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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Oktober 2020

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


STREITIGES RECHT

1 Ob 98/20y – Grobes Verschulden an einem Mietzinsrückstand

Grobes Verschulden des Mieters am Zahlungsverzug setzt ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodass der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn, Gleichgültigkeit oder Streitsucht verletzt (RS0069304). Rechthaberei liegt vor, wenn der Mieter auf einem bei nüchterner Überlegung als unrichtig erkennbaren Standpunkt beharrt (RS0069304 [T8]; RS0070327 [T3]). Die Beweislast dafür, dass ein grobes Verschulden an der Nichtzahlung des Zinses nicht vorliegt, trifft den beklagten Mieter. Er hat den ihn entschuldigenden Sachverhalt in jeder möglichen Richtung zu konkretisieren, also jene Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, die rechtlich die Annahme eines groben Verschuldens auf seiner Seite ausschließen. Jeder Zweifel geht zu seinen Lasten (RS0069316 [T4, T6, T10]).

Ein zwar als berechtigt erkannte Mietzinsminderung im Zeitraum Oktober 2015 bis Februar 2016 von 15 % und eine von der Vermieterin bis April 2018 berücksichtigte Mietzinsminderung in Höhe von 3 % konnte den Mieter aber nicht dazu berechtigten, die Mietzinse von Februar 2018 bis Mai 2019 überhaupt nicht zu leisten. Den Mieter traf daher ein grobes Verschulden an dem Zahlungsrückstand.

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2 Ob 49/20 z – Grobes Verschulden an einem Mietzinsrückstand

Dass den Mieter kein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand treffe, begründete er in erster Instanz lediglich mit nicht näher dargelegten Umsatzeinbußen wegen vor dem Geschäftslokal stattgefundener Straßenarbeiten und eingetretener und ebenfalls nicht näher konkretisierter Wasserschäden.

Für die in der Klage geltend gemachten Mietzinsrückstände lag bereits ein rechtskräftiger Zahlungsbefehl vor. Ungeachtet des Umstands, dass sich der Mieter in seiner Berufung auf das Bestehen eines Mietzinsminderungsanspruchs gar nicht gestützt hatte, könnte ein solcher für diese Zeiträume daher schon deshalb nicht geltend gemacht werden. Darüber hinaus sind Mietzinsminderungsansprüche für die Beurteilung des Zahlungsrückstands für vorangegangenen Zinsperioden nicht relevant.

Finanzielle Schwierigkeiten allein entlasten den Mieter nicht. Toleriert werden kann in der Regel nur eine Verspätung von wenigen Tagen oder wegen vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten (3 Ob 112/17tRS0070310). Weshalb durch die behaupteten Umstände die Mietzinsrückstände für die klagegegenständlichen Zeiträume nicht bezahlt werden konnten, wurde trotz mehrfacher Aufforderung nicht näher dargelegt. Im Bestehen eines erheblichen Mietzinsrückstands über einen Zeitraum von zumindest sechs Monaten liegt ein grobes Verschulden.

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5 Ob 5/20a – Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Zur Sicherung des dringenden Wohnbedürfnisses des Ehegatten

Zur Sicherung des dringenden Wohnbedürfnisses des Ehegatten war ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382h EO (iVm § 97 ABGB) eingebracht worden. Das Erstgericht wies den von der Frau gestellten Antrag ab, ohne zuvor den Mann zu diesem Antrag einzuvernehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Revisionsrekurs gegen eine Entscheidung, mit der die Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne Einvernahme des Gegners der gefährdeten Partei bestätigt wurde, gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0012260). Diese Voraussetzungen treffen hier zu, hat doch das Erstgericht den Sicherungsantrag abgewiesen, ohne den Gegner der gefährdeten Partei gehört zu haben. Die bloße Zustellung des den Sicherungsantrag enthaltenden Protokolls der Tagsatzung vom 7. 1. 2020, an der der Mann nicht teilnahm, und das ihm zusammen mit einer anderen erstinstanzlichen Entscheidung zugestellt wurde, ist einer durch richterliche Anordnung eröffneten Äußerungsmöglichkeit nicht gleichzuhalten (vgl 4 Ob 57/19i [2.2.] mwN).

