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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter März 2023

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


Streitiges Recht

3 Ob 208/22t – Das Superädifikat, das nicht der Befriedigung des Wohnbedürfnisses dient, sondern nur als Sommerhaus benutzt worden ist, unterliegt aufgrund des Vertragsabschlusses im August 1997 nicht dem MRG

Die Zweitbeklagte und ihr verstorbener Ehemann schlossen mit den Rechtsvorgängern der Klägerin im Jahr 1971 einen als „Pachtvertrag“ titulierten, mit 25 Jahren (bis 14. August 1996) befristeten Bestandvertrag über eine Grundstücksfläche, auf der sie in der Folge vereinbarungsgemäß eine Badehütte errichteten. Am 4. August 1997 vereinbarten die Vertragsparteien eine Verlängerung des Vertrags um weitere 25 Jahre rückwirkend zum 14. August 1996.

Bei der Beurteilung, ob das Mietrechtsgesetz zur Anwendung zu kommen hat, ist auf die Rechtslage zur Zeit der Verlängerung des Bestandvertrags abzustellen. Danach fallen Wohnungen oder Wohnräume, die vom Mieter – wie hier von den Beklagten – bloß als Zweitwohnung zu Zwecken der Erholung oder der Freizeitgestaltung gemietet werden, nicht in den Anwendungsbereich des MRG (§ 1 Abs 2 Z 4 MRG). Eine analoge Anwendung der Rechtsfolgen des MRG kommt von vornherein nur in Betracht, wenn kein Ausnahmefall des § 1 Abs 2 bis 4 MRG vorliegt (vgl RS0069261 [T9]; vgl auch RS0020986 [T6]).

4 Ob 205/22h – Räumung einer Krisenwohnung

Die kirchliche karitative Einrichtung, die Menschen in Not Krisenwohnungen zum Schutz vor Obdachlosigkeit anbietet, begehrte die Räumung einer Krisenwohnung. Der Beklagte wurde über eine Notschlafstelle an die Klägerin vermittelt, woraufhin die beiden Streitteile beginnend mit 5. 6. 2020 einen Untermietvertrag über eine von der Klägerin gemietete Wohnung für den Zeitraum von maximal sechs Monaten schlossen, sodass er spätestens am 5.11.2020, ohne dass es einer Kündigung bedurfte, endete.  Der wöchentliche Kontakt mit den Sozialbetreuern und der Sozialarbeiterin war Bedingung für die Wohnungsnahme.  Anfänglich akzeptierte der Beklagte die Betreuungsmaßnahmen in weiterer Folge lehnte er die Betreuungsmaßnahmen jedoch trotz der Bemühungen der Sozialarbeiterin zunehmend ab.

Aufgrund psychischer Beeinträchtigung des Beklagten wurde ihm am 3. 8. 2020 ein Rechtsanwalt als gerichtlicher Erwachsenenvertreter mit dem Wirkungskreis unter anderem der Vertretung in Mietrechtsangelegenheiten und die Vertretung in gerichtlichen Verfahren bestellt.

Aufgrund der in diesem Fall bestehenden Ausnahmesituation wurde der Mietvertrag trotz des Verhaltens des Beklagten bis Ende des Jahres verlängert. Am 1. 12. 2020 teilte die Leiterin dem Erwachsenenvertreter mit, dass ein längerfristiges Wohnen in der Krisenwohnung nicht möglich sei, da der Beklagte nicht zur Zielgruppe gehöre und auch die Mietvertragsdauer bereits überschritten sei. Außerdem wies sie darauf hin, dass der Mietvertrag mit Ende Dezember ende. Die Klägerin hatte weiterhin darauf hingewirkt, dass der Beklagte freiwillig ausziehe und eine andere Wohnmöglichkeit finde. Da es Ende des Jahres 2020 absehbar war, dass der Beklagte nicht ausziehen wollte, wurde mit dem Erwachsenenvertreter mündlich die Räumung für den 12. 1. 2021 vereinbart. Diese konnte aufgrund der strikten Weigerung des Beklagten dann aber nicht vollzogen werden. Am 1. 2. 2021 wurde zwischen der Klägerin und dem Erwachsenenvertreter eine „Verlängerung des Untermietvertrages […] in Ergänzung bzw Änderung des bestehenden Untermietvertrages“ rückwirkend vom 1. 1. 2021 bis zum 30. 6. 2021 vereinbart, wonach der Bestandgegenstand ohne vorherige Kündigung spätestens am letzten Tag des Mietverhältnisses von persönlichem Inventar geräumt und gereinigt an die Untervermieterin zu übergeben ist, wobei alle anderen Punkte des ursprünglichen Untermietvertrags unverändert gültig blieben. Die Klägerin stellte am 16. 6. 2021 einen Antrag nach § 567 ZPO auf Erlassung eines Auftrags zur Übergabe des Bestandgegenstands bis 30. 6. 2021, der vom Erstgericht am 17. 6. 2021 erlassen wurde. Der Beklagte wendete sich gegen diesen Übergabeauftrag.

