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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter November 2018

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

Streitiges Recht

3 Ob 112/18v – Kündigungsgrund: „unleidliches Verhalten“ durch übermäßige Lärmerregung

„Unleidliches Verhalten“ des Mieters iSd § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG ist unter den Tatbestand des § 1118 1. Fall ABGB zu subsumieren (RIS-Justiz RS0020956 [T1]). Unleidliches Verhalten liegt dann vor, wenn das friedliche Zusammenleben durch längere Zeit oder durch häufige Wiederholungen gestört wird (RIS-Justiz RS0067678). Ob das Gesamtverhalten (vgl RIS-Justiz RS0070321) des Mieters unleidlich iSd § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG ist, ist eine Frage der Abwägung im Einzelfall (RIS-Justiz RS0042984).

Das festgestellte Verhalten des Beklagten (regelmäßige Erregung übermäßigen, im gesamten Haus deutlich wahrnehmbaren Lärms, sowohl am frühen Morgen als auch untertags und am Abend, durch teilweise stundenlanges Hören von lauter Musik und Abspielen von [Porno-]Filmen, trotz Ermahnung und auch noch während des laufenden Räumungsverfahrens) war als unleidlich iSd § 30 Abs 2 Z 3 MRG zu qualifizieren.

 

7 Ob 189/17w – Liegt bei einer tageweise angebotenen (und vollzogenen) Vermietung der täglich erzielte Untermietzins um mehr als 100 % über dem auf einen Tageswert umgerechneten Hauptmietzins, so erfolgt die Vermietung gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung

Die beklagten Mieter waren Mieter einer in der Wiener Innenstadt gelegenen, mehr als 200 Quadratmeter großen Wohnung, wobei ein 56,81 m² großer Teil der Wohnung – bestehend aus einem 33,18 m² Zimmer, einer der Küchen und einem Bad – über einen Pawlatschengang separat betreten werden konnte. Dieser Wohnungsteil war seit 2008 untervermietet, wobei dem Untermieter für Internetzugang und ein Antennenanschluss ohne die Verrechnung weiterer Kosten zur Verfügung gestellt wurde. Weiters wurde der untervermietete Wohnungsteil einmal pro Woche geputzt und wurden die Hemden des Untermieters gebügelt, ohne dass auch dafür weiterer Kosten verrechnet worden sind. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung und auch schon davor inserierte die Erstbeklagte auf einer englischsprachigen Internetplattform, in der unter anderem Ferienwohnungen beworben werden, die Wohnung als „atemberaubendes sensationelles Appartement“ („Breathtaking Showstopper Apartment“) im 1. Wiener Bezirk. Sie beschrieb diese als Apartment/Wohnung mit zwei Schlafzimmern und zwei Bädern für maximal elf Personen um – je nach Jahreszeit – EUR 229,— bis EUR 249,– pro Nacht, EUR 1.540,– pro Woche oder EUR 6.600,– pro Monat, zusätzlich EUR15,– pro Person und Nacht für mehr als einen Gast und zuzüglich Reinigungsentgelt pro Aufenthalt von EUR 150,–. Wenn der Untermieter nicht anwesend war, vermieteten die Mieter gelegentlich auch diesen kleineren Teil der Wohnung gemeinsam mit dem Rest für kurze Ferienaufenthalte. Es konnten zahlreiche Gelegenheiten in einem Zeitraum von 4 Monaten festgestellt werden zu denen die Wohnung, für je ein, zwei oder Nächte an eine bis zu elf Personen vermietet worden war. Im Übrigen konnte die Dauer der jeweiligen Aufenthalte und die Anzahl der Personen nicht festgestellt werden. Konkrete Feststellungen zu anderen Vermietungen, insbesondere zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung, konnten nicht getroffen werden. Die erstbeklagte Mieterin war vier- bis fünfmal pro Jahr für einige Tage und zwei- bis dreimal für mehrere Wochen verreist. Die restliche Zeit hielt sie sich in dem Teil der Wohnung, der nicht abtrennbar ist, wenn die Wohnung nicht an Touristen vermietet war und sie nicht auf Reisen war auf, bewohnte und verwendete sie zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände. Der Zweitbeklagte hielt sich im in diesem Zeitraum hingegen nicht in Wien auf.