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5 Ob 8/20t – bei Versteigerung eines Superädifikats tritt der Ersteher per Gesetz in das bestehende Nutzungsverhältnis ein

Die Streitteile sind die Miteigentümer eines Superädifikats. Das Superädifikat ist ein im Jahr 1960 vom (Groß-)Vater der Streitteile errichtetes Gebäude, das im Sommer als Teil einer Hotelanlage genutzt wurde. Die Liegenschaft, auf der sich das Superädifikat befindet, stand im Eigentum der (Groß-)Mutter der Streitteile. Die Gestattung der Nutzung des Grundstücks zur Errichtung und Belassung des Superädifikats erfolgte ausschließlich aufgrund des familienrechtlichen Verhältnisses zwischen den (Groß-)Eltern der Streitteile. Was diese über die Gestattung der Nutzung hinaus vereinbart haben, kann nicht festgestellt werden. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass das Superädifikat vereinbarungsgemäß im Familieneigentum gehalten werden muss. Seit 2016 steht die Liegenschaft im Alleineigentum der Erstbeklagten.

Die Klägerin begehrte die Aufhebung der Gemeinschaft des Eigentums an dem Superädifikat durch Zivilteilung, in eventu durch Naturalteilung in der Form der Wohnungseigentumsbegründung. Die Beklagten wandten ein, dass die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an dem Superädifikat durch gerichtliche Feilbietung nur möglich sei, wenn bereits im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz die Zustimmung des Grundeigentümers zum Eintritt des Erstehers in das bestehende Nutzungsrecht vorliege. Alleineigentümerin der Liegenschaft sei die Erstbeklagte und als solche erkläre sie ausdrücklich, der Benutzung des Grundes durch einen familienfremden Ersteher nicht zuzustimmen und das Grundnutzungsverhältnis aus wichtigem Grund aufzukündigen.

Seit der EO-Nov 2000 gelten für das Exekutionsverfahren auf Zivilteilung einer Liegenschaft im Wesentlichen die Regeln über die Zwangsversteigerung mit den sich aus §§ 352 bis 352c EO ergebenden Abweichungen (5 Ob 95/09w). Zufolge der entsprechenden Anordnung in § 133 Abs 1 EO gilt das auch für die Zivilteilung von Superädifikaten (Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 §§ 352–352c EO Rz 1; Mini/Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung § 153a EO Rz 1; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung § 352 EO Rz 5; Feil/Marent, Exekutionsordnung § 352 Rz 3; Rechberger in Kletečka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund2 Rz 114).

Es ist daher § 153a EO in dem dem Teilungsverfahren folgenden Exekutionsverfahren zur Aufhebung der Rechtsgemeinschaft an einem Superädifikat anzuwenden (Rechberger in Kletečka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund2 Rz 114). Diese mit der EO-Nov 2000 neu eingefügte Bestimmung sieht vor, dass bei Versteigerung eines Superädifikats der Ersteher in das bestehende Nutzungsverhältnis eintritt. Wird ein Superädifikat versteigert, so gehen die Rechte und Pflichten aus dem Nutzungsverhältnis, das zwischen dem Eigentümer des Superädifikats und dem Eigentümer des Grundstücks besteht, mit dem Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ipso iure auf den Ersteher über. Der Inhalt und die Art des Nutzungsverhältnisses bleiben unverändert (Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 153a EO Rz 1; Rechberger in Kletečka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund2 Rz 119). Mit diesem ex lege Übergang der Nutzungsrechte sollte die exekutive Verwertung von Superädifikaten erleichtert werden, zumal das Eigentum an Superädifikaten in aller Regel mit entsprechenden Nutzungsrechten an der Liegenschaft verbunden ist (RV 93 BlgNR 21. GP 48).

