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Blogserie | Teil 1: Die Restrukturierungsordnung (REO) – der neue Weg zur Entschuldung

Diese Blogserie befasst sich in drei Teilen mit der neu in Kraft getretenen Restrukturierungsordnung. In diesem 1. Teil werden die Grundelemente und Wesensmerkmale dieser neuen Verfahrensart sowie die näher dargestellt.

1. Einleitung

In Umsetzung der EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU-RL 2019/1023 vom 20. Juni 2019, „RIRL“) hat der österreichische Gesetzgeber nun den europaweit harmonisierten präventiven Restrukturierungsrahmen auch in Österreich umgesetzt.
Hierzu wurden neben dem neu erlassenen Bundesgesetz, der Restrukturierungsordnung (ReO), auch Änderungen in der Insolvenzordnung (IO), des Gerichtsgebührengesetzes (GGG), des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes (GEG) und des Rechtsanwaltstarifgesetzes
(RATG) eingeführt.

Ziel des präventiven Restrukturierungsrahmens ist es, Unternehme(r)n einen „vorinsolvenzlichen“ Sanierungsrahmen zur Verfügung zu stellen, um so den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden und die Bestandfähigkeit zu sichern. Es wurde ein gerichtliches Restrukturierungsverfahren geschaffen, das neben juristischen Personen auch natürlichen Personen, die ein Unternehmen betreiben, offensteht. Natürlichen Personen, die
kein Unternehmen betreiben (Verbraucher), Versicherungen und Pensionskassen sowie Kreditinstitute und Wertpapierfirmen können bei ihrer Entschuldung hingegen nicht auf den präventiven Restrukturierungsrahmen der ReO zurückgreifen (§ 2 ReO).

Das in Österreich bereits bestehende Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) wird durch die ReO – trotz gleicher Zielsetzung – nicht ersetzt. Für Schuldner besteht vielmehr ein Wahlrecht zwischen den ReO- und URG-Verfahren, sowie Sanierungs- und Konkursverfahren (eine Haftung nach § 22 URG bei sorgfältiger Führung des ReO-Verfahrens ist sohin ausgeschlossen, § 25 Abs 2 ReO).

Nach § 1 Abs 3 ReO hat die Unternehmensleitung zwar Schritte zur Abwendung einer wahrscheinlichen Insolvenz zu setzen. Allerdings wird hierdurch kein neues Haftungsregime geschaffen, sondern lediglich bereits bestehende gesellschaftsrechtliche Sorgfaltspflichten konkretisiert. Ein Verstoß gegen § 1 Abs 3 ReO begründet daher keine „neue“ Außenhaftung. Vielmehr kommen auch weiterhin die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regelungen betreffend die Haftung einer Unternehmensleitung zur Anwendung.

2. Wesensmerkmale und Voraussetzungen

Die Zuständigkeit zur Durchführung von ReO-Verfahren liegt bei den Insolvenzgerichten (§ 4 ReO iVm § 63ff IO). Die internationale Zuständigkeit richtet sich – mit Ausnahme bei Europäischen ReO-Verfahren – nach den jeweiligen nationalen Bestimmungen. Antragslegitimiert ist ausschließlich der Schuldner (vgl. § 1 Abs 1 ReO). Bei Kapitalgesellschaften betrifft dies die organschaftlich bestellten Vertreter (für die die in der Satzung festgelegte Vertretungsbefugnis und keine Einzelvertretungsbefugnis eo ipso gilt). Bei Personengesellschaften bedarf es der Zustimmung aller unbeschränkt haftenden Gesellschafter (vgl. § 33 Abs 1 iVm 164 IO).

Das ReO-Verfahren ist grundsätzlich ein geheimes Verfahren, d.h. eine öffentliche Bekanntmachung in der Ediktsdatei entfällt (außer der Schuldner stellt hierzu einen Antrag). Weiters kommt den Gläubigerschutzverbänden auch kein generelles Recht auf Akteneinsicht zu (vgl. § 5 ReO).