Nach § 1 Abs 2 Z 1a MRG fallen Wohnungen oder Wohnräume, die von einer karitativen oder humanitären Organisation im Rahmen sozialpädagogisch betreuten Wohnens vermietet werden, nicht in den Anwendungsbereich des MRG. Für die Erfüllung der Voraussetzung des § 1 Abs 2 Z 1a MRG kommt es auf die Ausstattung und das Angebot des karitativen oder humanitären Vermieters an, die ihn in die Lage versetzen, das Wohnangebot mit sozialpädagogischen Betreuungsleistungen für den konkreten Mieter zu verbinden. Kommt dann das Betreuungsverhältnis aus in der Sphäre des Mieters liegenden Gründen faktisch nicht zustande oder erreicht es aus nicht vom Vermieter zu verantwortenden Gründen nicht oder nicht vollständig sein Ziel, steht dies der Annahme einer nicht in den Anwendungsbereich des MRG fallenden Vermietung iSd § 1 Abs 2 Z 1a MRG nicht entgegen. Dies gilt umso mehr in einem Fall wie hier, in dem ein Anwalt als gerichtlicher Erwachsenenvertreter durch sein Verhalten Vertrauen auf das Bestehen einer bestimmten Sach- oder Rechtslage, nämlich die Krisenwohnung zu den bisherigen Bedingungen iSd § 1 Abs 2 Z 1a MRG kurzfristig für den Betroffenen erhalten zu wollen, erweckt hat. Nunmehr den Standpunkt einzunehmen, dass Absicht und Äußerungen des Beklagten darauf gerichtet gewesen wären, einen „normalen“ Untermietvertrag abzuschließen, gerade weil er sich nicht an die vertraglich übernommenen Verpflichtungen halte, die sozialpädagogischen Betreuungsleistungen anzunehmen, wäre in diesem Lichte als widersprüchliches und damit im Ergebnis rechtsmissbräuchliches Verhalten (venire contra factum proprium) anzusehen (vgl eingehend 2 Ob 214/11a mwN). Auch die nach dem Scheitern der Versuche, den Beklagten zum Auszug zu bewegen, getroffene Verlängerungsvereinbarung ungeachtet des Umstands, dass zu diesem Zeitpunkt eine sozialpädagogische Betreuung des Beklagten faktisch nicht stattgefunden haben mag, unterliegt der Vollausnahme nach § 1 Abs 2 Z 1a MRG.