153a EO normiert eine gesetzliche Vertragsübernahme. Der Grundeigentümer kann daher dem Übergang der Rechte und Pflichten auf den Ersteher nicht mit Erfolg entgegentreten. Diesem steht zwar gemäß § 153a Satz 2 EO das Recht zu, den dem Nutzungsverhältnis zugrunde liegenden Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen. Der wichtige Grund, der den Grundeigentümer unabhängig vom Inhalt des dem Nutzungsverhältnis zugrunde liegenden Vertrags zur Kündigung berechtigt, muss aber in einem Umstand liegen, der mit dem Eintritt des Erstehers in das Nutzungsverhältnis zusammenhängt. Umstände, die nicht auf eine Änderung der Verhältnisse zurückgehen, können hingegen nur dann zum Anlass für eine Kündigung genommen werden, wenn sie auch gegenüber dem bisher Berechtigten geltend gemacht werden hätten können (Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 153a EO Rz 2 f).

Die von der älteren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geforderte Voraussetzung einer Zustimmung des Grundeigentümers zum Eintritt des Erstehers in das bestehende Grundnutzungsverhältnis ist aufgrund des gesetzlichen Vertragseintritts obsolet (Rechberger in Kletečka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund2 Rz 114).

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5 Ob 21/20d – Ein Miet- und Wohnungseigentümer hat kein Feststellungsinteresse daran, dass jmd. nicht Verwalter einer Liegenschaft ist

Gemäß § 228 ZPO kann unter anderem auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts Klage erhoben werden. Die Feststellungsklage bedarf eines konkreten aktuellen Anlasses, der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine ehebaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RS0039215). Voraussetzung der Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ist gemäß § 228 ZPO das rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung. Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist eine jederzeit (auch von Amts wegen) wahrzunehmende Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs (RS0039177RS0039123RS0038939). Fehlt es, ist die Klage mit Urteil abzuweisen (RS0039201).

Das Urteil über eine Feststellungsklage entfaltet grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits Bindungswirkung, sodass die Frage des Bestands oder Nichtbestands eines Rechts oder Rechtsverhältnisses nur in einem Rechtsstreit zwischen denselben Parteien nicht neuerlich aufgerollt werden kann (1 Ob 36/16z mwN).

Der Verwaltungsvertrag ist als Bevollmächtigungsvertrag im Sinn der §§ 1002 ff ABGB anzusehen. Er besteht ausschließlich zwischen der Eigentümergemeinschaft als Machtgeber und dem Verwalter als Machthaber (RS0110934Würth/Zingher/Kovanyi § 19 WEG Rz 5; E. M. Hausmann aaO § 19 WEG Rz 26; Höllwerth, Der Bevollmächtigungsvertrag zwischen Eigentümergemeinschaft und Verwalter, FS Würth, 177 ff; Schatzl/Spruzina in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht § 19 WEG Rz 15). Der Kläger als Mit- und Wohnungseigentümer ist nicht Partei eines möglichen Verwaltungsvertrags. Er strebt mit seinem Begehren damit die Feststellung an, dass ein solches Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und einem Dritten nicht besteht.

Für eine solche Klage wird gefordert, dass die Rechtsverhältnisse des Klägers durch ein Verhalten des Beklagten unmittelbar berührt werden, also ein eigenes rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellung deswegen besteht, weil ein Rechtsverhältnis, an dem er nicht beteiligt ist, unmittelbar in seinen Rechtsbereich hineinreicht, diesen stört und beeinträchtigt (RS0038958RS0038819Frauenberger-Pfeiler in Fasching/Konecny³ § 228 Rz 64). Die gerichtliche Entscheidung über Bestand oder Nichtbestand eines Rechtsverhältnisses erwächst – von Fällen der Rechtskrafterstreckung abgesehen – gegenüber dem Dritten aber nicht in Rechtskraft (RS0039068). Daraus folgt regelmäßig das Fehlen des notwendigen Feststellungsinteresses (RS0039068 [T2]). Auch im vorliegenden Fall könnte sich die Bindungswirkung einer rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung zwischen dem Kläger und der Beklagten, dass letztere nicht Verwalterin der Liegenschaft ist, nicht auch auf die Eigentümergemeinschaft erstrecken, weil sie nicht Partei dieses Verfahrens ist.

