Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter September 2020
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STREITIGES RECHT
5 Ob 5/20a – Vorzugspfandrecht nach § 27 WEG 2002
Das in § 27 WEG 2002 normierte gesetzliche Vorzugspfandrecht gibt dem dadurch gesicherten Gläubiger ein Absonderungsrecht, das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Wohnungseigentümers nicht berührt wird (§ 11 Abs 1 IO; RIS-Justiz RS0114463). Rechtsstreitigkeiten über Absonderungsansprüche können auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anhängig gemacht und fortgesetzt werden. Eine neue Klage ist allerdings gegen den Insolvenzverwalter zu richten und ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeleitetes Verfahren ist gegen den Insolvenzverwalter fortzusetzen (§ 6 Abs 2 IO). Jede Klage, die zur Ausübung des gesetzlichen Vorzugspfandrechts erhoben wird, privilegierte Forderungen zum Gegenstand hat und einen Antrag auf Anmerkung der Klage nach § 27 Abs 2 WEG 2002 enthält, ist ein zulässiger Rechtsbehelf zur Geltendmachung des Absonderungsrechts. Für eine solche Klage besteht die Prozesssperre des § 6 Abs 1 IO daher nicht (RS0114464).
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5 Ob 7/20w – Zur Qualifikation als Bestandteil von Wohnungseigentumsobjekten
Die Wohnungseigentumstauglichkeit von Wohnungen und sonstigen selbständigen Räumlichkeiten erfordert die bauliche Abgeschlossenheit nach allen Seiten und ist im Übrigen nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen (RS0111284). Eine Einordnung von (nicht nach allen Seiten umbauten) Freiflächen als Bestandteil eines solchen Wohnungseigentumsobjekts kann nur erfolgen, wenn sich nach der Verkehrsauffassung an dessen baulicher Abgeschlossenheit nichts ändert. Teil des Wohnungseigentumsobjekts sind sie daher (nur) dann, wenn sie unmittelbar an das Wohnungseigentumsobjekt anschließen und aufgrund der baulichen Gegebenheiten als Bestandteil des Wohnungseigentumsobjekts klar erkennbar sind (RS0131435; vgl auch Kothbauer, Zubehörfähigkeit im Wohnungseigentum, immolex 2014, 200). Ausgehend davon ist es im Einzelfall (RS0111284 [T6]; vgl auch RS0082876 [T5]; 4 Ob 150/11d; 5 Ob 54/12w) nicht zu beanstanden, dass die eingezäunten und von den jeweiligen Wohnungseigentumsobjekten begehbaren Gartenteile mangels baulicher Verbindung kein Bestandteil der jeweiligen Eigentumswohnungen sind.
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5 Ob 70/20k – Zur analogen Anwendung des § 17 Abs 1 WEG auf Wohnungseigentumsobjekte
Die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft mit darauf errichteten Reihenhäusern samt Kfz-Abstellplätzen im Freien, die in der Natur schräg versetzt gegenüber dem zugehörigen Reihenhaus angeordnet sind, trafen ein mündliches Übereinkommen, wonach der unmittelbar gegenüber dem jeweiligen Reihenhaus liegende Parkplatz anstelle des eigentumsrechtlich zugeordneten, danebengelegenen, benutzt werden darf.
Die Klägerin duldete die Benutzung ihres Parkplatzes durch die Beklagten nicht mehr, die Beklagten haben ihn danach dennoch mehrfach befahren.
Gemäß § 17 Abs 1 WEG 2002 können sämtliche Wohnungseigentümer schriftlich eine Vereinbarung über die Benützung der verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft treffen. Dem Übereinkommen der Mit- und Wohnungseigentümer fehlt die gebotene Schriftlichkeit, außerdem betrifft sie nicht verfügbare allgemeine Teile, sondern Wohnungseigentumsobjekte. Da der Gesetzgeber des WEG klar zwischen allgemeinen Teilen einer Liegenschaft und Wohnungseigentumsobjekten differenziert (vgl die Definitionen in § 2 Abs 2 bzw § 2 Abs 4 WEG 2002) und § 17 WEG unmissverständlich nur auf allgemeine Teile der Liegenschaft angewendet wissen will, ist eine planwidrige Lücke nicht zu erkennen, scheidet eine analoge Anwendung aus.
