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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Juni 2021

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


AUSSERSTREITIGES RECHT

5 Ob 212/20t – Antrag auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten

Mit den Miteigentumsanteilen der Antragstellerin ist Wohnungseigentum an einem im Souterrain des Hauses gelegenen Objekt verbunden, das aus einem Zimmer, Vorraum samt Kochnische sowie einem Bad mit WC besteht und nach dem der Wohnungseigentumsbegründung im Jahr 1997 zugrunde gelegten Nutzwert-Gutachten als Wohnung gewidmet ist. Die Außenmauern und die Mauern zu den benachbarten Objekten waren stark durchnässt, was bereits zu einem starken Schimmelbefall führte. Aufgrund dessen begehrte sie mit dem auf § 30 Abs 1 Z 1 WEG gestützten Antrag die Durchführung von Erhaltungsarbeiten zur Sanierung der Feuchtigkeitsschäden.

Nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG kann jeder Wohnungseigentümer die Entscheidung des Gerichts unter anderem darüber verlangen, dass Arbeiten iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG durchgeführt werden. Voraussetzung für die Anrufung des Gerichts ist die Untätigkeit der Mehrheit oder des Verwalters, indem entweder eine Beschlussfassung darüber unterlassen oder die Durchführung einer Erhaltungsarbeit abgelehnt wird (5 Ob 107/16w mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0116139 [T3]). Voraussetzung jeder Erhaltungsarbeit ist, dass eine Reparaturbedürftigkeit vorliegt, also eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder der Brauchbarkeit, ein sonst bestehender Mangel oder doch eine Schadensgeneigtheit der betreffenden Bauteile gegeben ist (RS0116998). Ist das der Fall, gehören zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten auch dann noch zur Erhaltung, wenn es sich dabei um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt, es zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserung“ anzusehen sind (RS0114109; vgl auch RS0083121).

Die Sanierung allgemeiner Teile der Liegenschaft fällt in die Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft, selbst wenn kein ernster Schaden des Hauses oder des Wohnungseigentumsobjekts vorliegt (5 Ob 170/11b). Liegen, wie hier festgestellt, aber derartig massive Feuchtigkeitsschäden vor, dass das Mauerwerk zur Gänze mit Wasser gesättigt ist und sich bereits Schimmel bildet, ist von einem ernsten Schaden auszugehen (siehe nur RS0102183), der auch dann von § 28 Abs 1 Z 1 WEG erfasst ist, wenn davon nur ein bestimmtes Wohnungseigentumsobjekt betroffen ist (vgl RS0069886).

Mit der Durchführung notwendiger Erhaltungsarbeiten muss nicht zwingend auch eine Beseitigung der Schadensursache verbunden sein. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob wirtschaftliche und technische Gegebenheiten und Möglichkeiten bestehen, den Schaden, wenn nicht auf Dauer, so doch für einen relevanten Zeitraum zu beseitigen (siehe nur 5 Ob 2/20k mwN).

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5 Ob 228/20w – Die Bestellung eines Verwalters zur Vollstreckung eines Titels nach § 6 Abs 1 MRG setzt nur voraus, dass trotz Verstreichens der gesetzten Frist die Durchführung der Arbeiten unterblieben ist und der Antrag im Exekutionstitel Deckung findet

Das Erstgericht bewilligte aufgrund eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Teilsachbeschlusses die Zwangsverwaltung einer im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Liegenschaft zur Durchführung von im Einzelnen konkret bezeichneten Erhaltungsarbeiten im Stiegenhaus des darauf errichteten Mehrparteienhauses sowie im Bestandobjekt der Antragstellerin gemäß § 6 Abs 2 MRG.