Die Vermieterin kündigte die Wohnung daraufhin unter anderem aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 4 erster (weil der Mieter die Wohnung ganz oder teilweise weitergegeben habe und nicht zur Befriedigung ihrer eigenen Wohnbedürfnisse oder der eintrittsberechtigter Personen verwenden würde) und zweiter (die Mieter die Wohnung gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung Dritten überlassen hätten) Fall MRG.

Zum Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 1. Fall MRG:

Ob eine regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken vorliegt, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0079241 [T13]). Gemäß § 33 Abs 1 vierter Satz MRG hat dann, wenn gegen die Kündigung Einwendungen erhoben werden, der Vermieter nachzuweisen, dass der behauptete Kündigungsgrund gegeben ist. Beweispflichtig für das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung ist der Vermieter (RIS-Justiz RS0079253; RS0079350 [T8]). Nur wenn ihm der Beweis der fehlenden Benützung zu Wohnzwecken gelingt, ist das vom Mieter behauptete und von diesem zu beweisende dringende Wohnbedürfnis an der Wohnung zu prüfen (RIS-Justiz RS0079350 [T6]). Die Vermieterin konnte in dem Verfahren den Beweis für das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung durch die erstbeklagte Mieterin nicht erbringen. Gründe für eine Beweislastumkehr wurden in diesem Fall nicht erblickt. Die Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG war daher nicht berechtigt.

Zum Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 2. Fall MRG:

Durch diesen Kündigungsgrund soll verhindert werden, dass der Hauptmieter unter Ausnützung des Mieterschutzes einen ihm nicht zustehenden Gewinn erzielt; er soll keinen unbilligen Vorteil ziehen (RIS-Justiz RS0070606) und der Vermieter soll vor „übermäßigem Gewinnstreben“ des Hauptmieters bei der Verwertung des Bestandobjekts geschützt werden (9 Ob 83/17x mwN). Eine „Verwertung“ iSd § 30 Abs 2 Z 4 2. Fall MRG liegt auch darin, dass eine Wohnung bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung – etwa über eine Internet-Buchungsplattform – ständig zur jederzeitigen tage-, wochen- oder monatsweisen Untervermietung angeboten und bei gegebener Nachfrage auch tatsächlich vermietet wird; dies gilt auch dann, wenn die Untervermietung tatsächlich nicht ständig gelingt oder gerade im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung nicht erfolgt. Der zur Beurteilung des Vorliegens einer „unverhältnismäßig hohen Gegenleistung“ anzustellende Vergleich vermögenswerter Leistungen hat in einem solchen Fall nach der kürzesten Dauer zu erfolgen, zu der der Hauptmieter die Wohnung verwertet (zur Untervermietung ständig anbietet). Ob eine Verwertung gegen übermäßiges Entgelt stattfindet, ist in einem solchen Fall danach zu beurteilen, ob der von den Beklagten verlangte und auch vereinnahmte Untermietzins pro Tag mit dem von ihnen gezahlten Hauptmietzins sowie dem – jeweils auf den Tag bezogenen – Wert der von ihnen erbrachten Leistungen und Einrichtungsgegenstände übermäßig hoch ist. Liegt bei einer tageweise angebotenen (und vollzogenen) Vermietung der täglich erzielte Untermietzins um mehr als 100 % über dem auf einen Tageswert umgerechneten Hauptmietzins, so erfolgt die Vermietung gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung auch dann, wenn gemessen am – in Monatsperioden vereinbarten – Hauptmietzins der in Summe in einem Monat erzielte Untermietzins die Unverhältnismäßigkeitsschwelle rechnerisch nicht überschreiten würde.