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7 Ob 200/19s – Verwirklichung unleidlichen Verhaltens bei vertrags-/ vereinbarungswidrigen Umbauarbeiten
Die klagenden Vermieter kündigten den Beklagten den Mietvertrag betreffend das Bestandobjekt unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG auf. Die Beklagten hätten ohne Zustimmung der Kläger allgemeine Teile des Hauses in Anspruch genommen, um umfassende Umbautätigkeiten durchzuführen. Ein diesbezüglich beim Bezirksgericht Graz-Ost anhängiges Besitzstörungsverfahren sei durch einen außergerichtlichen Vergleich beendet worden. In diesem sei festgehalten worden, dass die Be- und Entlüftung über das Stiegenhaus bzw einen Kamin erfolgen solle. Ungeachtet dieser im Vergleich getroffenen Regelung sei durch Kernbohrungen ein Zugang zu dem im Erdgeschoss befindlichen Lokal sowie ein Zugang zur Gasse hergestellt worden. Dabei sei die Außenfassade demontiert und Belüftungsstutzen montiert worden. Diese Umbautätigkeiten, die baubewilligungspflichtig und bewilligungspflichtig durch die Denkmalschutzbehörde seien, seien ohne Zustimmung der Kläger erfolgt.
Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand im Sinn des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG (wie des gleichlautenden Vertragsaufhebungsgrundes nach § 1118 erster Fall ABGB) liegt vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (vgl RS0020981, RS0067832, RS0068076), oder wenn durch das nachteilige Verhalten des Mieters wichtige wirtschaftliche oder persönliche Interessen des Vermieters oder anderer Mieter geschädigt oder gefährdet werden (vgl RS0020940, RS0021031, RS0070348).
Die Vornahme von baulichen Veränderungen durch den Mieter ohne Zustimmung des Bestandgebers rechtfertigt die Auflösung des Bestandvertrags gemäß § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG (§ 1118 erster Fall ABGB), wenn die vom Mieter vorgenommenen Veränderungen für die Bestandsache erheblich nachteilig sind. Sachgemäß durchgeführte Vorkehrungen zur Verbesserung oder Modernisierung des Bestandgegenstands können den Auflösungstatbestand grundsätzlich nicht erfüllen (RS0067816). Derartige bauliche Veränderungen, die den Intentionen des Bestandgebers zuwiderlaufen, können aber dann einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandgegenstands bewirken, wenn dadurch wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen des Bestandgebers verletzt werden oder wenn die Gefahr der Verletzung solcher Interessen droht (RS0067816 [T4]).
30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG, § 1118 erster Fall ABGB sollen die Möglichkeit für die Auflösung des Bestandverhältnisses bieten, weil das für sein Weiterbestehen erforderliche Vertrauen weggefallen ist. Grundlage für einen Auflösungsanspruch ist ein vertragswidriges Verhalten. Der Mieter muss sich also so verhalten, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist (RS0020867). Ein Verschulden des Mieters ist dazu nicht erforderlich; es genügt, dass sich der Mieter des nachteiligen Verhaltens bewusst war (RS0020867, RS0020981, RS0067957, RS0070243), oder bewusst sein musste (RS0070433), wobei der Maßstab eines durchschnittlichen Mieters zugrunde zu legen ist.