Weiters hatte die Klägerin in hinreichendem zeitlichen Zusammenhang zum ersten Endtermin im November 2020 (vgl RS0020804) vorerst unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass ihr an einer Fortsetzung des bisherigen Vertrags nicht gelegen sei (vgl RS0020764 [T6, T7]), dass sie aber aufgrund der Ausnahmesituation des Beklagten einer Verlängerung bis Jahresende zustimme; weiters durfte sie erwarten, dass der Beklagte der Zusage seines Erwachsenenvertreters gemäß am 12. 1. 2021 die Wohnung räume. Dies kann nach dem objektiven Erklärungswert keinesfalls dahin verstanden werden, dass damit ein neuer Bestandvertrag zustande gekommen wäre. Bei objektiver Würdigung des Verhaltens der Klägerin besteht kein Zweifel an ihrer ernstlichen Ablehnung einer Vertragserneuerung (vgl RS0020764 [T8]), womit sich auch die Deutung ihres Verhaltens iSd §§ 1114 f ABGB, § 569 ZPO verbietet (vgl 4 Ob 190/20zHöllwerth in GeKo Wohnrecht I § 1114 ABGB [2017] Rz 21 mit weiteren Beispielen aus der Rsp; vgl auch Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1115 [2017] Rz 17 f [zu § 575 Abs 2 ZPO]).

Daran ändert auch nichts, dass die Klägerin ab Jänner 2021 oder nach dem 30. 6. 2021 die Zahlung eines Betrags in Höhe des vereinbarten Mietzinses entgegennahm: Ein Bestandnehmer, der entgegen § 1109 ABGB mit der Rückstellung des Bestandobjekts säumig ist, hat nämlich für die vertragswidrig und daher rechtswidrig in Anspruch genommene Objektbenützung aus dem Rechtsgrund des § 1041 ABGB – ohne Rücksicht auf Verschulden – als angemessenen Geldausgleich ein Benützungsentgelt in Höhe des Bestandzinses zu leisten (RS0030282RS0019909RS0019883 ua). Zusammengefasst unterliegt der hier gegenständliche, mit 30. 6. 2021 endende Vertrag der Vollausnahme nach § 1 Abs 2 Z 1a MRG.

5 Ob 78/22i – Die Räumung und Übergabe eines ideellen Anteiles einer Liegenschaft ist nicht möglich

Der Kläger ist Eigentümer von Anteilen einer Liegenschaft, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung 10 Stiege 1 des darauf errichteten Mehrparteienhauses untrennbar verbunden ist. Der Beklagte ist Eigentümer von 37/1602 Anteilen mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung 9 Stiege 1 verbunden ist. In natura ist die Trennung zwischen den Wohnungen Nr 9 und 10 so ausgeführt, dass ein Raum bzw Raumteil im Ausmaß von etwa 1,4 m², der nach dem Baukonsens Bestandteil der Wohnung 10 sein sollte, in den Wohnungsverband der top Nr 9 einbezogen wurde.

Das Hauptbegehren des Klägers auf Übergabe der in den Wohnungsverband des Beklagten einbezogenen Fläche wurde abgewiesen. Es wurde aber der eventualiter begehrten Zustimmung zur Beseitigung und Herstellung des dem Baukonsens entsprechenden Zustands stattgegeben.

Das Hauptbegehren scheiterte schon daran, dass es rechtlich unmöglich ist, dem Kläger ein Nutzungsrecht an einem im Wohnungsverband der Top Nr 9 gelegenen unselbständigen Raumteil zu verschaffen. Ein auf Übergabe einer solchen Fläche gerichtetes Urteil wäre nicht vollziehbar, denn der Kläger begehrt vom Beklagten nicht die Übergabe eines Wohnungseigentumsobjekts, sondern die Übergabe einer Fläche von etwa 1,4 m², die in dessen Wohnungseigentumsverband integriert ist. Ein ausschließliches Nutzungsrecht an dieser Fläche kann der Kläger, solange dieser Teil der Wohnung des Beklagten ist, nicht wahrnehmen. Indem sich der Kläger sich zur Begründung dieses Anspruchs auf seinen Mindestanteil beruft, machte er damit in Wahrheit ein aus dem ideellen Miteigentum abgeleitetes Recht geltend. Eine Übergabe von aus dem ideellen Miteigentum abgeleiteter Rechte ist aber nicht möglich (RS0004394). Das Hauptbegehren war auch mit dem Hinweis auf dessen mangelnde Exekutierbarkeit abzuweisen. Das Eventualbegehren war hingegen berechtigt: Der Titel zum Erwerb von Wohnungseigentum liegt im Regelfall im Wohnungseigentumsvertrag, wobei die Widmung die dem Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungsbefugnisse festlegt. Der Wohnungseigentumsvertrag ist nach seinem Wortlaut objektiv auszulegen, woraus in diesem Fall folgte, dass von einer Zuordnung der Flächen entsprechend dem Nutzwertgutachten und damit von einer Widmung der strittigen Fläche zugunsten der Wohnung Top Nr 10 (Wohnung des Klägers) auszugehen war. Für eine (ausdrückliche) Willenseinigung aller Miteigentümer, von dieser Widmung abzugehen, gab es keine Anhaltspunkte. Eine konkludente Willenseinigung scheiterte schon daran, dass die Abweichung vom Baukonsens den übrigen Miteigentümern nicht bekannt gewesen ist. Eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer zu den baulichen Änderungen und/oder Widmungsänderungen scheidet daher aus. Die Interessenslage der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer bei Versetzen einer Trennwand zwischen Wohnungen, hätte aber jedenfalls eine solche Einigung erfordert.

Nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, nimmt er also Änderungen im Sinn des § 16 Abs 2 WEG ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vor, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden (RS0083156RS0005944). Eine solche Klage richtet sich zwar grundsätzlich gegen den unmittelbaren Störer, sie kann aber auch gegen denjenigen gerichtet werden, der den unerlaubten Zustand aufrecht hält (vgl 1 Ob 35/89 mwN; RS0012129). Das Eventualbegehren verstieß auch nicht gegen das Schikaneverbot.

9 Ob 89/22 m – Räumung im Fall eines nicht wirksam zustande gekommenen Mietvertrags

Der Beklagte ist seit dem Jahr 2002 Mieter einer Wohnung in einem Haus der Klägerin, das in einem ehemaligen Betriebsareal liegt. Die baurechtliche Benützungsbewilligung aus dem Jahr 1998 ist auf die Verwendung als Betriebs- und Personalwohnung beschränkt. Der Beklagte ist nicht als Mitarbeiter eines in dem Areal ansässigen Betriebs beschäftigt, sondern arbeitet als Rosenverkäufer.

Die Widmung der Fläche, auf der sich die Wohnung befindet, als Sonderfläche Betriebs- und Personalwohnungen in einem Gewerbe- und Industriegebiet liegt seit 1996 vor. Das örtliche Raumordnungskonzept der Gemeinde aus dem Jahr 2000 sah vor, das Areal als Gewerbegebiet zu belassen, da es nicht als Wohngebiet geeignet war.

Der behördlichen Anordnung, die Wohnung zu räumen, kam der Beklagte nicht nach.

Nach dem TROG besteht weder ein Rechtsanspruch auf Änderung eines Flächenwidmungsplans, noch ist eine Änderung des Flächenwidmungsplans zulässig, wenn sie den Zielen der Raumordnung widerspricht und bedürfte darüber hinaus im Fall der Zulässigkeit, einen sachlichen Rechtfertigungsgrund. Nach der Rechtsprechung des VfGH ist eine Änderung des Flächenwidmungsplans, um eine widmungswidrige Nutzung einer Liegenschaft nachträglich zu sanieren, gleichheitswidrig und deshalb unzulässig (VfGH V 2/2013V 74/2016V 600/2020).

Angesichts der Lage der Liegenschaft in einem (historischen) Gewerbegebiet war davon auszugehen, dass eine Umwidmung nicht möglich war. Es war daher von der Unwirksamkeit des Mietvertrags nach § 878 ABGB auszugehen und dem Räumungsbegehren stattzugeben.

Außerstreitiges Recht

5 Ob 177/22y – Lagezuschlag

Für die Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es nach der Rechtsprechung (vgl dazu etwa RS0111204) eines wertenden (Gesamt-)Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen). In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden (vgl RS0131812).

