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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter März 2022

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


Außerstreitiges Recht

5 Ob 14/21a – Zur Passivlegitimation von Miteigentümern im Hauptmietzinsüberprüfungsverfahren

Auf der betroffenen Liegenschaft wurde teilweise Wohnungseigentum begründet. Die Teilhaber, gleich ob ihnen ein Wohnungseigentumsobjekt zugeordnet ist oder nicht, stehen zueinander als Miteigentümer in einem Gemeinschaftsverhältnis, auf das subsidiär die Bestimmungen der §§ 825 ff ABGB anzuwenden sind. Da die Eigentümergemeinschaft im Sinn von § 18 WEG schon mangels Rechtsfähigkeit in diesem Punkt als Vermieterin nicht in Betracht kommt, ist zur Klärung der Frage, wer auf Vermieterseite für den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch passiv legitimiert ist, auf die Regeln zum schlichten Miteigentum zurückzugreifen.

Der Minderheitseigentümer, der den Vertrag auf Vermieterseite unterschrieben hat, ist aufgrund einer Benützungsvereinbarung zur Vermietung berechtigt, sodass nach den von der Rechtsprechung zur Vermietung im schlichten Miteigentum vertretenen Grundsätzen das Mietverhältnis mit allen Miteigentümern zustande gekommen ist (vgl RS0020276) und Hauptmiete gemäß § 2 Abs 1 MRG vorliegt. Der Antrag nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG kann nur gegen alle Miteigentümer des Hauses als Vermieter gestellt werden, weil der Antragsinhalt gegen alle diese Personen notwendigerweise ein- und derselbe sein muss (RS0083777). Die Durchsetzung der mietvertraglichen Rechte des Antragstellers als Hauptmieter hat daher gegenüber allen Mit- und Wohnungseigentümern zu erfolgen, die im Überprüfungszeitraum die (Mit-)Vermieterstellung inne hatten (RS0108811 [T9]).

5 Ob 178/21v – Duldung von Sanierungsarbeiten: Anforderungen an den Exekutionstitel

§7 Abs 1 EO knüpft die Bewilligung der Exekution daran, dass aus dem Exekutionstitel nebst der Person des Berechtigten und Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sind. Dem Erfordernis der Bestimmtheit des Titels ist ausreichend Genüge getan, wenn ihm die geschuldete Leistung unter Berücksichtigung des Sprach- und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs zu entnehmen ist, die Anforderungen an die Bestimmtheit des Titels dürfen nicht überspannt werden (RS0000532[T4]). Art und Umfang der zu duldenden Handlungen sollen aber eindeutig zu erkennen sein (vgl RS0000966 [T1]). Beim Duldungsbegehren ist die Präzisierung erforderlich, welche Änderungen oder Beeinträchtigungen hinzunehmen sind, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Eine verbale Beschreibung des Bauvorhabens reicht in der Regel aus, die nur dann, wenn es zur Schlüssigkeit erforderlich ist, mit Planunterlagen zu ergänzen ist (RS0114876 [zu § 8 Abs 2 MRG]). Die Beschreibung aller Einzelheiten ist untunlich und daher nicht zu verlangen (RS0000808 [T7]). Wird dem Verpflichteten mittels Exekutionstitels ein Unterlassen oder Dulden geboten, hat er keine Leistungsfrist (§ 7 Abs 2 EO), sondern die Angabe des Beginns der Unterlassungs- bzw Duldungsverpflichtung zu enthalten (RS0000307). Fehlt die Angabe des Beginns der titelmäßigen Unterlassungs- oder Duldungsverpflichtung, hat der Verpflichtete diese ab sofort zu erfüllen, in keinem Fall aber vor Eintritt der formellen Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels (RS0000308).

5 Ob 210/21z – Unterlassung eines täglichen, mehrstündigen, Klavierspiels

Der Kläger begehrte die Unterlassung täglich überschreitender Schallimmissionen durch Klavierspiel im Ausmaß von 1,5 Stunden, die von der von den Beklagten benutzten Wohnung auf diejenige des Klägers einwirken.

Gemäß § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie (1) das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und (2) die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen, weshalb auch übermäßige Immissionen zu dulden sind, wenn sie die ortsübliche Nutzung nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks dadurch wesentlich beeinträchtigt wird (RIS-Justiz RS0010587 [T4, T8]). Der gesetzliche Anspruch nach § 364 Abs 2 ABGB steht dem Wohnungseigentümer (unter den dort genannten Voraussetzungen) nur bei Immissionen zu, die durch eine nicht verkehrsübliche oder der vertraglichen Sonderbeziehung entsprechenden Nutzung des Nachbarobjekts hervorgerufen werden (RS0110784). Nachbarrechtliche Ansprüche können auch zwischen Wohnungseigentumsbewerbern bestehen (RS0010614 [T4]).

Maßgeblich für die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen in der Lage des Gestörten (RS0010607).

