Aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zum Lagezuschlag bei einer Liegenschaft in der Nähe eines „Drogenumschlagplatzes“
In einer aktuellen Entscheidung (5 Ob 104/21 m) befasste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage, ob die Lage einer Liegenschaft am gürtelnahen Rand des 8. Wiener Gemeindebezirks eine Lage aufweist, die „besser“ ist als die durchschnittliche. Unstrittig war, dass sich die gegenständliche Liegenschaft in keinem Gründerzeitviertel befindet.
Die „durchschnittliche Lage“ im Sinne des § 2 Abs 3 RichtWG ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen (vgl RIS-Justiz RS0111204). Das gilt auch für die nach § 16 Abs 4 MRG erforderliche Beurteilung, ob die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die „besser“ ist als die durchschnittliche. Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaft als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (vgl 5 Ob 74717y). Der Oberste Gerichtshof verglich die Lage der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft im 8. Bezirk mit anderen Lagen (Referenzgebieten) im 5. Bezirk, 3. Bezirk und 7. Bezirk.
Maßgeblich für die Beurteilung „nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens“ sind unterschiedliche Faktoren, so etwa die Standorteigenschaften wie die Erschließung der Wohnumgebung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Nahversorgungsmöglichkeiten. Der OGH sprach in diesem Zusammenhang aus, dass die U-Bahnstation Josefstädterstraße nur 160 Meter vom konkreten Objekt entfernt ist und zwei Einkaufsstraßen, Kindergärten, Schulen, sämtliche Geschäfte des täglichen Bedarfs, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und auch Gesundheitseinrichtungen in unmittelbarer Nähe und fußläufig zu erreichen sind, was für eine überdurchschnittlich Lage der Liegenschaft spricht. Weiter erwog der OGH, dass demgegenüber (i) eine massive Lärmbelästigung vorliegt und (ii) die Wohnung in unmittelbarer Nähe zum Gürtel und der genannten U-Bahnstation, die aufgrund dort vorherrschender Kleinkriminalität (Drogenhandel und Rotlicht) und der diesbezüglichen Berichterstattung ein negatives Image aufweist, gelegen ist. Seit mehreren Jahren kommt es aus diesem Grund in der Wohnumgebung des Hauses zu regelmäßigen Polizeieinsätzen. Dieser Umstand wurde vom OGH bei der Beurteilung der (Über-)Durchschnittlichkeit der Lage des Hauses berücksichtigt; derartige Aspekte lassen die Lage im Vergleich zu anderen Lagen nicht als überdurchschnittlich erscheinen.
Zusammengefasst gelangte der OGH in der gegenständlichen Entscheidung zur Ansicht, dass die Lage des konkreten Hauses – aufgrund der Nähe zur U-Bahnstation Josefstädterstraße und der damit einhergehenden Kriminalität sowie der erhöhten Lärmbeeinträchtigung – jedenfalls nicht als überdurchschnittlich zu beurteilen ist. Ein Lagezuschlag steht daher nicht zu.
Die Entscheidung des OGH ist eine weitere Bestätigung dafür, dass es für die Beurteilung der Liegenschaft auf den konkreten Fall ankommt, wobei stets zu berücksichtigen ist, ob sich die Liegenschaft – bei Abschluss des Mietvertrages – in einem Gründerzeitviertel befindet. Die Lage in eine Gründerzeitviertel schließt eine überdurchschnittliche Lage nach Ansicht des OGH aus. Sofern sich die Liegenschaft nicht in einem Gründerzeitviertel befindet, ist dann die konkrete Beurteilung vorzunehmen.“
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Mag. Michael Achleitner, LL.M.
WMWP Rechtsanwälte GmbH