vienna@actlegal-wmwp.com   VIENNA +43 (1) 5125955
klagenfurt@actlegal-wmwp.com   KLU +43 (463) 591638

Single Blog Title

This is a single blog caption

Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter März 2021

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


STREITIGES RECHT

1 Ob 194/20s – Formerfordernis einer gerichtlichen Aufkündigung

Mit der gerichtlichen Aufkündigung wird einerseits das Bestandverhältnis durch eine rechtsgestaltende Erklärung beendet und andererseits dem Aufkündigenden ein Exekutionstitel iSd § 1 Z 4 EO für die Übernahme bzw Übergabe des Bestandgegenstands verschaffen. Sie hat daher einerseits materiell‑rechtlich die einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung eines Vertragsteils an den Partner, den Bestandvertrag zu einem bestimmten Endtermin (Kündigungstermin) aufzulösen, zu enthalten. Gleichzeitig stellt sie den prozessrechtlichen Antrag an das Gericht dar, an den Gegner einen Übergabs‑ oder Übernahmsbefehl zu erlassen, den Bestandgegenstand zu diesem Termin geräumt zu übergeben oder zu übernehmen oder gegen die Aufkündigung Einwendungen zu erheben (RIS‑Justiz RS0111668Lovrek in Fasching/Konecny3, IV/1 § 560 ZPO Rz 34 mwN).

Zwingendes Inhaltserfordernis einer gerichtlichen Aufkündigung ist daher unter anderem die Angabe des Kündigungstermins (RS0044846Frauenberger in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 562 ZPO Rz 3), und zwar auch bei Berufung auf einen wichtigen Grund gemäß § 30 MRG.

*

5 Ob 60/20i – Eigentumsfreiheitsanspruch des schlichten Miteigentümers

Die Klägerin und der Zweitbeklagte sind unter anderem Miteigentümer einer Liegenschaft. Zugunsten des Zweitbeklagten und weiterer Miteigentümer ist die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG 2002 an bestimmten Wohnungen und KFZ-Abstellplätzen angemerkt. Die Klägerin hat ihre Miteigentumsanteile von der vormaligen Alleineigentümerin, einer GmbH, deren Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin sie war, erworben. Weder zugunsten ihrer Rechtsvorgängerin noch zugunsten der Klägerin ist die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum im Sinn des § 40 Abs 2 WEG 2002 angemerkt.

Die Erstbeklagte wurde von sämtlichen Miteigentümern – ausgenommen die Klägerin und deren Rechtsvorgängerin – als Generalunternehmerin mit der Errichtung der Wohnungseigentumsobjekte im „Straßentrakt“ beauftragt. Es wurde hofseitig eine neue Fassade mit einer Wärmedämmung von insgesamt 12 cm Stärke angebracht. Jedenfalls in Bezug auf die Objekte des „Straßentrakts“ war die Erstbeklagte auch Wohnungseigentumsorganisatorin.

Die Klägerin erhob gestützt auf ihren Eigentumsfreiheitsanspruch nach § 523 ABGB – Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren: Die Beklagten sollen die aufgebrachte und aus brennbaren Materialien bestehende Wärmedämmung von der Hoffassade der Liegenschaft und die Feuermauern zu den Nachbarhäusern beseitigen. Außerdem sollen sie (insoweit) den Konsens laut Baubewilligung wiederherstellen.

Die Eigentumsfreiheitsklage kann (nur) gegen einen unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht erhoben werden (RS0012040RS0012113). Sie setzt Eigenmacht des Störers voraus (RS0012112 [T11]).

In diesem Fall war die Klägerin bisher nur schlichte Miteigentümerin der Liegenschaft. Eine wohnungseigentumsrechtliche dingliche Rechtsposition würde sie nach § 5 Abs 3 Satz 1 WEG 2002 erst aufgrund einer auf einem gültigen Titel beruhenden Einverleibung im Grundbuch erwerben (Ofner in GeKo Wohnrecht II § 2 WEG 2002 Rz 3; Hausmann in Hausmann/Vonlkilch Österreichisches Wohnrecht4 § 2 WEG Rz 4). Mangels einer solchen war sie an dem strittigen „Hoftrakt“ und dem nach ihren Behauptungen diesem zugeordneten Innenhof (noch) nicht dinglich berechtigt.

