Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter November 2024
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Streitiges Recht
5 Ob 96/24i – Keine erhöhten Vergütungszinsen bei Rückabwicklung eines Vertrages
Nach der Auflösung eines Vertrags durch Anfechtung hat gemäß § 877 ABGB jeder Teil alles zurückzustellen, was er aus dem Vertrag zu seinem Vorteil erhalten hat. Die Rechtsfolgen im Einzelnen richten sich nach allgemeinem Bereicherungsrecht (RS0016321; RS0016328). Der Benutzer hat ein dem verschafften Nutzen angemessenes Entgelt zu entrichten (RS0019850). Der redliche Benützer hat grundsätzlich den Vorteil zu vergüten, der nach seinen subjektiven Verhältnissen entstanden ist (RS0020150 [T5]; RS0019883 [T10]).
Nach ständigen Rechtsprechung ist bei der Kondiktion von Leistungen aus gegenseitigen Verträgen, bei denen die Parteien regelmäßig von der Annahme einer Äquivalenz der beiderseitigen Leistungen ausgehen, eine Verpflichtung des redlichen Besitzers, die nach der Herstellung des Austauschverhältnisses bezogenen Früchte und Nutzungen herauszugeben, zu verneinen. Der Schuldner einer Geldleistung hat – sofern die erwähnte Pauschalverrechnung der jeweils bezogenen Früchte und Nutzungen nicht zur Anwendung kommen kann – „Vergütungszinsen“ (Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme; vgl RS0032078) zu zahlen; dies in Höhe der gesetzlichen Zinsen (RS0032078 [T2]; nach Riedler [in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 877 Rz 21 mwN] hat der redliche Kondiktionsschuldner die Zinsen in der Regel nur dann zu vergüten, wenn er sie tatsächlich bezogen hat, oder bei objektivem Verzug).
Die Geldleistung der Beklagten war die Gegenleistung für den Erwerb der im – nunmehr rechtskräftig wegen Wuchers betreffend die Wohnung und wegen laesio enormis betreffend den Abstellplatz aufgehobenen – Kaufvertrag bezeichneten Liegenschaftsanteile. Ein vereinbarter Zweck der Geldleistung im Sinn einer Zurverfügungstellung zur Abdeckung einer offenen Schuld (etwa durch Gewährung eines Darlehens an die Klägerin) lässt sich daraus gerade nicht entnehmen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach der kein Rechtsgrund dafür vorliege, der Klägerin als redlicher Bereicherungsschuldnerin höhere Vergütungszinsen aufzuerlegen, war daher nicht korrekturbedürftig.
5 Ob 108/24d – Rechtsstreitigkeiten zwischen servitutsberechtigten Liegenschaftseigentümern des herrschenden Guts und den Liegenschaftseigentümern des dienenden Guts über Bestand und Ausmaß der Servitut sind im Fall einer Personenmehrheit sind nur von und gegen alle zu verfolgen
Verlangt der Kläger eine Entscheidung des Gerichts über den (Nicht-)Bestand des vom Beklagten angemaßten Rechts, ist zu fragen, ob das betreffende Recht auch wirklich nur ihm gegenüber verneint werden kann. Das Bestehen einer Grunddienstbarkeit, die nur den Miteigentumsanteil des Klägers am dienenden Grundstück belastet, nicht aber die ideellen Anteile der übrigen Miteigentümer, ist – abgesehen von hier nicht vorliegenden Sonderfällen im Wohnungseigentum (vgl 5 Ob 238/18p) – rechtlich unmöglich (5 Ob 2036/96i mwN). Ebenso wie einer von mehreren Miteigentümern allein für das gemeinschaftliche Gut keine Grunddienstbarkeiten erwerben kann (RS0012092), kann die Dienstbarkeit eines im Miteigentum stehenden dienenden Guts nur durch alle Miteigentümer eingeräumt werden (RS0011528 [T1, T3, T7]). Beim Rechtsstreit zwischen servitutsberechtigten Liegenschaftseigentümern des herrschenden Guts und den Liegenschaftseigentümern des dienenden Guts über Bestand und Ausmaß der Servitut ist daher im Fall einer Personenmehrheit aufgrund der Miteigentümereigenschaft ein Anspruch nur von und gegen alle zu verfolgen, sie bilden eine einheitliche Streitpartei (RS0101793). Auch die Klage auf Löschung einer das gemeinsame Gut belastenden (Grund-)Dienstbarkeit ist von allen Miteigentümern zu erheben (RS0101793 [T5]).
