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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Mai 2021

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


AUSSERSTREITIGES RECHT

5 Ob 235/20z – Zustimmung zur Errichtung eines Wintergartens

Die Antragstellerin begehrte die Zustimmung der Antragsgegner zu dem von ihr beabsichtigten Bau eines Wintergartens auf ihrer Terrasse durch Anbringung einer Aluvorrichtung samt Glasfenstern.

Grundsätzlich steht einer Änderung nicht jede Beeinträchtigung von Interessen der Miteigentümer entgegen, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung, die die Interessen der anderen Wohnungseigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass der Anspruch des Wohnungseigentümers auf Änderung zurückzustehen hat (RS0083236). Als Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist nicht jede (wertneutrale) Veränderung zu verstehen, sondern nur eine solche, die eine Verschlechterung des Erscheinungsbildes bewirkt (RS0043718). Die Rechtsprechung stellt zunächst darauf ab, ob die bisherige Gestaltung des Gebäudes einem bestimmten architektonischen Konzept folgt oder es sich um ein äußerlich eher einfallsloses Gebäude handelt. Selbst architektonisch weniger anspruchsvolle Gebäude können aber eine Verschlechterung des Erscheinungsbildes erfahren (RS0127251, vgl auch RS0083321). Auch die Einheitlichkeit des äußeren Erscheinungsbildes per se kann ein schutzwürdiger Wert sein (5 Ob 9/17k). Primär ist für die Beurteilung der Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes auf die straßenseitige Ansicht der Liegenschaft abzustellen, doch können auch optische Aspekte, die eine negative Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes einer Wohnhausanlage an sich bewirken, ausschlaggebend sein (5 Ob 9/17k5 Ob 208/11s).

Die in § 16 Abs 2 Z 1 WEG ausdrücklich genannte Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses ist ein spezifischer Fall der Interessensbeeinträchtigung (5 Ob 9/17k5 Ob 186/18s). In diesem Fall liegt der Wohnungseigentumsanlage ein einheitliches architektonisches Konzept zugrunde. Das leicht und feingliedrig wirkende Gesamterscheinungsbild der Anlage würde aufgrund der kräftigen Aluminiumkonstruktion des Zubaus wuchtig erscheinen. Er würde unter dem darüber liegenden Balkon und der Gebäudeflucht hervorspringen und als Fremdkörper wirken.

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5 Ob 237/20v – Kein wirksamer Verzicht auf die Anfechtung der Mietzinsvereinbarung durch anlässlich der jeweiligen Vertragsverlängerungen abgegebenen Erklärungen auf einen Rückforderungsanspruch

Die Antragsteller mieteten gemeinsam zunächst befristet auf drei Jahre eine Wohnung im Haus des Antragsgegners. Etwa zehn Monate vor Ablauf der ursprünglichen Befristung vereinbarten die Parteien die Verlängerung des Mietverhältnisses um weitere fünf Jahre. Die Vereinbarung enthielt die Erklärung der Mieter, dass aus dem bisherigen Mietverhältnis ihrerseits keine Forderungen bestehen bzw dass diese mit dem Abschluss dieser Vereinbarung verglichen und bereinigt sind.

Die betroffene Wohnung liegt in einem Haus in durchschnittlichem Bauzustand auf einer durch Straßenlärm beeinträchtigten Liegenschaft in einem Gründerzeitviertel. Das Haus hat keine besonderen allgemeinen Anlagen wie Aufzug, Garage oder eine gemeinsame Wärmeversorgung. Im Hof befindet sich ein Nebengebäude („Schupfen“), den mehrere Parteien und die Haus-Innehabung selbst zu Lagerzwecken verwenden, unter anderem werden dort auch Fahrräder abgestellt.

Die Antragsteller begehrten die Prüfung des zulässigen Hauptmietzinses.