Der Verwalter nach § 20 Abs 1 Satz 1 WEG ist verpflichtet, die gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Wohnungseigentümer (vgl RS0117890) zu wahren, sodass die Verwaltung auch die Rechtssphäre jedes einzelnen Miteigentümers berührt und über das Rechtsverhältnis zur Eigentümergemeinschaft hinaus auch ein Verpflichtungsverhältnis zum einzelnen Miteigentümer besteht (5 Ob 175/08hRS0117890 [T5]). Insoweit betrifft das Begehren des Klägers ein Rechtsverhältnis, an dem er zwar nicht beteiligt ist, das aber seinen Rechtsbereich berührt. Geht es aber – wie hier – um die Feststellung, dass die Beklagte nicht Verwalterin ist, also kein Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Eigentümergemeinschaft besteht, folgt schon aus der fehlenden Bindungswirkung im Verhältnis zur Eigentümergemeinschaft, dass einer darüber ergehenden Entscheidung keine Bereinigungswirkung zukäme. Die Unsicherheiten über den Bestand oder Nichtbestand des Rechtsverhältnisses blieben bestehen. Das rechtliche Interesse ist aber grundsätzlich zu verneinen, wenn die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils die Beseitigung der Unsicherheit über das Rechtsverhältnis nicht garantieren kann (RS0014654 [T2; T5]; RS0039071 [T7; T13]; Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO5 § 228 Rz 91 mwN).

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5 Ob 73/20a – Zur Wohnungseigentums- und Wohnungseigentums-Zubehörtauglichkeit eines Flachdaches

Der Kläger hatte sein Wohnungseigentumsobjekt durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Er wollte der beklagten Wohnungseigentümerin die Nutzung des Flachdaches, welches nur über das Objekt der Beklagten erreichbar war, welches sie und ihre Rechtsvorgänger bereits über Jahrzehnte als Terrasse genutzt hatten, verbieten. Ursprünglich war die ausdrückliche Widmung als Terrasse nicht möglich, da baurechtlich damals die Errichtung eines Rauchfangkehrerstegs von allgemeinen Teilen bis zu den Kaminputztüren erforderlich gewesen wäre. In einem späteren Nutzwertgutachten wurde die Terrasse mit einem Zuschlag berücksichtigt. Später wurde in dem Wohnungseigentumsvertrag, den die beklagte Partei unterfertigte, festgehalten, dass das nun strittige Flachdach dem Objekt Top Nr 12 zugeordnet sein sollte, also dem Wohnungseigentümer dieses Objekts zur alleinigen Nutzung zustehen sollte, auch wenn dies wegen der Problematik des Rauchfangkehrerzugangs zu den Kaminen nach der damaligen Wiener Bauordnung nicht möglich war. Nach der aktuellen Rechtslage ist die Widmung des Flachdaches als Terrasse baurechtlich nun zulässig. Die beklagte Partei nutzte das Flachdach ständig und unbeanstandet als Terrasse. Eine Reihe von Wohnungseigentümern hatte davon Kenntnis und dagegen keine Einwände.

An allgemeinen Teilen der Liegenschaft kann Wohnungseigentum weder neu begründet werden noch bestehen bleiben, weil sie nach ihrer Zweckbestimmung (Widmung) der allgemeinen Benützung dienen. Bei notwendig allgemeinen Teilen ist die zur Wohnungseigentumsbegründung erforderliche Möglichkeit ausschließlicher Benützung durch einen Wohnungseigentümer nicht gegeben (RS0117164RS0097520 [T7]). Allgemeine Teile der Liegenschaft sind solche, die der allgemeinen Benützung dienen oder deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegensteht (§ 1 Abs 4 WEG 1975 bzw § 2 Abs 4 WEG 2002). Maßgeblich für den Charakter der Fläche als notwendig allgemeiner Teil ist die Zweckbestimmung innerhalb der Gesamtliegenschaft. Demgemäß sind etwa Flächen, die Allgemeinflächen miteinander verbinden (wie Wege), ex lege dann notwendig allgemeine Teile der Liegenschaft, wenn sie die einzigen derartigen Flächen der Liegenschaft sind (RS0125757).