Der in Rechtskraft erwachsene Auftrag zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten nach § 6 Abs 1 MRG ist gemäß § 6 Abs 2 MRG ein Exekutionstitel, der nach fruchtlosem Ablauf der zur Vornahme der Arbeiten bestimmten Frist jeden Mieter des Hauses (und die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich) als betreibende Partei zum Antrag berechtigt, für die Durchführung der aufgetragenen Arbeiten, die Aufnahme und Tilgung des dafür erforderlichen Kapitals und der ordnungsgemäßen Erhaltung und Verwaltung des Hauses bis zur Tilgung des Kapitals für das Haus einen Verwalter zu bestellen (5 Ob 265/15d mwN). Dazu ist (nur) vorausgesetzt, dass trotz Verstreichens der gesetzten Frist die Durchführung der Arbeiten unterblieben ist und der Antrag im Exekutionstitel Deckung findet (5 Ob 30/11i mwN). Im Verfahren zur Bewilligung der Zwangsverwaltung nach § 6 Abs 2 MRG ist nur zu prüfen, ob die mit Sachbeschluss aufgetragenen Arbeiten schon durchgeführt sind oder nicht (vgl RS0116300).

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5 Ob 2/21m – Die Festlegung korrespondierender Abstimmungseinheiten durch gerichtliche Entscheidung nach § 32 Abs 6 WEG ist auch dann zulässig, wenn eine Vereinbarung über abweichende Abrechnungseinheiten getroffen wurde, damit aber nicht auch von der Einrichtung korrespondierender Abstimmungseinheiten Abstand genommen werden sollte

Die Streitteile sind Miteigentümer einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum begründet ist. Die Antragstellerin ist zugleich Verwalterin der Liegenschaft. Darauf befinden sich zwei selbständige Gebäude mit eigenständigen Anschriften, mit insgesamt mehr als 50 Wohnungseigentumsobjekten, unter denen eine gemeinsame Tiefgarage errichtet ist. Im Wohnungseigentumsvertrag wurde vereinbart, dass für die beiden Gebäude sowie die darunter befindliche Tiefgarage je ein eigener Abrechnungskreis vorzusehen ist, sodass drei getrennte Abrechnungseinheiten vorliegen. Von der Möglichkeit, den einzelnen Abrechnungseinheiten korrespondierende Abstimmungseinheiten zuzuordnen, wurde nicht bewusst Abstand genommen; diese Möglichkeit wurde schlichtweg nicht bedacht.

Nach § 32 Abs 2 WEG können sämtliche Wohnungseigentümer einen von der allgemeinen Regelung des ersten Absatzes dieser Bestimmung abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit festlegen; für die nur diese abweichende Abrechnungseinheit betreffenden Angelegenheiten kann auch eine von der Liegenschaft abweichende Abstimmungseinheit festgelegt werden. Auf Antrag eines Wohnungseigentümers kann das Gericht eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit festsetzen, wenn auf der Liegenschaft mehr als fünfzig Wohnungseigentumsobjekte oder eine gesondert abzurechnende Anlage, wie etwa eine Waschküche, ein Personenaufzug oder eine gemeinsame Wärmeversorgungsanlage, vorhanden sind. Eine solche Festsetzung ist ab der der Antragstellung nachfolgenden Abrechnungsperiode wirksam. Mit der Festsetzung einer abweichenden Abrechnungseinheit kann auch die Einrichtung einer von der Liegenschaft abweichenden Abstimmungseinheit für die nur diese Abrechnungseinheit betreffenden Angelegenheiten verbunden werden (§ 32 Abs 6 WEG).

Im vorliegenden Fall haben die Mit- und Wohnungseigentümer nur eine Vereinbarung über abweichende Abrechnungseinheiten getroffen, obwohl es ihnen grundsätzlich möglich gewesen wäre, dazu einvernehmlich gemäß § 32 Abs 2 WEG auch entsprechende Abstimmungseinheiten festzusetzen. Dazu steht jedoch fest, dass diese Möglichkeit bei Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags nicht bedacht worden war. Damit kann dieser Vereinbarung auch nicht der Inhalt unterstellt werden, die Mit- und Wohnungseigentümer hätten von der Vereinbarung korrespondierender abweichender Abstimmungseinheiten bewusst Abstand genommen (vgl dazu Kothbauer in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht II § 32 WEG 2002 Rz 57).

