vienna@actlegal-wmwp.com   VIENNA +43 (1) 5125955
klagenfurt@actlegal-wmwp.com   KLU +43 (463) 591638

Single Blog Title

This is a single blog caption

Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Mai 2020

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

STREITIGES RECHT

6 Ob 192/19g – Voraussetzung für die Wirksamkeit der Befristung bei einem Mietvertrag ist die Einhaltung der Schriftform

Voraussetzung für die Wirksamkeit der Befristung bei einem Mietvertrag ist gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG die Einhaltung der Schriftform (RS0112243). Bei einem zweiseitig verbindlichen Vertrag wie dem Zeitmietvertrag ist dem Formerfordernis der Schriftlichkeit grundsätzlich nur dann entsprochen, wenn beide Parteien den Vertrag unterzeichnet haben (RS0017232; RS0101797 [T1]; vgl RS0014174 [T1]; Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4 § 886 Rz 9; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch³ § 29 MRG Rz 23; Würth/Zingher/Kovanyi I23 § 29 MRG Rz 12). Die eigenhändige Unterfertigung der Befristungsvereinbarung durch die Parteienvertreter steht der Unterfertigung durch die Partei gleich (vgl zur Bevollmächtigung RS0017983).

*

6 Ob 234/19h – Rechnungslegungspflicht des Vermieters über die fruchtbringende Anlage der Kaution

§ 16b MRG ist mit 1. 4. 2009 in Kraft getreten und gemäß § 49f Abs 2 MRG auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor dem 1. 4. 2009 abgeschlossen wurden. § 16b Abs 1 Satz 2 MRG normiert eine Informationspflicht des Vermieters über die fruchtbringende Anlage der Kaution, wobei § 16b MRG die dem Vermieter aus der Veranlagung einer übergebenen Kaution resultierenden Pflichten nicht abschließend regelt. Die vom Vermieter auf Verlangen zu erteilende Auskunft muss präzise und konkretisiert sein und jedenfalls Angaben über das Kreditinstitut, die Art der Veranlagung, Datum der Veranlagung und Nummer der Spareinlage oder des Kontos enthalten, weil der Mieter nur an Hand dieser Auskünfte im Fall einer Vermieterinsolvenz von seinem Absonderungsrecht Gebrauch machen kann. Kommt es aufgrund eines Vermieter- oder Verwalterwechsels zu einer Änderung der ursprünglichen Veranlagung, ist der Mieter auch darüber zu informieren. Über diese Informationspflicht hinaus trifft den Vermieter aber auch die vertragliche Nebenpflicht, jederzeit über Verlangen des Mieters über die fruchtbringende Anlage der Kaution Rechnung zu legen und Auskunft über den Stand des Kautionskontos zu geben. Die Veranlagungspflicht hat auftragsrechtlichen Charakter, weshalb der Vermieter als Auftragnehmer im Sinn des § 1012 ABGB über Verlangen rechnungslegungspflichtig ist.

Der Vermieter muss dem Mieter bis 30. Juni eines jeden Jahres über die Höhe des in dem vorangegangenen Kalenderjahr angefallenen Zinsenbetrags eine Abrechnung geben (5 Ob 88/85 (= JBl 1987, 248 = MietSlg 38/55; RS0011283), um Klarheit über die Höhe des jeweiligen Rückforderungsanspruchs des Kautionsgebers zu schaffen.

Nach dem Ende des Mietverhältnisses hat der Vermieter dem Mieter die Kaution samt den aus ihrer Veranlagung erzielten Zinsen unverzüglich zurückzustellen, soweit sie nicht zur Tilgung berechtigter Forderungen des Vermieters herangezogen werden. Es sind die tatsächlich erzielten Zinsen, nicht bloß branchenüblich erzielbare Zinsen herauszugeben.

Eine fiktive Veranlagung („Kautionsrechner“) entspricht weder der Informationspflicht des § 16b Abs 1 Satz 2 MRG, noch der aus § 1012 ABGB abgeleiteten Rechnungslegungsverpflichtung.