Liegenschaftseigentum und demgemäß auch Wohnungseigentum bringt es grundsätzlich mit sich, dass ein fallweises Betreten einer Wohnung oder Terrasse durch Dritte nicht verhindert werden darf, weil bestimmte (Wartungs-)Arbeiten durchzuführen sind oder mögliche Gefahrenquellen überprüft werden müssen. Auch § 16 Abs 3 WEG 2002 sieht eine Duldungspflicht des Wohnungseigentümers insoweit vor, als das Betreten und die Benützung des Objekts so weit zu gestatten ist, als dies zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft und der Behebung ernster Schäden des Hauses erforderlich ist. Ein nur vier Mal jährlich erforderliches kurzfristiges Betreten der Terrasse für kurzzeitige Putzarbeiten am Rauchfang des Hauses bewirkt eine derart geringfügige Inanspruchnahme sowohl in räumlicher als auch zeitlicher Hinsicht, dass sie der Wohnungseigentumstauglichkeit des Objekts nicht grundsätzlich entgegensteht (vgl 10 Ob 19/12k). Dies gilt auch hier; eine Dachterrasse, die nur mit einer bestimmten, im Wohnungseigentum stehenden Wohnung verbunden ist und daher auch nur vom entsprechenden Wohnungseigentümer benützt werden kann, ist Teil dieses Wohnungseigentumsobjekts. Weder verliert sie diesen Charakter noch wird sie zum allgemeinen Teil des Hauses, weil der Rauchfangkehrer mehrmals im Jahr die Terrasse als Zugang für das Kehren eines Rauchfangs benützen muss (RS0127972). Die Terrasse ist daher grundsätzlich wohnungseigentumstauglich.

Der Rechtstitel für die einem Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungsbefugnisse liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht in der Nutzwertfestsetzung, sondern in der Widmung (die wiederum Grundlage des Wohnungseigentumsvertrags ist). Die Festsetzung oder Bestimmung der Nutzwerte schafft daher keinen eigenen Rechtsgrund für die Nutzung, sie hat die Widmung nur nachzuvollziehen (RS0118149RS0083252). Ob ein Wohnungseigentumsobjekt, ein Wohnungseigentums-zubehörobjekt oder allgemeine Teile vorliegen, entscheidet sich nach der privatrechtlichen Einigung (der Widmung) der Wohnungseigentümer, die im Allgemeinen im Wohnungseigentumsvertrag erfolgt (RS01207255 Ob 18/19m).

Hier hat sich aus den Feststellungen des Erstgerichts eindeutig ergeben, dass die Parteien des Wohnungseigentumsvertrags wollten, dass das begehbare Flachdach der Top 12 zugeordnet wird und deren Wohnungseigentümer zur alleinigen Nutzung zustehen soll. Nach ständiger Judikatur des Fachsenats ist für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts nur auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer abzustellen, während baurechtliche oder raumordnungsrechtliche „Widmungen“ die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander nicht definieren (RS0120725). Daraus ist zu folgern, dass eine baurechtliche Vorschrift, die möglicherweise der privatrechtlich einvernehmlich erzielten Widmung entgegenstehen könnte, für sich allein noch nicht geeignet ist, dieser ihre Rechtswirksamkeit zu nehmen. Es war daher von einer Zuweisung des begehbaren Flachdaches als Terrasse und damit Wohnungseigentumszubehör nach der Rechtslage des WEG 1975 an die Wohnung Top 12 auszugehen.

Voraussetzung für die Begründung von Zubehörwohnungseigentum ist aber neben der – hier nach der Rechtslage des WEG 1975 gegebenen – „Zubehörtauglichkeit des Objekts“ und der – hier ebenfalls zu bejahenden – entsprechenden Widmung die Erfassung des Zubehörs im Rahmen der Nutzwertfestsetzung, die hier im Weg des Zuschlags zum Nutzwert erfolgte, und die Intabulation im Grundbuch oder nunmehr nach § 5 Abs 3 WEG 2002, dass sich die Zuordnung eindeutig aus dem Wohnungseigentumsvertrag oder der Nutzwertfestsetzung ergibt. Diese Eindeutigkeit war hier zu verneinen, sodass sich das ausschließliche Nutzungsrecht der Beklagten nicht aus der sachenrechtlichen Qualifikation als Zubehör ergeben kann (vgl RS0111616 [T2, T6]).