Die Erschließung der Wohnumgebung des Hauses im 5. Wiener Gemeindebezirk mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die Möglichkeiten der Nahversorgung rechtfertigten die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage im Sinn des § 16 Abs 4 MRG nicht. Das betroffene Mietobjekt befindet sich in einem fünfstöckigen Gebäude im mehrstöckig verbauten Wohngebiet. Geschäfte des täglichen Bedarfs sind ebenso wie die Anbindung an eine U-Bahn- und eine Autobus-Linie fußläufig erreichbar. Kulturelle Einrichtungen der innerstädtischen Bezirke sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen; auch Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sind in unmittelbarer Umgebung. Die gute öffentliche Verkehrsanbindung der Liegenschaft mit der zu beurteilenden Wohnung bringt allerdings (ähnlich wie in der Entscheidung 5 Ob 214/20m) auch die Lärmimmission durch Straßenlärm (von etwa 75 dB auf der einen und 60–65 dB auf der anderen Straßenseite des Hauses) mit sich. Die Lärmbelastung der Liegenschaft bildet grundsätzlich ein Lagekriterium (5 Ob 104/21m = RS0133742). Nach dem Sachverhalt weist die Liegenschaft eine durchaus erhebliche Lärmbeeinträchtigung auf.

5 Ob 120/22s – Kosten einer Legionellen-Prophylaxe sind keine Betriebskosten       

Die Kosten einer Legionellen-Prophylaxe in Form einer mikrobiologischen Untersuchung von Kaltwasser sind weder als Wassergebühren oder Kosten der Überprüfung der Wasserleitungen iSd § 21 Abs 1 Z 1 MRG noch als Schädlingsbekämpfungskosten iSd § 21 Abs 1 Z 2 MRG zu werten. Derartige Kosten sind auch nicht als Verwaltungs- oder als Hausbetreuungskosten iSd §§ 22 oder 23 MRG überwälzbar. Da sie der Brauchbarmachung der Bestandobjekte des Hauses dienen und Grundvoraussetzung für die Zurverfügungstellung von Wasser sind, sind sie als Erhaltungsaufwand zu werten, eine bloße Wartung einer Gemeinschaftsanlage iSd § 24 MRG liegt nicht vor. Einer ausdehnenden Auslegung steht der taxative Charakter des Betriebskostenkatalogs entgegen.

5 Ob 125/22a – Anforderungen an eine ordentliche und richtige Abrechnung

Jeder einzelne Wohnungseigentümer hat ein Anrecht darauf zu erfahren, wie hoch die Erträgnisse der Liegenschaft sind und in welchem Umfang jedes Gemeinschaftsmitglied zu den Aufwendungen der Liegenschaft beiträgt (5 Ob 114/14x). Das erfordert eine Gegenüberstellung der Solleinnahmen (Vorschreibungen) mit den tatsächlichen Zahlungseingängen zumindest in der Form, dass bei jedem einzelnen Mitglied der Gemeinschaft oder jedem einzelnen Wohnungseigentumsobjekt ausgewiesen wird, ob das Konto ausgeglichen ist oder ein Rückstand besteht (so schon 5 Ob 108/93). Unrichtig ist eine Abrechnung etwa dann, wenn Auslagen einbezogen sind, die nicht die Gemeinschaft, sondern einzelne Miteigentümer treffen (5 Ob 37/03gWürth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 34 WEG Rz 7).

Die Kapitaltilgung und der Aufwand für die Zinsenlast sowie die aushaftende Restschuld sind in die Abrechnung aufzunehmen (Schatzl/Spruzina in Böhm/Plätzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht II § 34 WEG Rz 18). Beträge zur Darlehenstilgung sind nach Kapital und Zinsen ziffernmäßig auszuweisen; die zum Stichtag aushaftende Darlehensschuld ist anzugeben (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 34 WEG Rz 13 mwN). Die Anforderungen an eine ordentliche und richtige Abrechnung gelten daher insoweit auch für die Abrechnung von Darlehen (vgl 5 Ob 1068/955 Ob 114/14x [jeweils zur Abrechnung geförderter Darlehen]; Prader, WEG 6.02 § 34 E 40).

5 Ob 135/22x – Austausch von gesundheitsgefährdenden Bleirohren

Sind Bleirohre im Inneren des Hauses für eine erheblich gesundheitsgefährdende Trinkwasserkontamination ursächlich, so ist nach der Rechtsprechung des Fachsenats der Vermieter zur Behebung verpflichtet, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich um Leitungen im Mietobjekt selbst oder Leitungen in den allgemeinen Teilen des Hauses handelt (5 Ob 88/14y).