*

10 Ob 46/19s – Gerichtliche und außergerichtliche Kündigung eines Mietverhältnisses

Nach dem Tod des Stiefvaters des Beklagten besuchte der Beklagte das Geschäftslokal der Mieterin und erklärte, dass er die Vermieterstellung des Stiefvaters übernehme. Er übergab der Mieterin einen Zettel mit seinen Bankdaten und der Bitte, die zukünftig fällig werdenden Mietzinse auf dieses Konto anzuweisen. Die Klägerin überwies die laufenden Mietzinszahlungen von da ab auf das Konto des Beklagten.
In einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren der Mieterin erhob der Beklagte Einwendungen. Die Gewerbebehörde genehmigte die Anlage in dem von der Mieterin beantragten Umfang jedoch dennoch.
Als Reaktion auf die Einwendungen des Beklagten kündigte die Mieterin das Mietverhältnis gegenüber dem Beklagten auf. Da der Beklagte diese Kündigung nicht akzeptierte, brachte die Mieterin die gerichtliche Aufkündigung ein.

Wenn der mit dem Stiefvater abgeschlossene Mietvertrag als Untermietvertrag zu qualifizieren ist, ist die Mieterin nicht ex lege in diesen eingetreten. Ob ein Bestandvertrag zwischen den Streitteilen rechtsgeschäftlich vereinbart worden sei, konnte aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht geschlossen werden; die Weiterzahlung der Mietzinse allein genügt dafür nicht.

Aus § 560 Abs 1 ZPO ergibt sich, dass Voraussetzung für eine gerichtliche Aufkündigung das Vorliegen eines Bestandvertrags ist. Ob ein Bestandvertrag vorliegt, ist nach den Regeln des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Stellt sich im Aufkündigungsverfahren nach der Erhebung von Einwendungen durch den Kündigungsgegner heraus, dass in Wahrheit kein Bestandverhältnis vorliegt, mangelt es an einer Erfolgsvoraussetzung. Die Aufkündigung ist in diesem Fall aufzuheben (Lovrek in Fasching/Konecny IV/1³ § 560 ZPO Rz 8 mwH). Fehlt es daher an einem Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen, weil ein solches hier nicht vereinbart oder fortgesetzt wurde, könnte der gerichtlichen Aufkündigung kein Erfolg beschieden sein. Eine Kündigung ist aber auch dann für rechtsunwirksam zu erklären, wenn eine dasselbe Bestandverhältnis betreffende, zu einem früheren Kündigungstermin eingebrachte Kündigung bereits rechtswirksam das Bestandverhältnis aufgelöst hat. Es fehlt in diesem Fall denknotwendig an der Möglichkeit, das Bestandverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufzulösen (RS0020941).
Gemäß § 1117 ABGB ist der Bestandnehmer berechtigt, auch vor Ablauf der bedungenen Zeit den Vertrag vorzeitig aufzulösen, wenn das Bestandstück zum bedungenen Gebrauch untauglich ist oder ein beträchtlicher Teil davon durch Zufall auf längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Die Auflösungserklärung kann auch außergerichtlich erfolgen und wirkt ex nunc (Iro/Rassi, KBB5 § 1117 ABGB Rz 3).

Geht man zugunsten der Klägerin davon aus, dass der von ihr behauptete wichtige Auflösungsgrund gemäß § 1117 ABGB vorliegt – was nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht gesagt werden konnte – wäre eine solche Aufkündigung außergerichtlich als „gelinderes Mittel“ gegenüber der Geltendmachung einer Auflösungserklärung mit sofortiger Wirkung auch ohne Termin und Frist zulässig (8 Ob 86/06i; Lovrek in Rummel/Lukas4 § 1116 ABGB Rz 7 mwH). Sie hätte in diesem Fall das Bestandverhältnis – sei es befristet, sei es unbefristet vereinbart gewesen – spätestens zum 31. 12. 2017 beendet.

Die gerichtliche Aufkündigung wurde am 29. 12. 2017 beim Erstgericht eingebracht. Sie nennt als Kündigungstermin den 31. 12. 2017 (und als Kündigungsfrist sechs Monate). Die gerichtliche Aufkündigung wurde dem Beklagten nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens am 18. 1. 2018 zugestellt. Der Beklagte hat in seinen Einwendungen gegen die Aufkündigung die Verspätung inhaltlich gerügt.