Nach der Rechtsprechung (5 Ob 189/15b5 Ob 141/17x) gilt die Rechtsprechung zum Verzicht auf die Rückforderung der verbotenen Ablöse iSd § 27 Abs 1 MRG auch für die anderen von § 27 Abs 3 MRG erfassten Rückforderungstatbestände. Nach dieser Rechtsprechung ist ein Verzicht auf die Rückforderung einer verbotenen Ablöse iSd § 27 Abs 1 MRG bis zum Wegfall der Zwangslage des Mieters ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0034044; vgl RS0032360). Eine solche Zwangslage im möglichen Auslaufen des befristeten Mietverhältnisses anzusehen ist keine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

16 Abs 4 MRG knüpft die Zulässigkeit eines Zuschlags daran, dass die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser als die durchschnittliche Lage nach § 2 Abs 3 RichtWG ist und die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände dem Mieter in Schriftform spätestens bei Zustandekommen des Mietvertrags ausdrücklich bekanntgegeben worden sind. Nach § 2 Abs 3 RichtWG ist die durchschnittliche Lage (Wohnumgebung) zwar nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen, eine Lage (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat, ist aber als höchstens durchschnittlich einzustufen. Die hier nicht mehr strittige Lage innerhalb eines Gründerzeitviertels schließt nach der eindeutigen Gesetzeslage die Zuerkennung eines Lagezuschlags im konkreten Fall daher unabhängig davon aus, ob die Infrastruktur in einzelnen Bereichen hier allenfalls als überdurchschnittlich angesehen werden könnte (vgl Lovrek/Stabentheinerin GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 59 mwN).

Das Vorhandensein von im typischen Althaus üblicherweise fehlenden Räumen, Flächen oder Anlagen wie etwa Heizung, Lift, Antenne, Garage, Kinderwagen- oder Fahrradabstellraum kann die Vereinbarung eines Zuschlags rechtfertigen, wenn diese Einrichtungen vom Mieter (mit-)benützt werden können und nicht ohnedies ein gesondertes Entgelt dafür vereinbart ist (5 Ob 42/15k mwN). Die Vorinstanzen werteten das als „Schupfen“ bezeichnete, nicht versperr bare Nebengebäude nicht als solche zuschlagsbegründende Anlage, auch wenn Mieter und die Hausverwaltung dort Gegenstände (so auch Fahrräder) lagern. Darüber hinaus sind derartige „Schupfen“ in Wiener Gründerzeithäusern weit verbreitet, was bereits ausschließt, dass es sich dabei um ein – Zuschlagsvoraussetzung bildendes – ausnahmsweises Vorhandensein von im typischen Althaus fehlenden Räumen handelt (vgl 5 Ob 42/15k).

Für den Erstbezug nach Sanierung, Telefon-, Telekabel- und Waschmaschinenanschluss sowie die Gegensprechanlage wurde ein Zuschlag von insgesamt 15 % gewährt, wovon nach der Entscheidung des Rekursgerichts 12 % auf den Erstbezug nach Sanierung entfielen. Dies bewirkt nach den Kriterien der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl 5 Ob 133/10k – 10 % Zuschlag für Erstbezug nach Generalsanierung und 2 % für den sehr guten Zustand des Hauses; 5 Ob 240/10w – 10 % Zuschlag für den Erstbezug nach Sanierung) jedenfalls keine Fehlbeurteilung. Einen Zuschlag für die Isolierglasfenster nahmen die Vorinstanzen im Ergebnis dadurch vor, als sie den Abschlag für die überdurchschnittliche Lärmbeeinträchtigung der Wohnung (nur) mit 5 % veranschlagten. Damit wurde der Umstand, dass die Fenster auf die Hauptstraße Schallschutzfenster sind, im Ergebnis berücksichtigt. Für Verkehrslärm war ein Abschlag in Höhe von 5 % für berechtigt anzusehen, da bei geöffneten Fenstern im Sommer oder beim Lüften der Straßenlärm trotz Schallschutzfenstern die Wohnqualität beeinträchtigt.