In diesem Fall steht das Objekt unter Denkmalschutz. Den Klägern ist damit jedenfalls ein wichtiges Interesse daran zuzugestehen, dieses Objekt in seiner bestehenden und denkmalgeschützten Form zu erhalten. Insbesondere Änderungen des äußeren Erscheinungsbilds laufen ihren Intentionen zuwider. Die Beklagten wurden auch bereits im Mietvertrag auf den Umstand hingewiesen, dass das Objekt unter Denkmalschutz steht und bei Umbauarbeiten jedenfalls die behördlichen Vorschriften einzuhalten sind. Im Zuge eines – wegen eigenmächtiger Umbauarbeiten der Mieter – von den Klägern angestrengten Besitzstörungsverfahrens wurde eine Einigung mit dem Ziel getroffen, weitere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Kläger stimmten in dieser Vereinbarung auch einer Be- und Entlüftung in einer bestimmten Form (über die Brandschutzglastür bzw über den Hauskamin) zu. Die Zustimmung umfasste ganz offenkundig keine Veränderung des äußeren Erscheinungsbilds. Von dieser abweichend erfolgte durch die Beklagten der Einbau einer Be- und Entlüftungsanlage, dem nicht nur die behördlichen Bewilligungen nach dem Stmk BauG, sondern auch jene nach dem DMSG fehlten. Der Einbau wurde darüber hinaus auch noch durch einen Eingriff in die Bausubstanz, durch die Inanspruchnahme von allgemeinen Teilen des Hauses und insbesondere durch eine Änderung des denkmalgeschützten Erscheinungsbilds des Hauses vorgenommen. Irrelevant ist dabei, ob diese Maßnahmen schon zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung gesetzt waren oder erst unmittelbar daran durchgeführt wurden. Im ersten Fall hätten die Beklagten die Vereinbarung in dem Wissen geschlossen, dass sie bereits einen davon abweichenden Zustand geschaffen hatten. Im zweiten Fall musste den Beklagten bewusst sein, dass die Umbaumaßnahmen im Widerspruch zu der unmittelbar davor getroffenen Vereinbarung standen und damit vertragswidrig waren. Durch dieses Vorgehen der Beklagten, von konkreten baulichen Vorgaben der Vermieter, zu deren Einhaltung sie sich ausdrücklich verpflichtet hatten, einseitig abzugehen und zusätzlich die erforderlichen behördlichen Bewilligungen nicht einzuholen, ist das für das Weiterbestehen des Bestandvertrags erforderliche Vertrauen weggefallen.
AUSSERSTREITIGES RECHT
5 Ob 150/19y – Lagezuschlag/ Richtwertmietzins
Für die Berechnung des Richtwertmietzinses sind im Vergleich zur mietrechtlichen Normwohnung entsprechende Zuschläge zum oder Abstriche vom Richtwert für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen vom Standard der mietrechtlichen Normwohnung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens vorzunehmen (§ 16 Abs 2 MRG). Einer der in § 16 Abs 2 Z 1 bis 5 MRG taxativ aufgezählten Umstände, die zu Zuschlägen oder Abstrichen vom Richtwert führen können, ist die Lage (Wohnumgebung) des Hauses (Z 3). Ein Lagezuschlag iSd § 16 Abs 2 Z 3 MRG ist (nur) dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 16 Abs 4 MRG).
Was unter „durchschnittlicher Lage“ zu verstehen ist, definiert § 16 Abs 4 MRG nicht. Er verweist dazu vielmehr auf § 2 Abs 3 RichtWG. Danach ist die durchschnittliche Lage nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen, wobei eine Lage (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat, höchstens als durchschnittlich einzustufen ist. Der zweite Halbsatz des § 2 Abs 3 RichtWG kommt dabei (nur) dann zum Tragen, wenn die dort genannten Kriterien noch zum Zeitpunkt des Abschlusses der Mietzinsvereinbarung erfüllt sind. Diese gesetzlich als höchstens durchschnittlich eingestuften Lagen werden in der Regel als „Gründerzeitviertel“ bezeichnet. Die Lage innerhalb eines solchen Gründerzeitviertels verhindert zwingend die Zuerkennung eines Lagezuschlags (5 Ob 198/18f mwN).
Das relevante Gebiet, für das die in § 2 Abs 3 RichtWG genannten Kriterien für ein Gründerzeitviertel zu prüfen sind, ist nach dem Ausschussbericht zum 3. Wohnrechtsänderungsgesetz (AB 1268 BlgNR 18. GP 19) nicht ein ganzer Bezirk oder Stadtteil, sondern es umfasst mehrere Wohnblöcke oder Straßenzüge mit einer gleichartigen Gebäudecharakteristik. Die in der mietrechtlichen Praxis gängige Methode der Ermittlung der konkreten Lage in einem Wiener Gründerzeitviertel ist das vom Magistrat der Stadt Wien erstellte Verzeichnis sämtlicher Gründerzeitviertel. Der (Gegen-)Beweis, dass eine Liegenschaft ungeachtet des veröffentlichten Plans oder des Straßenverzeichnisses doch nicht oder nicht mehr in einem Gründerzeitviertel liegt, ist jedoch zulässig. Wenn daher in dem maßgeblichen Evaluierungsraum mehr als die Hälfte der Häuser aus der Zeit von 1870 bis 1917 mittlerweile Neubauten gewichen sind, kann auch ein ursprüngliches „Gründerzeitviertel“ in der Umschreibung des § 2 Abs 3 zweiter Halbsatz RichtWG zu einer Wohnumgebung werden, auf die das Lagezuschlagsverbot des § 2 Abs 3 RichtWG nicht mehr zutrifft. Der Gegenbeweis der Entwicklung des konkreten Wohnviertels zu einem „Nicht-(mehr-)Gründerzeitviertel“ etwa infolge Ersatzes einer solchen Anzahl von Gründerzeitgebäuden durch Neubauten, dass diese nicht mehr überwiegen, ist also zulässig (5 Ob 198/18f mwN).