Nach der Rechtslage des WEG 1975 waren auch mündliche Benützungsvereinbarungen rechtswirksam, aufgrund § 15 WEG 1975 idF des 3. WÄG gegenüber gutgläubigen Erwerbern aber nur dann, wenn sie im Grundbuch eingetragen waren. Nunmehr ordnet § 17 Abs 3 WEG 2002 hingegen an, dass Benützungsvereinbarungen durch den Wechsel des Wohnungseigentümers nicht berührt werden. Allerdings verlangt § 17 Abs 1 WEG 2002 hierfür nun neben der Einstimmigkeit auch die Schriftlichkeit. Nach der Rechtsprechung wirkt eine vor dem WEG 2002 geschlossene mündliche oder konkludente Benützungsvereinbarung für oder gegen den Gesamtrechtsnachfolger, für oder gegen den Einzelrechtsnachfolger nur dann, wenn dieser mit schriftlichem Vertrag in die Rechtsstellung seines Vorgängers eintrat oder der von seinem Vorgänger (auch konkludent) übernommenen Verpflichtung schriftlich beitrat (5 Ob 205/14d = immolex 2015/66 [Prader]). Ein schriftlicher Beitritt des Klägers, der sein Objekt durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren erworben hat, im Sinn dieser Rechtsprechung liegt hier nicht vor. Der Fachsenat hat aber bereits ausgesprochen, dass für bereits in Schriftform abgeschlossene Benützungsvereinbarungen vor Inkrafttreten des WEG 2002 dessen § 17 Abs 3 gilt, sodass eine solche Benützungsvereinbarung vom Wechsel des Wohnungseigentümers nicht berührt wird (5 Ob 205/03p; so auch Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II22 § 17 WEG Rz 11; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 56 WEG Rz 56).

Der Kläger hatte daher kein Recht, der Beklagten die ihr mittels Vereinbarung ausschließlich zugewiesene Nutzung des begehbaren Flachdaches als persönliche Terrasse zu verbieten.

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5 Ob 76/20t – Für die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (idR der Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen

Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin unter anderem der Garage Top 5. Die Beklagte ist Wohnungseigentümerin der Wohnung Top 1, der als Zubehör – unter anderem – auch ein Garten zugeordnet und im Grundbuch eingetragen ist. Gemäß dem Nutzwertgutachten und dem dort enthaltenen Plan handelt es sich dabei um die im Süden an das Wohnhaus angrenzende rechteckige Gartenfläche im Ausmaß von 63 m², die 10 m lang und 6,3 m breit ist. Südlich der Gartenfläche der Beklagten befindet sich als Allgemeinfläche ein Zufahrtsweg zur Garage Top 5 der Klägerin, der im östlichen Bereich ca 2,2 m, im Bereich der Linkskurve Richtung Norden ca 2,5 m breit ist. Der Ehemann der Beklagten hat zur Kennzeichnung der Grenze ihres Gartens eine weiße Linie gezogen. Die Beklagte hat entlang der Gartenfläche innerhalb dieser Linie Betonblumentröge in einer Entfernung von 6,05 m zur Hausflucht Ost-West aufgestellt.

Die Klägerin begehrte die Entfernung der auf dem Zugangs- und Zufahrtsweg mit einer Breite von 3 m in dem dort konkret genannten Bereich aufgestellten Betontröge sowie die Unterlassung der Behinderung jeglicher Zufahrt zur Top 5.