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5 Ob 4/21f – Für den Beginn des Fristenlaufs ist bei tatsächlichem Zukommen der Sendung der Tag ausschlaggebend, an dem das Zustellstück dem berechtigten Empfänger zugekommen ist

17 Abs 1 ZustG ermöglicht die Hinterlegung, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinn des § 13 Abs 3 leg cit regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen, wobei die Verständigung den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben, sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen hat (§ 17 Abs 2 ZustG). Liegt eine wirksame Hinterlegung nach dieser Gesetzesstelle vor, gilt das hinterlegte Dokument mit dem ersten Tag, an dem es erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, als zugestellt (§ 17 Abs 3 ZustG). Dieser ist dann auch als fristauslösend anzusehen (RS0083986Gitschthaler inRechberger/Klicka, ZPO5 § 17 ZustG Rz 7).

Die Antragsteller wurden im Verfahren erster Instanz von der ehemaligen Verwalterin der Liegenschaft vertreten. Nach dem im Akt aufliegenden Zustellnachweis ergibt sich, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts nach einem erfolglosen Zustellversuch an der Anschrift dieser Vertreterin vom 27. 7. 2020 hinterlegt werden sollte, wobei auf der Hinterlegungsanzeige als Beginn der Abholfrist der 28. 7. 2020 vermerkt worden war. Aus der dem Gericht durch den Zustelldienst übermittelten Übernahmebestätigung folgt dazu jedoch, dass ein berechtigter Vertreter die für die Hinterlegung bestimmte Sendung bereits am 27. 7. 2020 übernommen hat, wobei ausdrücklich vermerkt ist, dass die Ausfolgung vor Beginn der Abholfrist erfolgte.

Für die Wirksamkeit der Zustellung und damit für den Beginn des Fristenlaufs ist bei tatsächlichem Zukommen der Sendung unabhängig von der Bestimmung des § 17 Abs 3 ZustG stets der Tag ausschlaggebend, an dem das Zustellstück dem berechtigten Empfänger zugekommen ist (Stumvoll in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ II/2 § 17 ZustG Rz 26). Damit ist die Zustellung am 27. 7. 2020 erfolgt und von diesem Datum ausgehend der Fristenlauf.

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5 Ob 10/21p – Verkehrsüblichkeit einer Klimaanlage

Die Antragstellerin stellte gemäß § 9 MRG den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegnerin zur Errichtung und Installation eines Klimageräts auf der Loggia ihrer Wohnung.

Voraussetzung für die Genehmigung einer solchen vom Mieter geplanten wesentlichen Veränderung ist unter anderem, dass diese Veränderung der Übung des Verkehrs entspricht und einem wichtigen Interesse des Hauptmieters dient (§ 9 Abs 1 Z 2 MRG). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass diese beiden Voraussetzungen kumulativ vorhanden sind, trifft den Mieter (RIS-Justiz RS0069551 [T2]; 5 Ob 245/18t mwN). Nur bei den nach § 9 Abs 2 Z 1 bis 5 MRG privilegierten Arbeiten wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen unwiderlegbar vermutet. Die Errichtung einer Außenklimaanlage gehört nicht zu solchen privilegierten Veränderungen. Bei der Beurteilung der Verkehrsüblichkeit kommt es nicht auf die subjektiven Interessen der Mieterin an, weshalb – anders als bei der des wichtigen Interesses (vgl 5 Ob 216/19d und 5 Ob 24/08b: je das wichtige Interesse iSd § 16 Abs 2 WEG an der Installation einer Klimaaußenanlage bejahend) – die geltend gemachten persönlichen Bedürfnisse der Bewohner (Vermeidung von Schlafstörungen in Folge zu hoher nächtlicher Temperaturen) nicht zu berücksichtigen sind (RS0069695 [T2]; 5 Ob 245/18t).