Außerstreitiges Recht
5 Ob 75/24a – Zur Betriebskostenabrechnung
Bei Betriebskostenpauschalraten, die gemäß § 21 Abs 3 MRG vorgeschrieben werden und deren Höhe von den im tatsächlichen Vorschreibungsjahr dem Vermieter entstehenden Betriebskosten unabhängig ist, handelt es sich nach der Rechtsprechung (RS0070107) nicht um die (echte) Akontierung auflaufender Betriebskosten, sondern um selbständige gesetzliche Mietzinsbestandteile, die als solche ohne Rücksicht auf die spätere Abrechnung geschuldet werden, solange die Voraussetzungen des § 21 Abs 3 MRG für die Jahrespauschalverrechnung erfüllt sind. Die Unabhängigkeit der Pauschalraten von der tatsächlichen Höhe der im Jahr der Pauschalvorschreibung aufgelaufenen Betriebskosten geht so weit, dass Schuldner der Pauschalraten die Mieter der betreffenden Mietgegenstände im Zeitpunkt der Vorschreibung der Pauschalraten sind, wogegen Schuldner (bei einem Betriebskosten-Passivsaldo) oder Gläubiger (bei einem Betriebskostenüberschuss) des sich im Fall der Pauschalvorschreibung aus der nach § 21 Abs 3 MRG spätestens zum 30. 6. des Folgejahres vom Vermieter zu erstellenden Abrechnung ergebenden Fehlbetrags bzw Überschusses diejenigen Personen sind, die zu diesem maßgeblichen Stichtag Mieter dieser Mietgegenstände sind (RS0070097; RS0070107).
Die Vorlage der Abrechnung kann durch jeden Mieter im Sinn des § 20 Abs 4 MRG im außerstreitigen Verfahren nach §§ 37 ff MRG ausschließlich gegenüber dem jeweiligen Vermieter erzwungen werden kann, was auch im Fall eines Betriebskostenüberschusses für die Rückforderung durch den Mieter gilt (5 Ob 196/97b). Ein Antrag auf Überprüfung einer Betriebskostenabrechnung für noch nicht abgerechnete Perioden ist daher im Fall eines Eigentümerwechsels gegen den neuen (Allein-)Eigentümer zu richten und nicht gegen frühere (Mit-)Eigentümer, in deren Eigentümerschaft zwar die Abrechnungsperiode fällt, die aber keinen Einfluss darauf haben, welche Positionen der Abrechnende in die Betriebskostenabrechnung aufnimmt und die von zahlungsmäßigen Auswirkungen der Abrechnung im Verhältnis zu den Mietern nicht betroffen sind. Auch allfällige interne Regressansprüche zwischen neuen und alten Eigentümern sind für die Beantwortung der Frage, gegen wen der Mieter seinen Überprüfungsantrag zu richten hat, bedeutungslos (RS0107962). Demgemäß hat die Abrechnung und die Rückzahlung des Betriebskostenüberschusses an den/die Mieter bei einem Vermieterwechsel derjenige zu erbringen, der in diesem Zeitpunkt Vermieter ist, und nicht der vormalige Vermieter (5 Ob 163/01h; 3 Ob 249/04w).
Für den Anspruch des Hauptmieters auf Betriebskostenabrechnung im Sinn des § 21 Abs 3 zweiter Satz MRG gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist. Die analoge Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 34 Abs 1 WEG, § 5 Abs 4 KlGG und § 27 Abs 3 MRG scheidet mangels planwidriger Unvollständigkeit des MRG aus.
5 Ob 137/24v – Genehmigung einer Klimaanlage durch den Vermieter
Voraussetzung für die Genehmigung einer vom Mieter geplanten wesentlichen Veränderung ist unter anderem, dass diese Veränderung der Übung des Verkehrs entspricht und einem wichtigen Interesse des Hauptmieters dient (§ 9 Abs 1 Z 2 MRG). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass diese beiden Voraussetzungen kumulativ vorhanden sind, trifft den Mieter (RS0069551 [T2]). Nur bei den nach § 9 Abs 2 Z 1 bis 5 MRG privilegierten Arbeiten wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen unwiderlegbar vermutet. Die Errichtung einer Außenklimaanlage zählt nicht zu solchen privilegierten Veränderungen.
Die Wohnung entspricht aufgrund ihrer Ausstattung mit Außenrollläden und Vollwärmeschutz grundsätzlich den normativen Vorgaben für die Vermeidung sommerlicher Überwärmung (5 Ob 245/18t). Vor diesem Hintergrund kann aus der allgemeinen Lebenserfahrung keineswegs auf die Verkehrsüblichkeit der vom Antragsteller beabsichtigten Maßnahme geschlossen werden. Die vom Rekursgericht in seinem Zulassungsausspruch und vom Antragsteller angesprochene Klimaentwicklung („Erderwärmung“) vermag den für eine Bejahung der Verkehrsüblichkeit erforderlichen Tatsachenbeweis daher nicht zu ersetzen (vgl 5 Ob 29/21v).
Ob eine vom Mieter beabsichtigte Veränderung der Übung des Verkehrs entspricht, richtet sich nach objektiven Umständen. Auf persönliche Bedürfnisse des Mieters kommt es dabei nicht an (RS0069695 [T1; T2]). Damit spricht der Antragsteller mit seiner Forderung nach einer Auslegung des § 9 MRG, die den „technischen Entwicklungen und den dadurch geschaffenen neuen Bedürfnissen“ von „Mietern im Vollanwendungsbereich des MRG“ gerecht werde, keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG an.
Dr. Iris Mutz
Wien/Klagenfurt, November 2024
WMWP Rechtsanwälte GmbH