Die rechtswirksame Widmung gibt den Ausschlag dafür, was zu einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt gehört und was entsprechend vom jeweiligen Wohnungseigentümer ausschließlich genutzt werden darf (RS0118149). Dabei ist für die Klärung der Frage der Widmung nur auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer abzustellen, während baurechtliche oder raumordnungsrechtliche „Widmungen“ die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander nicht definieren (RS01207255 Ob 83/12k – zum Entfall einer baurechtlichen Widmung als Notausgang nach OIB). Die – ausnahmslos rechtsgrundabhängige und keinen zivilrechtlichen Ersatztitel schaffende (5 Ob 157/11s mwN) – Nutzwertfestsetzung hat nicht auf die abstrakte Tauglichkeit von Objekten, sondern auf die konkrete Widmung als Wohnungseigentumsobjekt, Zubehörwohnungseigentum oder allgemeinen Teilen abzustellen (RS0114928).

Notwendig oder (zwingend) allgemeine Teile, an denen nie Wohnungseigentum begründet werden kann, sind nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats (RS0117164) solche, die kraft ihrer faktischen Beschaffenheit von vornherein nicht als Wohnung oder als Zubehör nutzbar sind, weil ihnen die Eignung fehlt, selbständig und ausschließlich benützt zu werden. Nicht notwendig muss ein solcher Teil von sämtlichen Miteigentümern benützt werden können. Dem Erfordernis der allgemeinen Benützung wird auch Rechnung getragen, wenn ein Teil der Miteigentümer auf die Benutzung angewiesen ist. Nach diesen Grundsätzen sind etwa Zu- oder Durchgänge zu allgemeinen Teilen der Liegenschaft dann „notwendig“ allgemeine Teile, wenn sie die einzigen derartigen Flächen der Liegenschaft sind (5 Ob 201/09hRS0097520 [T1, T4]; RS0117164). Selbst für derartige Zu- oder Durchgänge judiziert der erkennende Senat (5 Ob 264/08x5 Ob 202/11h), dass dies dann nicht gilt, wenn die dadurch erschlossenen allgemeinen Teile der Liegenschaft in Sondernutzung eines Wohnungseigentümers stehen.

Nach den Feststellungen haben sich in diesem Fall sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer darauf geeinigt, den südlich des Hauses gelegenen Garten im Ausmaß von 10 x 6,3 m als Zubehörwohnungseigentum der Wohnung der Beklagten zuzuordnen und folgerichtig bei der Nutzwertfestsetzung zu berücksichtigen, während der daran anschließende Wegstreifen von 2,2 bis 2,5 m Breite als allgemeiner Teil der Benutzung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer, insbesondere der Klägerin als Zufahrt zu ihrer Garage zur Verfügung stehen sollte. Dieser privatrechtliche Widmungsakt ist eindeutig und lässt keinen Zweifel offen. Rein baurechtlichen Vorschriften können nichts an der Rechtswirksamkeit und damit Verbindlichkeit der privatrechtlichen Widmung ändern. Dass es der Klägerin möglich sein muss, die in ihrem Wohnungseigentum stehende Garage über allgemein zugängliche Flächen zu erreichen, es daher eine Zugangs- und Zufahrts-(Möglichkeit) über allgemeine Teile, die insoweit als „notwendig allgemein“ anzusehen sind, geben muss, ist richtig. Dass es aber im Einzelfall ausreicht, einen Weg in der festgestellten Breite zu haben, um die Garage zu erreichen, liegt in dem den Vorinstanzen insoweit eingeräumten Ermessensspielraum und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Die Nichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung kann wegen eines allfälligen Verstoßes gegen baurechtliche Vorschriften nicht bewirkt werden.

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5 Ob 85/20s – Bloß bagatellhafte Umgestaltungen sind nicht zustimmungs- oder genehmigungsbedürftig

Nach der ständigen Rechtsprechung steht es jedem einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer zu zur Abwehr eigenmächtig vorgenommener Änderungen (§ 16 Abs 2 WEG) durch einen anderen Wohnungseigentümer, mit der Eigentumsfreiheitsklage (§ 523 ABGB) einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch geltend zu machen (RS0083156).