Absicht des Gesetzgebers der WRN 1999 war es, die Kombination aus korrespondierenden abweichenden Abrechnungs- und Abstimmungseinheiten zu ermöglichen (AB zur WRN 1999, 2056 BlgNR 20. GP 10). Dieser Gesetzeszweck lebt in der Bestimmung des § 32 Abs 2 und Abs 6 WEG 2002 fort. Ihm ist nach Ansicht des Fachsenats auch dann Rechnung zu tragen, wenn – wie im vorliegenden Fall – zwar im Wohnungseigentumsvertrag von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheiten vereinbart wurden, die einvernehmliche Einrichtung von dazu korrespondierenden Abstimmungseinheiten aber nur deshalb unterblieb, weil eine solche Möglichkeit einfach nicht in Betracht gezogen worden ist, sie also nicht bedacht wurde. Die Festlegung korrespondierender Abstimmungseinheiten durch gerichtliche Entscheidung nach § 32 Abs 6 WEG ist auch dann zulässig, wenn eine Vereinbarung über abweichende Abrechnungseinheiten getroffen wurde, zugleich aber erwiesen ist, dass damit nicht auch von der Einrichtung korrespondierender Abstimmungseinheiten Abstand genommen werden sollte (5 Ob 133/12p).

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5 Ob 24/21x – Änderungen an einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft stellen nicht schon deshalb, weil sie eine Veränderung der Nutzwerte nach sich ziehen, eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen der anderen Miteigentümer dar

Der Antragsteller begehrte die Zustimmung des Antragsgegners zu verschiedenen Änderungen, wie die Errichtung eines Carports, einer Gartenhütte, eines Flugdachzubaus und einer Pergola sowie für die Umwidmung der Garage in ein Lager, zu ersetzen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Änderung aber nicht schon allein deshalb ein empfindlicher Eingriff in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer und damit eine Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Interessen iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG, weil sie eine Veränderung der Nutzwerte nach sich zieht (RS0109643 [T1]; RS0083271 [T1]).

 

STREITIGES RECHT

4 Ob 37/21a – Aufkündigung eines Mietvertrages wegen Eigenbedarfs einer Gebietskörperschaft

Die klagende Stadtgemeinde ist Eigentümerin der betroffenen Liegenschaft, auf der sich das Gemeindeamt befindet, indem die Wohnung des beklagten Mieters gelegen ist. Das Gemeindeamtsgebäude litt unter beengten räumlichen Verhältnissen, wodurch ein zeitgemäßer Parteienverkehr im Gemeindeamt nicht mehr möglich war. Aufgrund von Wirtschaftlichkeitserwägungen entschloss sich die Klägerin zu einem Umbau des Gemeindeamts anstatt zur Errichtung eines Neubaus. Im Zuge des in diesem Zusammenhang erstellten Raumkonzepts wurde die Wohnung des Beklagten wegen Eigenbedarfs gekündigt und ihm mehrere Ersatzwohnungen angeboten.

Für den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 11 MRG müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Die klagende Eigentümerin (mindestens zur Hälfte: § 30 Abs 3 Satz 3 MRG) ist eine Gebietskörperschaft (Bund, Land oder Gemeinde);
  2. die Gebietskörperschaft hat einen dringenden Bedarf an den aufgekündigten Räumlichkeiten zu Zwecken der Hoheitsverwaltung;
  3. das aufgekündigte Objekt diente bisher nicht oder in einem geringeren Ausmaß (als nunmehr geplant) den Interessen der Verwaltung;
  4. dem Mieter wird eine Ersatzwohnung bereitgestellt.

Der dringende Raumbedarf muss an den aufgekündigten Räumlichkeiten bestehen. Bei dieser Beurteilung ist aber ein milderer Maßstab als bei den Eigenbedarfstatbeständen des § 30 Abs 2 Z 8 und 9 MRG anzulegen. Der Frage, ob der Gebietskörperschaft alternative Möglichkeiten der Raumbeschaffung zur Verfügung stehen, kommt im Allgemeinen keine entscheidende Bedeutung zu. Auch eine Interessenabwägung hat nicht stattzufinden. Es kommt daher in erster Linie darauf an, ob der Bestandgegenstand nach dem an den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung ausgerichteten Konzept der Gebäudesanierung auf eine andere Art als bisher für Zwecke der Hoheitsverwaltung verwendet werden soll. Die Aufkündigung war daher in diesem Fall zulässig.