Geht man – was nach dem Vorbringen der Mieterin möglich wäre – vom Vorliegen eines gerichtlich aufkündbaren unbefristeten Bestandvertrags aus, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass diesfalls die Kündigung verspätet wäre, sodass die außergerichtliche Auflösungserklärung der Mieterin vom 3. 12. 2017 das Bestandverhältnis jedenfalls vor der gerichtlichen Aufkündigung aufgelöst hätte.
Geht man hingegen vom Abschluss oder der Fortsetzung eines wirksam befristeten Bestandverhältnisses zwischen den Parteien aus – was ebenfalls nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden kann – so ist ein solcher Vertrag durch gerichtliche Aufkündigung nur dann auflösbar, wenn eine solche Auflösungsmöglichkeit vertraglich vereinbart war (RS0020734). Der Ausnahmefall des § 29 Abs 2 MRG liegt hier nicht vor. Eine Behauptung, dass in einem neu vereinbarten oder fortgesetzten befristeten Bestandvertrag eine Kündigungsmöglichkeit für die Klägerin vereinbart gewesen sei, haben die Parteien nicht aufgestellt. Geht man auch hier zugunsten der Klägerin vom Vorliegen eines wichtigen Auflösungsgrundes im Sinn des § 1117 ABGB aus und sieht die gerichtliche Aufkündigung als „gelinderes Mittel“ zur sofortigen Auflösungserklärung an, könnte diese Erklärung dennoch keinesfalls vor ihrer Zustellung an den Beklagten am 18. 1. 2018 Wirksamkeit erlangen.


AUSSERSTREITIGES RECHT

5 Ob 176/19x – Der vor der Schlichtungsstelle vorgebrachte anspruchsbegründende Sachverhalt darf vor Gericht nicht erweitert werden

Die Vermieterin beantragte bei der Schlichtungsstelle festzustellen, dass der Mieter verpflichtet ist, gemäß § 8 Abs 2 MRG den Zutritt zu dem von ihm gemieteten Mietgegenstand durch die Antragstellerin bzw die von ihr beauftragten Firmen nach Terminankündigung „zum Zweck der Durchführung der beantragten notwendigen Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten im Mietgegenstand bei sonstiger Exekution zu dulden“. Dies wurde damit begründet, dass der „Antragsgegner trotz mehrmaliger Aufforderung dringende Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten im Zug der Sanierung, insbesondere den Tausch der Wohnungseingangstür (entspricht nicht den Sicherheitsbestimmungen) im Objekt nicht zulasse“. Eine weitere Konkretisierung oder Präzisierung des Antrags und Vorbringens erfolgte im Schlichtungsstellenverfahren trotz Auftrag nicht.

Die Schlichtungsstelle wies den Antrag ab, da eine Reparaturbedürftigkeit der Wohnungseingangstür nicht behauptet worden sei, sodass keine Erhaltungsarbeit und keine Verbesserungsarbeit iSd § 4 MRG vorliege.

Die Antragstellerin rief daraufhin das Gericht an und führte in diesem Verfahren erstmals aus, Gegenstand des Verfahrens sei das Begehren der Antragstellerin, das Betreten und die vorübergehende Benützung des Mietgegenstands des Antragsgegners zum Zweck der Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen, nämlich des Austauschs der Eingangstür durch eine Brandschutztür zu dulden. Verbesserte Brandschutzeinrichtungen stellten Verbesserungsmaßnahmen iSd § 4 MRG dar.