Nach den Feststellungen betrug die Bleikonzentration im Leitungswasser, das der Antragsteller in der Küche entnehmen kann, selbst nach einem Wasservorlauf von fünf Minuten mehr als das Zweifache des nach Anhang 1 Teil B der Trinkwasserverordnung (BGBl II 2001/304 idgF) seit 1. 12. 2013 zulässigen Grenzwerts. Eine Gesundheitsgefährdung iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG besteht nicht nur bei extremen oder gar lebensbedrohenden Gefahren, sondern bei jedem Mangel, von dem eine signifikante Gefährdung der körperlichen Integrität ausgeht (O. Riss in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 3 MRG Rz 17ad). Die Überschreitung von Grenzwerten ist dabei generell ein deutliches Indiz für eine erhebliche Gesundheitsgefährdung (5 Ob 110/15kPletzer in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 3 MRG Rz 59).

5 Ob 198/22m – Richtigkeit der Rücklagenabrechnungen

Gegenstand des Verfahrens ist die Richtigkeit, Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit der Rücklagenabrechnungen.

Eine Rechnung, die zwar am 31. 12. 2017 gestellt, jedoch von der Antragsgegnerin erst im Jahr 2018 bezahlt wurde, ist (erst) in die Rücklagenabrechnung 2018 aufzunehmen. Warum es zulässig sein sollte, eine Rechnung betreffend eine „Gesamtsanierung“ zusammen mit den übrigen Rechnungen in die Abrechnung des Jahres der Leistungserbringung aufzunehmen, selbst wenn die Rechnung erst im folgenden Jahr erstellt und/oder bezahlt wird, ist nicht nachvollziehbar.

Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs dient die Jahresabrechnung nämlich der Darstellung der tatsächlichen Zahlungsflüsse in der betreffenden Abrechnungsperiode – also im Kalenderjahr (5 Ob 123/14w mwN; RS0019408 [T26]). Ergebnis dieser Abrechnung muss das tatsächlich Geschuldete sein (RS0119057). Auf einen – schwer zu definierenden – inhaltlichen Zusammenhang mit anderen Rechnungen kommt es daher nicht an.

5 Ob 210/22a – Zur Duldung von Erhaltungsarbeiten

Die Antragsgegnerin plant die thermische Sanierung des Hauses, in dem der Antragsteller eine Wohnung gemietet hat. Im Rahmen des von ihm eingeleiteten wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens betreffend diese – nach seiner Auffassung nicht zu duldenden – Erhaltungsarbeiten iSd § 8 Abs 2 MRG beantragte er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wegen der durch die Sanierungsmaßnahmen drohenden erheblichen Gesundheitsgefahr für ihn und seine Familie.

381 Z 2 zweiter Fall EO, der gemäß § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 20 MRG auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren anwendbar ist, ermöglicht es zur Sicherung anderer Ansprüche (als Geld) einstweilige Verfügungen zu erlassen, wenn sie zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen. Unwiederbringlich ist ein Schaden nach der Rechtsprechung dann, wenn die Rückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Geldersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (RS0005270), wie dies etwa bei immateriellen Schäden und Gesundheitsschäden der Fall wäre (RS0005319). Die ständige Rechtsprechung verlangt die Bescheinigung einer konkreten Gefährdung im Sinn dieser Gesetzesstelle, die bloß abstrakte oder theoretische Möglichkeit der im § 381 EO erwähnten Erschwerung, Vereitlung, Gewaltanwendung oder des unwiederbringlichen Schadens reicht nicht aus (vgl RS0005118[T4]; 6 Ob 155/99h mwN).  In diesem Fall war festgestellt worden, dass in allen Proben der Anteil an Schadstoffen im Fassadenkleber und Verputz so gering war, dass dies für den Menschen ungefährlich ist.

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, März 2023

WMWP Rechtsanwälte GmbH