Der Änderungsbegriff des § 16 WEG 2002 ist weit auszulegen. Schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer verpflichtet den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung der anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, handelt er in unerlaubter Eigenmacht, daher rechtswidrig und kann im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung, gegebenenfalls auch zur Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden (RS0083156). Der Streitrichter hat im Konfliktfall ausschließlich über die Genehmigungsbedürftigkeit, nicht hingegen über die Genehmigungsfähigkeit nach den Voraussetzungen des § 16 Abs 2 WEG und damit über die Verpflichtung zur Duldung einer Änderung zu entscheiden (RS00831485 Ob 246/18i). Nicht dem Änderungsbegriff nach § 16 Abs 2 WEG unterliegen bloß bagatellhafte Umgestaltungen (RS0109247). Sie sind demnach auch nicht genehmigungsbedürftig.

Die Verlegung eines Lüftungsrohrs um 4,5 m samt Durchbruch der Außenwand des Gebäudes stellt nicht bloß eine Bagatelle dar. Der Austausch einer Gasleitung an der Decke des Kellergangs im Zug der Neuinstallation der Therme hingegen ist keine die Grenzen einer bloß bagatellhaften Umgestaltung überschreitende Maßnahme.

AUSSERSTREITIGES RECHT

5 Ob 83/20x – Rügeobliegenheit des Geschäftsraummieters nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG

Gegenstand des Verfahrens war, ob die Antrag stellende Mieterin, die aufgrund eines Unternehmenskaufs in die Hauptmietverträge ihrer Rechtsvorgänger über zwei verschiedene Geschäftslokale eingetreten war, anlässlich des Abschlusses eines neuen einheitlichen Mietvertrags über diese Geschäftslokale nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG zur Rüge der Überschreitung des Hauptmietzinses anlässlich des Abschlusses dieses Hauptmietvertrags verpflichtet war.

Nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG kann sich ein Unternehmer, der eine Geschäftsräumlichkeit mietet, auf die Überschreitung des zulässigen Höchstmaßes nach § 16 Abs 8 erster Satz MRG nur berufen, wenn er die Überschreitung unverzüglich, spätestens jedoch bei Übergabe des Mietgegenstands gerügt hat. Dadurch soll der Vermieter darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass der Mieter ein Mietzinsüberprüfungsverfahren unter Aufrechterhaltung aller übrigen Bestimmungen des Mietvertrags in Erwägung zieht. Die Unterlassung der gebotenen Rüge führt dazu, dass ein gegebenenfalls über der Angemessenheitsgrenze liegender Hauptmietzins saniert und nicht mehr bekämpfbar ist (RIS-Justiz RS0109327 [T1, T6]).

Dabei hat der Gesetzgeber auf den typischen Fall des Mietvertragsabschlusses vor Übergabe des Mietgegenstands abgestellt. In diesem Fall hat die Rüge zwischen rechtswirksamem Abschluss des Vertrags und Übergabe des Bestandobjekts zu erfolgen (RS0109327 [T4]). Die „Übergabe“ ist regelmäßig der letztmögliche Zeitpunkt der rechtzeitigen Rüge (RS0109327 [T3]). Wenn dem Geschäftsraummieter schon vor Übergabe des Bestandobjekts die für die Festlegung des Hauptmietzinses wesentlichen Faktoren bekannt sind, ist die Überschreitung nicht erst bei Übergabe, sondern – dem Gesetzeswortlaut entsprechend – unverzüglich zu rügen (5 Ob 75/15p = RS0130085). Abzustellen ist daher auf die Kenntnis des Mieters von den mietzinsbildenden Umständen.

Im Fall der Übergabe des Bestandobjekts bereits vor Mietvertragsabschluss hat die Rüge unmittelbar bei Vertragsabschluss zu erfolgen (5 Ob 33/17i), da dem Mieter der Zustand des Bestandobjekts bereits bekannt ist, dient das Zuwarten mit der Rüge keinem vernünftigen Zweck mehr (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Wohnrecht3 § 16 MRG Rz 26; Schinnagl in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht³, § 16 MRG Rz 10).

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, Oktober 2020

WMWP Rechtsanwälte GmbH