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5 Ob 16/21w – Zur Widmung schlichter Miteigentumsanteile

Bei der klagegegenständlichen Liegenschaft handelte es sich um ein „Mischhaus“. Nach dem der Wohnungseigentumsbegründung zugrunde liegenden Nutzwertgutachten sollte auch an den Miteigentumsanteilen am Objekt WE 1, das aus Geschäftsräumlichkeiten im Keller, im Erdgeschoss und einem im ersten Obergeschoss gelegenen „Verkaufsraum“ im Ausmaß von 156,10 m² bestehen sollte, Wohnungseigentum begründet werden. Der „Verkaufsraum“ ist eine schmale Fläche am Westrand der Liegenschaft, die räumlich in das Geschäftshaus integriert ist, das auf den der Beklagten allein gehörenden Nachbargrundstücken liegt. Eine räumliche Abtrennung dieses „Verkaufsraums“ zu diesen Grundstücken bestand nie. Im Wohnungseigentumsvertrag aus 2004 wurde das Objekt WE 1 für Geschäftszwecke gewidmet. Eine grundbücherliche Durchführung des Wohnungseigentumsvertrags scheiterte an der mangelnden baulichen Abgeschlossenheit des Verkaufsraums im ersten Obergeschoss. Mit einem Nachtrag zum Wohnungseigentumsvertrag vereinbarten die Vertragsparteien daher die „Begründung von Wohnungseigentum auf Grundlage des WEG 1975“. Wohnungseigentum sollte danach nur an den übrigen Einheiten begründet werden, die Einheit WE 1 sollte im schlichten Miteigentum verbleiben, wobei dem Rechtsvorgänger der Beklagten mit Wirkung für beiderseitige Rechtsnachfolger das Recht eingeräumt wurde, den bisher als WE 1 bezeichneten Teil des Gebäudes alleine zu nutzen. Für diesen Miteigentumsanteil sollten die Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes sinngemäß gelten. Diese Benutzungsregelung ist im Grundbuch auch angemerkt.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Nutzung des Objekts als Fitness-Center/Sportstätte.

Grundsätzlich ist nach § 3 Abs 2 WEG 2002 an allen wohnungseigentumstauglichen und als Wohnungseigentumsobjekte gewidmeten Liegenschaftsanteilen Wohnungseigentum zu begründen (obligatorische Wohnungseigentumsbegründung – RS0118850). Die Bestimmung bezweckt primär das Verhindern des Entstehens neuer Mischhäuser und langfristig die Überführung von Mischhäusern in „reine“ Wohnungseigentumsanlagen (Pittl in GeKo Wohnrecht II § 3 WEG 2002 Rz 7).

Auch wenn hier nur schlichte Miteigentumsanteile verbunden mit entsprechenden Gebrauchsregelungen anzunehmen waren, musste die inhaltliche Entscheidung über das Vorliegen und die Zulässigkeit einer Widmungsänderung nach den zu 5 Ob 41/18t vorgegebenen Kriterien erfolgen. Warum die vertragliche Einigung der Miteigentümer und die von ihnen einvernehmlich getroffene Benützungsregelung im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander nichtig sein sollten, konnte nicht erblickt werden. Der Erwerb schlichter Miteigentumsanteile unter wechselseitiger Einräumung alleiniger Nutzungsrechte ist nicht rechtlich unmöglich.

Maßgeblich ist somit, welche Widmung die Mit- und Wohnungseigentümer vertraglich für die noch immer im schlichten Miteigentum stehenden Räumlichkeiten WE 1 vereinbart haben. Nach dem Wohnungseigentumsvertrag haben die Parteien für das Objekt WE 1 eine unspezifizierte Geschäftsraumwidmung vereinbart. Alle Mit- und Wohnungseigentümer haben ihre Zustimmung zu baulichen Adaptierungen erteilt, die für die Verfolgung der Geschäftszwecke nützlich oder erforderlich erscheinen. Für die Beurteilung der (eigenmächtigen) Widmungsänderung ist die gültige Widmung des betreffenden Objekts der beabsichtigten bzw tatsächlichen Verwendung gegenüberzustellen (RS0101800 [T1, T2, T4, T8]). Die Nutzung der Räumlichkeit als Fitness-Studio unter eine (unspezifizierte) Geschäftsraumwidmung fallend zu werten, war nicht zu beanstanden.

 

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, Juni 2021

WMWP Rechtsanwälte GmbH