlich vor (§ 843 ABGB; RS0013236).

Die Realteilung ist nicht möglich, wenn sie zu einer beträchtlichen Wertminderung der geteilten Sache im Vergleich zur ungeteilten Sache führt (RS0110440RS0013831RS0013852). Eine Verringerung des Verkehrswerts der ungeteilten Liegenschaft um 41 % (5 Ob 61/04p) oder 15 % (5 Ob 132/11i mwN) wurde als beträchtlich angesehen, eine Wertminderung von 5,28 % (6 Ob 712/87) und hier: 11,76%, hingegen als geringfügig. Darüber hinaus waren für die Begründung von Wohnungseigentum an den vorhandenen wohnungseigentumstauglichen Bestandobjekten in diesem Fall keine Umbaumaßnahmen erforderlich; es bestand kein Teilungshindernis aufgrund unverhältnismäßig hoher Teilungskosten. Auch die mögliche Wertschöpfung durch einen Ausbau des Dachgeschosses steht einer Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum nicht entgegen (5 Ob 133/14s).

Bei einer Realteilung (auch) durch Begründung von Wohnungseigentum hat jeder Miteigentümer einen Teil von annähernd gleicher Beschaffenheit und gleichem Wert zu erhalten (5 Ob 198/19g mwN). Ein unverhältnismäßig hoher Wertausgleich hindert die Teilung nicht, wenn die von einer Anteilsminderung betroffenen Miteigentümer auf eine Ausgleichszahlung verzichten oder mit der Minderung ihrer Anteile einverstanden sind (5 Ob 93/10b5 Ob 103/17hRS0126365).

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5 Ob 54/21h – Zur Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts

Für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist nach ständiger Rechtsprechung (RS0120725) auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen, baurechtliche oder raumordnungsrechtliche „Widmungen“ definieren die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander nicht. Für den Rechtsakt der Widmung selbst bestehen – im Gegensatz zum Wohnungseigentumsvertrag – keine Formvorschriften (RS0082712). Er kann im Stadium der Vorbereitung einer Wohnungseigentumsbegründung auch vom Wohnungseigentumsorganisator gesetzt werden (RS0120725 [T2]; 5 Ob 18/19m), was bei der Errichtung einer größeren Anlage, wenn Objekte sukzessive abverkauft werden sollen, sogar dem Regelfall entspricht (5 Ob 157/03d8 Ob 93/19p ).

Dass die den Kaufverträgen angeschlossene – nicht unterfertigte – Fassung des Wohnungseigentumsvertragsentwurfs (wie schon die Bezeichnung deutlich macht) keinen Rechtstitel für eine rechtswirksame Widmung schafft, hat der Oberste Gerichtshof  zu 5 Ob 18/19m und 8 Ob 93/19p bereits ausgesprochen.

Hier sahen die Kaufverträge vor, dass die Liegenschaft und die kaufgegenständlichen Einheiten und Anteile als Industriegrundstücke gewidmet und genutzt waren und von den Käufern dieser Widmung entsprechend genutzt werden könnten. Dass ein redlicher Vertragspartner der Wohnungseigentumsorganisatorin nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl RS0113932) davon ausgehen hätte dürfen, er erwerbe ein Objekt, das – unabhängig von der öffentlich-rechtlichen Widmung – auch zu Wohnzwecken benutzt werden dürfe, liegt damit selbst unter Berücksichtigung des im Widerspruch zum Kaufvertrag selbst stehenden Textes des Wohnungseigentumsvertragsentwurfs nicht nahe.

Gemäß § 5 Abs 4 lit x BO schränkt die Zulässigkeit von Wohnungen laut Bebauungsplan auch die Zulässigkeit der Errichtung von Wohnungen entsprechend der allgemeinen Regel des § 6 Abs 10 der BO für Wien ein. Die Auslegung, die Nutzung des Objekts des Beklagten sei nur im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Vorschriften als zulässig vereinbart worden, war hier nicht zu beanstanden.