Aus der Bestimmung des § 2 Abs 3 RichtWG kann aber nicht der Schluss gezogen werden, jegliche Lage außerhalb eines Gründerzeitviertels sei bereits überdurchschnittlich. Es ist daher auch in den Fällen der Entwicklung des konkreten Wohnviertels zu einem „Nicht-(mehr-)Gründerzeitviertel“ nach § 16 Abs 3 und 4 MRG zu prüfen, ob das „Nicht-(mehr-)Gründerzeitviertel“ besser als die durchschnittliche Lage ist und ein Lagezuschlag berücksichtigt werden kann (5 Ob 198/18f mwN).
Das Erstgericht stellte in diesem Fall fest, dass in diesem Evaluierungsraum (nur) 46 % der Häuser in der Gründerzeit zwischen 1870 und 1917 errichtet wurden. Das Rekursgericht übernahm diese Feststellung und leitete daraus – wie schon das Erstgericht – ab, dass die Liegenschaft sich zwar laut der Lagezuschlagskarte in einem Gründerzeitviertel befinde, die Antragsgegner aber den zulässigen Gegenbeweis erbracht hätten. Die Ausdehnung der Beschränkung des § 2 Abs 3 RichtWG hinsichtlich des Lagezuschlags von einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde, auf einen überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit vor 1917 errichtet wurde, wird ausdrücklich abgelehnt (5 Ob 198/18f).
Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen). In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern auf jene Teile des (Wiener) Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und daher ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden. Im – hier zu beurteilenden – Fall eines im 5. Bezirk gelegenen Hauses sind dies die innerstädtischen Gebiete mit der dafür typischen geschlossenen mehrgeschossigen Verbauung (5 Ob 74/17v; 5 Ob 242/18a; 5 Ob 158/18y; RS0131812).
Die Berechnungsmethode für die Höhe eines Lagezuschlags regelt § 16 Abs 3 MRG. Diese Bestimmung enthält genaue Anweisungen über die Ermittlung der Lagezu- und -abschläge, weshalb ein solcher nicht unter Anwendung des § 273 ZPO nach Ermessen des Gerichts festgesetzt werden darf. Zu deren Ermittlung ist nach gesetzlicher Anordnung zunächst der der Lage des Hauses entsprechende Grundkostenanteil je m² Nutzfläche zu berechnen (5 Ob 158/18y). § 16 Abs 3 MRG ist dahingehend auszulegen, dass zur Ermittlung des Lagezuschlags grundsätzlich die in der jeweiligen Gegend üblichen Grundpreise für unbebaute, aber für Wohnbauten geeignete Grundstücke festzustellen sind (RS0114795). An diesen rechtlichen Vorgaben des § 16 Abs 3 MRG hat sich auch der vom Gericht beigezogene Sachverständige zu orientieren.
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5 Ob 169/19t – Erhaltungsarbeiten nach dem WEG
Bei dem klagegegenständlichen Objekt handelt sich um ein sogenanntes Mischhaus, in dem noch nicht an allen wohnungseigentumstauglichen Objekten Wohnungseigentum begründet wurde.
Die Baupolizei der Stadt Wien trug den Mit- und Wohnungseigentümern der Liegenschaft mit Bescheid gemäß § 129 Abs 1, 2, 4 und 10 der BO für Wien unter Fristsetzung die Durchführung von insgesamt 16 näher bezeichneten baulichen Maßnahmen auf.