Nach den Feststellungen soll nach ÖAL-Richtlinie und Ö-Norm der Dauerschallpegel und damit jener Wert, der auch dann nicht überschritten werden soll, wenn Lärm von spezifischen Verursachern – wie Klavierspielen – hinzutritt, untertags bei geschlossenem Fenster bei 40 dB liegen. Eine Überschreitung von mehr als 10 dB wäre ortsunüblich. Im Schlafzimmer des Klägers liegt der Dauerschallpegel bei geschlossenen Fenstern und Türen bei nur rund 20 dB. Leise gespielte Klavierstücke überschreiten diesen bei geschlossenem Fenster um ca 5 dB, laut gespielte Klavierstücke um 10 bis 13 dB, das Öffnen des Flügels bietet dabei 1 dB Unterschied. Klavierspielen in der Wohnung der Beklagten pro Tag für 364 Minuten bei offenem Flügel und geschlossenem Fenster oder bei 526 Minuten bei geschlossenem Flügel würde den Dauerschallpegel im Schlafzimmer des Klägers nicht um mehr als 10 dB erhöhen. Festgestellt wurde weiters, dass das Spielen von Klavierstücken, die im Wohnzimmer der Beklagten einen Geräuschpegel von rund 75 dB erzeugen, im Schlafzimmer des Klägers einen Geräuschpegel von 18 bis 23 dB bewirken, was bei geschlossenem Fenster gar nicht oder nur sehr gering wahrnehmbar ist. Wird im Schlafzimmer des Klägers ferngesehen oder Radio mit einer Lautstärke von 50 bis 60 dB gehört, ist bei geschlossenen Fenstern das Klavierspiel aus der Wohnung der Beklagten nicht zu hören. Das Klavierspielen ist in der Wohnung des Klägers nur im Schlafzimmer, in der Wohnküche, dem Bad und im Wirtschaftsraum (einem Drittel der Wohnfläche) überhaupt vernehmbar. Die Tochter der Beklagten hat ein Repertoire von mehreren Dutzend Klavierstücken, wobei sie manche davon lauter und manche leiser spielt. Schwierige Stellen wiederholt sie öfter und zu Beginn der Übungszeit wärmt sie sich mit Finger- und Tonleiterübungen auf.

Es wurde berücksichtigt, dass aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsmenschen nicht nur eine bestimmte Erhöhung des Lärmpegels, sondern bei selbst moderaten Geräuschimmissionen spezifische Eigenheiten als störend empfunden werden könnten, wie dies bei eintönigen Fingerübungen oder ständiger Wiederholung von einzelnen Passagen der Fall sein könnte. Allerdings ist bei verständiger Auslegung der erstgerichtlichen Feststellungen weder davon auszugehen, dass die Tochter der Beklagten stundenlang Fingerübungen macht, noch dass sie ausschließlich schwierige Stellen (bei geöffnetem Fenster und/oder in hoher Lautstärke) übt. Von einer „besonderen Lästigkeit“ dieser Lärmimmissionen ist hier daher nicht auszugehen; mit stundenlangem Probenlärm einer Heavy-Metal-Band (vgl 2 Ob 166/14x) oder sehr lauten, hellen und spitzen Pfauenschreien (vgl 4 Ob 64/20w) ist das Üben der Tochter der Beklagten nicht vergleichbar. Bei geschlossenem Fenster und in normaler Lautstärke gespielt sind vielmehr an sich störende Fingerübungen oder Wiederholungen schwieriger Stellen in den betroffenen Wohnräumen des Klägers gar nicht oder nur unter besonderer Konzentration überhaupt wahrnehmbar.

Das Ausmaß des Klavierspiels in der Wohnung der Beklagten wurde demnach selbst für innerstädtische Verhältnisse als ortsunüblich erachtet. Dies bewirke – bei Berücksichtigung der festgelegten Ruhezeiten und zeitlichen Beschränkungen – aber keine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung der Wohnung des Klägers.

Streitiges Recht

3 Ob 100/21h – Kündigungsgrund: unzulässigen Weitergabe

Unter „Weitergabe“ im Sinn des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG ist jede entgeltliche oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zu verstehen (RS0070718RS0070650 [T1]). Die Überlassung an Eintrittsberechtigte stellt zwar keinen Kündigungsgrund dar (vgl RS0069472), bestand jedoch kein gemeinsamer Haushalt des Angehörigen mit dem Mieter, so ist der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG gegeben (vgl 9 Ob 2112/96w).

Die in der vom Beklagten gemieteten, aufgekündigten Wohnung waren die nach dem Auszug von dessen Bruder verbliebenen Personen nach dem beklagten Mieter nicht eintrittsberechtigt.

3 Ob 150/21m – Kündigungsgrund: erheblich nachteiliger Gebrauch

Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand im Sinn des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG liegt vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgt oder auch nur droht, oder wenn durch das nachteilige Verhalten des Mieters wichtige wirtschaftliche oder persönliche Interessen des Vermieters oder der anderen Mieter gefährdet werden (5 Ob 84/19t mwN). Ein solcher erheblich nachteiliger Gebrauch liegt dann vor, wenn ein Mieter eine Badewanne oder eine Dusche unsachgemäß ohne ausreichende Feuchtigkeitsisolierung durch nicht befugte Gewerbsleute installiert und bei Auftreten von Schäden nicht sofort Abhilfe schafft (5 Ob 84/19t mwN). Für die Verwirklichung dieses Kündigungsgrundes reicht es aus, dass sich der Mieter der Nachteiligkeit seines Verhaltens nach dem objektiven Maßstab eines vertrauenswürdigen Durchschnittsmieters bewusst war oder bewusst sein musste (RS0067957 [T4]; RS0070243 [T1]).

 

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, März 2022

WMWP Rechtsanwälte GmbH