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5 Ob 99/21a – der Wohnungseigentumsvertrag und Vereinbarungen nach § 32 Abs 2 WEG 2002, die der Schriftform bedürfen, sind nach dem einer objektiven Auslegung zugänglichen Wortlaut zu interpretieren/ Thematik der Verjährung

Gemäß dem Wohnungseigentumsvertrag wurde vereinbart: „II. Die Nutzwerte sämtlicher Wohnungseigentumsobjekte wurden mit Entscheidung vom 10. 9. 2003 neu festgesetzt. Diese Entscheidung wird diesem Vertrag von den Vertragsparteien zugrunde gelegt … V. Die Vertragsparteien vereinbaren, dass die Aufteilung der Aufwendungen grundsätzlich weiterhin im Verhältnis der Nutzflächen zu tragen sind.“

Demnach waren sämtliche Aufwendungen der Liegenschaft auf die Wohnungseigentümer sämtlicher Objekte nach dem Verhältnis der Nutzflächen aufzuteilen. Die bisherige Abrechnungspraxis der Verwalterin, für in natura nicht existierende Wohnungen der Erstbeklagten keine Beiträge nach § 32 Abs 1 WEG 2002 vorzuschreiben, war unzulässig, da sich diese Ausnahme von der Beteiligung an den Kosten nicht in der schriftlichen Vereinbarung wieder findet. Eine Ausnahme von der Beteiligung an sämtlichen Liegenschaftsaufwendungen für Wohnungen mit jeweils einzeln festgesetzten Nutzwerten war von der objektiven Auslegung des Wortlauts des Wohnungseigentumsvertrags nicht gedeckt.

Forderungen der Eigentümergemeinschaft auf Beiträge zur Rücklage unterliegen der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 1479 ABGB (5 Ob 29/825 Ob 162/19pRS0034299). Nur Ansprüche auf Beiträge zur Rücklage (nach dem WEG 1975) verjähren mangels einer kürzeren Verjährungsfrist in 30 Jahren, die Ansprüche des Hausverwalters gegen Wohnungseigentümer aus rückständigen Betriebskosten, öffentlichen Abgaben und Hausverwaltungshonorar unterliegen hingegen der dreijährigen Verjährung des § 1486 Z 1 ABGB (5 Ob 29/82 ).

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6 Ob 19/21v – Eintritt in das Hauptmietverhältnis aufgrund Unternehmenskaufs

Die in § 12a Abs 1 MRG verwendete Formulierung „von ihm im Mietgegenstand betrieben“ bedeutet nach Sinn und Zweck der Regelung, dass der verfügende Mieter der Träger des Unternehmens gewesen sein muss. Es kommt nicht darauf an, ob der Hauptmieter der Geschäftsräumlichkeit dort das Unternehmen zwischen mehreren Verpachtungsvorgängen selbst geführt hat; eine bestimmte Dauer des Betriebs durch den Hauptmieter selbst verlangt das Gesetz nicht (5 Ob 113/20h [ErwGr 6.2.]).

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Übergang der Mietrechte gemäß § 12a Abs 1 MRG auch dann anzunehmen, wenn alle Mitmieter der Veräußerung des Unternehmens durch dessen Inhaber und dem Übergang ihrer Hauptmietrechte auf den Erwerber zustimmen (RS00699983 Ob 120/925 Ob 101/11f). Das Berufungsgericht hat die Mithilfe der Mitmieterin beim Verkauf des Unternehmens vertretbar als schlüssige Zustimmung zur Unternehmensveräußerung gedeutet. Der Eintritt in das Hauptmietverhältnis nach § 12a Abs 1 MRG vollzieht sich unabhängig von der ordnungsgemäßen Anzeige nach Satz 2 dieser Bestimmung (RS0079159).

 

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, September 2021

WMWP Rechtsanwälte GmbH