Der Verweis auf die vom einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG durchzusetzenden Erhaltungsarbeiten in § 28 Abs 1 Z 1 WEG betrifft auch „fiktive“ Erhaltungsarbeiten im Sinn des § 3 Abs 2 Z 4 MRG. Der dort genannte Begriff „Umgestaltung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung“ ist jedenfalls für den Bereich des Wohnungseigentumsrechts dahin einschränkend auszulegen, dass er sich nur auf solche Maßnahmen bezieht, die nicht zu einer Standardverschlechterung führen. Ein Individualrecht des Wohnungseigentümers auf Durchsetzung von – selbst behördlich aufgetragener – Maßnahmen, die nicht nur keine Verbesserung mit sich bringen, sondern den Standard der allgemeinen Teile des Hauses sogar verschlechtern, besteht gegen den Mehrheitswillen nicht.
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5 Ob 207/19f – Zur Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft
Die Einberufung der Eigentümerversammlung und die dabei zur Beschlussfassung anstehenden Gegenstände sind jedem Wohnungseigentümer mindestens zwei Wochen vor dem Versammlungstermin schriftlich auf die in § 24 Abs 5 WEG beschriebene Weise zur Kenntnis zu bringen (§ 25 Abs 2 WEG). Diese Verständigung verfolgt den Zweck, den Wohnungseigentümern Gelegenheit zu geben, sich auf die Beschlussfassung zielgerichtet vorzubereiten. Die zur Beschlussfassung anstehenden Beschlussgegenstände sind daher ausreichend bestimmt bekannt zu geben. Die Angaben zu den Tagesordnungspunkten müssen die Absicht, einen Beschluss zu fassen, klar erkennen lassen und die Beschlussgegenstände so konkret beschreiben, dass eine Vorbereitung darauf sinnvoll möglich ist. Ist die Beschlussfassung vom Inhalt der Verständigung nicht erfasst, weil sie zu allgemein oder zu eng gefasst worden ist, liegt ein formeller, das Anhörungsrecht verletzender Mangel vor (Painsi in GeKo Wohnrecht II § 25 WEG 2002 Rz 20; Würth/Zingher/Kovanyi II23 § 25 WEG Rz 6; Löcker in Hausmann/Vonkilch4 § 25 WEG Rz 14).
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5 Ob 49/20x – Auslegung von Vereinbarungen der Miteigentümer zur Aufteilung von Aufwendungen
Im Übereinkommen zur Begründung von Wohnungseigentum hatten die Vertragsparteien im Punkt VIII. vereinbart, „dass sämtliche, die gesamte Wohnhausanlage […] betreffenden Aufwendungen von den Miteigentümern im Verhältnis der dem einzelnen Miteigentümer zukommenden Nutzfläche zur gesamten Nutzfläche, berechnet gemäß Entscheidung des Magistrats Wien, MA 50, vom 1. 4. 1996, sohin im Sinn der §§ 17 und 21 ff MRG, zu tragen sind. Die in der Tabelle in der Spalte A genannten Miteigentümer erklären hiezu ihre ausdrückliche Zustimmung zur Ersichtlichmachung dieser Vereinbarung im Grundbuch gemäß § 19 Abs 6 WEG“.
Gegenstand des Verfahrens sind die Jahresabrechnungen der Antragsgegnerin für 2013 und 2014, die auf einem Verteilungsschlüssel betreffend die Wohnung und den PKW-Abstellplatz des Antragstellers von 7,2812 % beruht. Diesem Verteilungsschlüssel liegt der im Wohnungseigentumsvertrag genannte Bescheid der Schlichtungsstelle vom 1. 4. 1996 zugrunde. Der Antragsteller begehrte, der Antragsgegnerin aufzutragen, für die Jahre 2013 und 2014 eine richtige Betriebskostenabrechnung vorzulegen. Die Abrechnung basiere auf einem unrichtigen, weil veralteten Nutzflächenschlüssel, was der Antragsgegnerin bekannt sei. Für die Top 15 des Antragstellers gehe sie von einer Fläche von 52,58 m² statt 39,06 m² aus.