Die Bestimmung des § 39 MRG und die dort angeordnete sukzessive Zuständigkeit bezweckt in erster Linie die Entlastung der Gerichte durch den Einsatz der in den Gemeinden eingerichteten Schlichtungsstellen für Mietangelegenheiten. Dieser vom Gesetz ausdrücklich genannte Zweck würde aber gänzlich unterlaufen und die Anrufung der Schlichtungsstelle zu einem Formalakt verkommen, könnten entscheidende Änderungen des Sachvorbringens und Begehrens (deren Unterlassung zur Abweisung des Antrags vor der Schlichtungsstelle führte) im gerichtlichen Verfahren noch nachgeholt werden. Hier wurde der Tausch der Wohnungseingangstür genannt. Näheres Vorbringen dazu, welchen konkreten Sicherheitsbestimmungen diese nicht (mehr) entsprechen soll, fehlte aber. Dass die Antragstellerin den Einbau einer Brandschutztür beabsichtigt, ergibt sich aus dem Vorbringen im Schlichtungsstellenverfahren nicht. Dies hat zur Folge, dass der erst durch ergänzendes Vorbringen bei Gericht schlüssig gestellte und neu formulierter Antrag nicht als bei der Schlichtungsstelle anhängig gemacht betrachtet werden kann. Damit haben die Vorinstanzen über etwas anderes entschieden als Gegenstand des Antrags bei der Schlichtungsstelle war, was die Nichtigkeit des Verfahrens und die – amtswegig wahrzunehmende – Mangelhaftigkeit der Entscheidungen nach § 56 Abs 1 AußStrG sowie deren Beseitigung zur Folge hat; der erst im gerichtlichen Verfahren gestellte präzisierte Antrag hingegen war zurückzuweisen (5 Ob 124/07g; RS0070401).

*

5 Ob 195/19s – Anhebung des Hauptmietzinses aufgrund Machtwechsel beim Mieter

Die Vermieterin beantragte die Festsetzung des angemessenen monatlichen Hauptmietzinse gemäß § 12a Abs 3 MRG.

Die auf einen angeblichen Machtwechsel im Jahr 1997 gestützten Anträge auf Mietzinsanhebung wurden zurückgewiesen, da die gesellschaftsrechtlichen Änderungen im Jahr 1997 nicht Gegenstand des Schlichtungsverfahrens gewesen waren. Auch hier waren die im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten anspruchsbegründenden Tatsachen abweichend von jenen im Antrag vor der Schlichtungsstelle.

Die auf einen angeblichen Machtwechsel im Jahr 2013 gestützten Anträge wies das Erstgericht mangels Erfüllung des Tatbestands des § 12a Abs 3 MRG ab. Voraussetzung für eine Anhebung des Hauptmietzinses ist eine Änderung der Einflussmöglichkeit innerhalb der betroffenen Mietergesellschaft, die kumulativ sowohl für den rechtlichen als auch für den wirtschaftlichen Bereich gegeben sein muss (Machtwechseltheorie). Eine bloße rechtliche Änderung, mit der eine wirtschaftliche nicht einhergeht, berechtigt demgegenüber nicht zur Mietzinsanhebung. Ein derartiger Machtwechsel in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht wird grundsätzlich dann bejaht, wenn es zum „Kippen der Mehrheitsverhältnisse“ gekommen ist (RS0069560 [T26]; RS0111167). Jede andere Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft (juristischen Person) bedarf der Darlegung besonderer Umstände, um sie als „entscheidend“ im Sinn des § 12a Abs 3 MRG qualifizieren zu können (RS0108983). Auch das Kippen der Mehrheitsverhältnisse indiziert einen Machtwechsel lediglich, die konkreten Auswirkungen sind jeweils im Einzelfall zu prüfen (RS0125715; RS0108983 [T12]; RS0118809 [T1]). Auch die Änderung auf Ebene jener (Konzern-)Gesellschaft reicht aus, die aufgrund von Beteiligungen einen beherrschenden Einfluss auf die Mietergesellschaft ausübt (RS0111296 [T10]; RS0069558 [T19]). Im Fall einer fremdnützigen Treuhand tritt bei der Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft vom Treugeber auf den Treuhänder und umgekehrt keine Änderung der wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit ein (RS0116611). Auch die gleichzeitige Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien jener AG, die Mehrheitsgesellschafterin der Erstantragsgegnerin ist, indiziert keinen Machtwechsel, weil hier nach dem festgestellten Sachverhalt die gleiche Person der Eigentümer der Aktien blieb.

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, Mai 2020

WMWP Rechtsanwälte GmbH