In diesem Fall ergab die überschlagsmäßige Abschätzung, dass die von den Mietern erzielten Untermieteinnahmen die Hauptmiete und die von ihnen erbrachten Leistungen um ca 190 % bis zu 250 % übersteigen. Dies war als übermäßig hohe Gegenleistung anzusehen, welche den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG verwirklicht.

Außerstreitiges Recht

5 Ob 126/18t – Das Individualrecht des einzelnen Mit- und Wohnungseigentümers auf Auflösung des Verwaltungsvertrags kann nur dann erfolgreich ausgeübt werden, wenn nach dem Verhalten des Verwalters begründete Bedenken gegen seine Treue- und Interessenwahrungspflicht bestehen

Es müssen im Einzelfall Umstände vorliegen, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung so schwer wiegend sind, dass die Wahrnehmung der Interessen der Wohnungseigentümer nicht mehr gesichert ist (RIS-Justiz RS0083249). Lediglich Geringfügige und entschuldbare Fehlleistungen haben hingegen unberücksichtigt zu bleiben (RIS-Justiz RS0083249 [T1]). Mehrere einzelne Pflichtverletzungen des Verwalters, die für sich allein betrachtet noch keine grobe Vernachlässigung der Verwalterpflichten sind, können aber bei einer Gesamtbetrachtung seine Abberufung rechtfertigen (RIS-Justiz RS0083249 [T2]). Für die sofortige Abberufung des Verwalters einer Wohnungseigentumsanlage auf Antrag (nur) eines Miteigentümers sind gravierende, die Vertrauensbasis zerstörende Pflichtverletzungen zu fordern (RIS-Justiz RS0083249 [T4]), dies insbesondere, weil zu berücksichtigen ist, dass durch eine derartige Abberufung der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer – die dem Verwalter weiterhin das Vertrauen schenken – ein Verwalterwechsel aufgezwungen wird (5 Ob 293/07k).

§ 31 Abs 1 WEG 2002 verpflichtet die Wohnungseigentümer zur Bildung einer angemessenen Rücklage zur Vorsorge für künftige Aufwendungen. Die Bildung dieser angemessenen Rücklage ist Maßnahme der ordentlichen Verwaltung (§ 28 Abs 1 Z 2 WEG). Im Fall einer akuten Liquiditätskrise, die die laufende Bewirtschaftung des Objekts gefährdet, steht es dem Verwalter im Rahmen der ordentlichen Verwaltung daher zu, monatliche Vorschreibungen für Betriebskosten und Rücklage auch während des laufenden Jahres zu erhöhen. Der Verwalter hat lediglich durch entsprechende Information den Wohnungseigentümern eine (abweichende) Weisung zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0083581 [T3]; 5 Ob 144/15k). Mehrfach wurde auch bereits ausgesprochen (5 Ob 29/15y; 5 Ob 72/15x), dass selbst der Wegfall eines die Erhöhung der Beiträge zur Rücklage bestimmenden Beschlusses nichts an der Berechtigung des Verwalters ändert, die Höhe der Rücklage selbständig in entsprechender Höhe festzusetzen und vorzuschreiben, was die Minderheit solange bindet, als nicht durch rechtsgestaltenden Beschluss des Außerstreitrichters mit Wirkung ex nunc die Herabsetzung verfügt wird (RIS-Justiz RS0103218). Die Vornahme einer demgemäß als ordentliche Verwaltung zu qualifizierender Maßnahme ohne vorangegangene Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft stellt daher keine Pflichtverletzung der Verwalterin dar. Auch die einmalige Verletzung der zweijährigen Mindestfrist zur Einberufung einer Eigentümerversammlung (§ 25 Abs 1 WEG) im Jahr 2011 sowie nur in geringem Umfang zu verantwortenden Nachlässigkeiten und Versäumnissen bei der Terrassensanierung sind in der Gesamtschau nicht als eine grobe Vernachlässigung der Verwalterpflichten zu beurteilen gewesen.

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, November 2018

WMWP Rechtsanwälte GmbH