Eine richtige Abrechnung der Bewirtschaftungskosten (vgl RIS-Justiz RS0117889) hat den gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen zu entsprechen (5 Ob 11/14z mwN). Gemäß § 32 Abs 1 WEG 2002 sind (wie zuvor nach § 19 Abs 1 WEG 1975 idF des 3. WÄG) die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern an sich nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen. Nur dann, wenn eine Vereinbarung iSd § 32 Abs 2 WEG 2002 (bzw § 19 Abs 2 WEG 1975 idF des 3. WÄG) einen von dieser Regelung abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit festlegt, ist eine Aufteilung der Bewirtschaftungskosten dementsprechend vorzunehmen.
Der Wortlaut der Vereinbarung des Punkts VIII. des Wohnungseigentumsvertrags lässt in objektiver Hinsicht keinen Zweifel offen, dass die Aufwendungen von den Miteigentümern im Verhältnis der dem einzelnen Miteigentümer zukommenden Nutzfläche zur gesamten Nutzfläche, berechnet gemäß der dort zitierten Entscheidung des Magistrats der Stadt Wien, MA 50, zu tragen sind.
Der vertragliche Einschub „sohin im Sinne der §§ 17 und 21 ff MRG“ war so auszulegen, dass die Aufwendungen nach dem Verhältnis der Nutzflächen des einzelnen Objekts zur Gesamtnutzfläche der Anlage entsprechend der dort zitierten Schlichtungsstellenentscheidung aufzuteilen sind, solange es nicht zu einer gerichtlichen Änderung des Aufteilungsschlüssels (etwa wegen wesentlicher Änderung der Nutzungsmöglichkeiten nach § 32 Abs 5 WEG) oder zu einer einstimmigen Abänderung dieser Vereinbarung durch die Mit- und Wohnungseigentümer kommt. Die Abrechnung der Antragsgegnerin für 2013 und 2014 entsprach diesem Nutzflächenschlüssel.
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5 Ob 64/20b – Vereinbarungen über den Hauptmietzins bei gemischten Objekten
Die Antragstellerin benutzte die 66 m² große Wohnung auch zu geschäftlichen Zwecken, weshalb in einem Nachtrag zum Mietvertrag festgehalten wurde, dass „die Wohnung überwiegend zu Wohnzwecken zu verwenden ist, es wird jedoch gestattet, ca. 23 m² geschäftlich zu nutzen und zwar in einer Art und Weise, die mit dem Wohnzweck zu vereinbaren ist“. Zur Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit diente der Antragstellerin das Wohnzimmer gleichzeitig auch als Büro.
Gemäß § 16 Abs 1 Z 1 MRG ist die Vereinbarung zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Hauptmietzinses für einen in Hauptmiete gemieteten Mietgegenstand unter anderem dann ohne die Beschränkungen der Abs 2 bis 5 leg cit bis zu dem für den Mietgegenstand im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag zulässig, wenn der Mietgegenstand nicht zu Wohnzwecken dient; wird ein Mietgegenstand aber teils als Wohnung, teils als Geschäftsräumlichkeit verwendet, so darf nur der für Wohnungen zulässige Hauptmietzins angerechnet werden, es sei denn, dass die Verwendung zu Geschäftszwecken die Verwendung zu Wohnzwecken bedeutend überwiegt.
Die Antragsgegner meinten, es entspreche dem Parteiwillen, eine Aufspaltung des Mietzinses dergestalt vorzunehmen, dass für den als Geschäftsraum genutzten Teil der Wohnung der angemessene Mietzins und im Übrigen der Richtwertmietzins zum Tragen komme. Damit ignorierten sie aber nicht nur den der vertraglichen Vereinbarung zugrunde liegenden Parteiwillen (vgl dazu RIS-Justiz RS0070039 [T3]), der eine Widmung von Teilen des Objekts ausschließlich zur geschäftlichen Nutzung nicht erkennen lässt, sondern setzen sich auch über den klaren Wortlaut des Gesetzes hinweg.
Verstöße gegen die im Mietrechtsgesetz normierten Mietzinsobergrenzen sind nach § 16 Abs 8 MRG mit Teilnichtigkeit bedroht, die die übrigen Vertragsbestimmungen grundsätzlich unberührt lässt.
Dr. Iris Mutz
Wien/Klagenfurt, September 2020
WMWP Rechtsanwälte GmbH