Vom ReO-Verfahren sind auch nicht zwingend alle Gläubiger mitumfasst. Die Auswahl der einbezogenen Gläubiger obliegt allein dem Schuldner, der diese jedoch nach sachlichen Kriterien vorzunehmen und zu begründen hat. Arbeitnehmeransprüche und die betriebliche Mitarbeitervorsorge, nach Verfahrenseinleitung entstandene Forderungen („Masseforderungen“), Geldstrafen oder gesetzliche Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner dürfen in ReO-Verfahren jedoch niemals berücksichtigt werden (§ 2 ReO).

Das Restrukturierungsverfahren setzt die „wahrscheinliche Insolvenz“ voraus. Diese liegt etwa vor, wenn der Schuldner zwar überschuldet, aber noch zahlungsfähig ist. Die wahrscheinliche Insolvenz wird vor allem mit der Bestandsgefährdung eines Unternehmens nach § 273 Abs 2 UGB konkretisiert und bei Erreichen der Warnkennzahlen des URG (Eigenmittelquote weniger als 8 % und fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre) vermutet (§ 6 ReO).

Trotz Bestandsgefährdung muss Bestandfähigkeit gegeben sein. Demnach ist es möglich, auch noch bei Vorliegen einer insolvenzrechtlichen Überschuldung ein ReO-Verfahren einzuleiten, solange keine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorliegt. Der Schuldner hat daher, neben der Darlegung der wahrscheinlichen Insolvenz, in seinem Antrag auf Eröffnung eines ReO-Verfahrens auch eine positive Fortbestehensprognose vorzulegen (§ 7 ReO). Diese kann auch von der Annahme und Bestätigung des Restrukturierungsplans abhängig sein kann.

Weiters sind gleichzeitig mit dem Antrag folgende Unterlagen vorzulegen (§ 7 Abs 1 ReO):

  • Restrukturierungsplan bzw. -konzept,
  • Finanzplan (Gegenüberstellung der voraussichtlichen Einnahmen/Ausgaben für die folgenden 90 Tage, Cash-Flow-Rechnung und Liquiditätsplanung, aus der sich die konkrete Mittelverwendung sowie die ausreichenden Finanzmittel für während des ReO-Verfahrens anfallende Forderungen ableiten lassen),
  • Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre (maximal).

Vor der über die Einleitung des Verfahrens erfolgt lediglich eine Prüfung der formellen Voraussetzungen, also ob der Antrag den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Bei Einleitung des Verfahrens ist daher nicht zu prüfen, ob der Restrukturierungsplan oder das Restrukturierungskonzept erfüllbar ist oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (außerhalb der Offenkundigkeit, welche sich etwa nach Einsicht in die Exekutionsdatenbank ergibt) vorliegt.

Die Einleitung eines ReO-Verfahrens wird abgelehnt (ein Verbesserungsauftrag ist jedoch
möglich), wenn

  • ein Insolvenzverfahren bereits anhängig ist (§ 6 Abs 3 Z 1 ReO),
  • ein Restrukturierungs- oder Sanierungsplan in den letzten 7 Jahren bestätigt wurde
    (§ 6 Abs 3 Z 2 ReO),
  • der Schuldner innerhalb von 3 Jahren vor Antragstellung nach § 163a StGB (Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände) rechtskräftig verurteilt wurde (§ 6 Abs 4 ReO), oder
  • der/das Restrukturierungsplan/-konzept offenbar untauglich oder der Antrag missbräuchlich ist (etwa weil keine wahrscheinliche Insolvenz vorliegt oder aber die Zahlungsunfähigkeit aus den Exekutionsdaten offenkundig ist – eine nähere Prüfung der Zahlungsunfähigkeit erfolgt jedoch (noch) nicht).

Der Beschluss über Einleitung des ReO-Verfahrens ist nur dem Schuldner zuzustellen, Gläubiger haben somit kein Rekursrecht (§ 7 Abs 5 ReO).

Dieser Beitrag stellt lediglich eine generelle Information dar und kann eine individuelle Rechtsberatung
daher nicht ersetzen. WMWP Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für
Inhalt und Richtigkeit der hierin erfolgten Angaben.

WMWP Rechtsanwälte GmbH

Wien/Klagenfurt, September 2021