Die von der Antragstellerin beabsichtigte Installation einer Außenklimaanlage auf der Loggia ihrer Wohnung wurde in diesem Fall als nicht verkehrsüblich (im Sinne der Entscheidung zu 5 Ob 245/18t) gewertet.  Dass hier nur das Fenster des Schlafzimmers mit Außenrollläden ausgestattet ist, während im Wohnzimmer und im Kinderzimmer nur Innenjalousien montiert sind, zwingt nicht zur Annahme der Verkehrsüblichkeit. Dasselbe gilt für die im Jahr 2002 erteilte Genehmigung der Installation einer Klimaanlage in einem anderen Nutzungsobjekt der großen Wohnanlage, die über mehr als 100 Wohnungen auf zumindest vier Stiegen verfügt. Dass am konkreten Standort generell Miet- oder Nutzungsobjekte älterer Wohnanlagen zur Vermeidung einer Überhitzung im Sommer mit derartigen Klimageräten nachgerüstet werden, behauptete die Antragstellerin nicht.

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5 Ob 15/21y – Verkehrsüblichkeit einer Innenstiege und einer Fußbodenheizung

Gegenstand des Verfahrens war die Ersetzung der Zustimmung (§ 16 WEG) zur Herstellung eines Deckendurchbruchs zwischen Wohnungseigentumsobjekt und dessen Zubehör-Keller samt Errichtung einer Innenstiege und die Installation einer Fußbodenheizung.

Beeinträchtigen die Baumaßnahmen schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer, führt dies nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG zum Ausschluss des Änderungsrechts. Greifen notwendige bauliche Maßnahmen in allgemeine Teile der Liegenschaft ein, ist nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG die Verkehrsüblichkeit oder ein wichtiges Interesse des Wohnungseigentümers notwendig (5 Ob 38/19b). Die vorangegangene Genehmigung einer Widmungsänderung bewirkt für sich nicht zwingend die Bewilligung sämtlicher von dem änderungswilligen Wohnungseigentümer im Zusammenhang mit der Umwidmung gewünschten Umbaumaßnahmen. Im Gegenteil: Erfüllen diese die Erfordernisse des § 16 Abs 2 Z 2 WEG nicht, ist auch die Widmungsänderung nicht zu genehmigen.

Zubehör-Keller und Wohnungseigentumsobjekt waren vor Durchführung der baulichen Änderungen durch einen Speiselift, der im Zug des Umbaus entfernt wurde, verbunden. Anlässlich des Umbaus wurde aber keine bereits bestehende Deckenöffnung ausgenützt. Die Geschoßdecke wurde in größerem Ausmaß geöffnet und es wurde eine Innenstiege als Verbindung zum Keller errichtet. Warum ein direkter Zugang von einem Wohnungseigentumsobjekt zu einem darunterliegenden Zubehör-Keller, der wie die anderen Keller über Allgemeinflächen zu erreichen ist, am konkreten Standort verkehrsüblich sein sollte, hatten die Antragsteller nicht dargelegt. Der bessere Zugang zum Keller begründet als reine Zweckmäßigkeitsmaßnahme (RS0110977) kein wichtiges Interesse.

Dass in irgendeinem anderen Objekt der Wohnungseigentumsanlage bereits eine Fußbodenheizung installiert worden wäre, wurde weder behauptet noch festgestellt. Der Oberste Gerichtshof hat in vergleichbaren Fällen die Verkehrsüblichkeit einer Fußbodenheizung nicht bejaht (5 Ob 113/15a5 Ob 13/17y). Die Antragsteller hatten auch nicht behauptet, dass die Beheizung ihrer Wohnung mit der vorhandenen Heizung in einer dem angemessenen Wohnstandard entsprechenden Weise unmöglich gewesen wäre.

 

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, Mai 2021

WMWP Rechtsanwälte GmbH