37 Abs 5 WEG 2002 regelt die Anwendung von Wohnungseigentumsbestimmungen insbesondere im Zusammenhang mit der Verwaltung zugunsten der Wohnungseigentumsbewerber im Gründungsstadium. Sobald eine Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums im Grundbuch angemerkt ist und zumindest ein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben hat, gelten für die Verwaltung der Liegenschaft und die Rechte der Miteigentümer die §§ 16–34, 36 und 52 WEG. Ein Wohnungseigentumsbewerber, der noch nicht Miteigentümer, zu dessen Gunsten aber eine solche Zusage angemerkt ist, hat ab Bezug des wohnungseigentumstauglichen Objekts die Rechte nach §§ 16 und 52 Abs 1 Z 2 WEG sowie den Anspruch auf Rechnungslegung gemäß § 34 WEG. Weiters hat ein solcher Wohnungseigentumsbewerber ab dem Zeitpunkt, zu dem sein späterer Miteigentumsanteil – insbesondere durch ein bereits vorliegendes Nutzwertgutachten – bekannt ist, die Rechte eines Miteigentümers, sofern zumindest ein anderer Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben hat. Nach der Rechtsprechung des Fachsenats (5 Ob 173/08imwN) und herrschender Lehre (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 37 WEG Rz 17; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 37 WEG Rz 50) ist Voraussetzung in diesen Fällen, dass die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums im Grundbuch angemerkt ist und zwar zugunsten des konkreten Wohnungseigentumsbewerbers. Eine Zusage einer Einräumung des Wohnungseigentums zugunsten der Klägerin hat sich aus dem offenen Grundbuch hier aber nicht ergeben, sodass sie auch aus § 37 Abs 5 WEG 2002 keine exklusiven Nutzungsrechte ableiten konnte. Im Übrigen hat die Eigentumsfreiheitsklage eines Wohnungseigentümers ihre Grundlage nach der Rechtsprechung ohnedies nicht in der in § 37 Abs 5 WEG genannten Bestimmung des § 16 Abs 2 WEG 2002, sondern in § 523 ABGB iVm § 829 ABGB (5 Ob 173/08i5 Ob 153/00m).

Die höchstgerichtliche Judikatur billigt dem Wohnungseigentumsbewerber, dem die zugesagte Wohnung übergeben wurde, die Klage nach § 372 ABGB analog zu (RS0010989), die an den verlorenen Besitz anknüpft (vgl 5 Ob 143/12h). Voraussetzung für eine erfolgreiche publizianische Klage wäre der Besitz oder zumindest Mitbesitz der Klägerin an der Hoffläche, deren Beeinträchtigung durch die Wärmedämmfassade sie nun behauptet. Die behauptete Vereinbarung, wonach bei Ausbau des Straßentrakts die Baufluchtlinie nicht überbaut werden dürfe, konnte nicht festgestellt werden. Exakt diese „Eigentumsgrenze“ – die aufgrund des schlichten Miteigentums nur als ausschließliche Nutzungsgrenze verstanden werden kann – hat die Klägerin behauptet, konnte sie aber damit nicht nachweisen.

Darüber hinaus hatte sie ihre Miteigentumsanteile von der vormaligen Alleineigentümerin erst zu einem Zeitpunkt erworben, als die Fassadenarbeiten bereits längst abgeschlossen waren. Schon der Altbestand des Straßentrakts ragte teils über die Baufluchtlinie und auch die Fassade zum Hof war bei Erwerb durch die Klägerin bereits in der nunmehr beanstandeten Form vorhanden. Wie die Klägerin angesichts dieser Feststellungen in den Besitz der bereits vorher durch die Wärmedämmung verbauten Hoffläche gelangt sein will, hatte sie nicht behauptet und war auch aus den Feststellungen nicht ableitbar. Der von der Klägerin zu erbringende Beweis (vgl RS0012186 [T7]) eines Eigentumseingriffs in ihr übergebene Bereiche durch die Errichtung der Wärmedämmung war ihr damit nicht gelungen.

Auch auf ihre Stellung als schlichte Miteigentümerin kann die Klägerin nach der auf höchstgerichtlicher Rechtsprechung beruhenden Auffassung des Berufungsgerichts ihren Beseitigungsanspruch nicht stützen. Zwar ist jeder Miteigentümer – selbst wenn er nur die Minderheit der Anteile repräsentiert – grundsätzlich berechtigt, eigenmächtige Eingriffe auch eines anderen Miteigentümers in das gemeinsame Eigentum mit Eigentumsfreiheitsklage gegen den Störer abzuwehren (RS0012112 [T1]). Allerdings fehlt dem Eingriff eines Dritten die Eigenmacht schon dann, wenn nur ein Teilhaber den Eingriff gestattet hat (RS0124237; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4 § 833 ABGB Rz 1).

Das Berufungsgericht legte die im Generalunternehmervertrag zwischen der Erstbeklagten und den anderen Miteigentümern (ausgenommen die Klägerin bzw deren Rechtsvorgängerin) vereinbarte Ermächtigung der Erstbeklagten, die Ausführung des „Straßentrakts“ einschließlich der Fassadengestaltung nach Gutdünken vorzunehmen, dahin aus, dass sämtliche andere Miteigentümer damit (auch) die Zustimmung zur Verstärkung der Wärmedämmung der Fassaden von 7 auf 12 cm erteilt hätten.

AUSSERSTREITIGES RECHT

5 Ob 92/201w – Zulässigkeit der Überwälzung von Auslaufannuitäten nach dem WGG

Gegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung der Angemessenheit des Entgelts gemäß § 22 Abs 1 Z 6 WGG iVm § 14 WGG. Die Antragsgegnerin schreibt den Antragsteller(-innen) seit 2015 iSd § 14 Abs 7 WGG einen Betrag in Höhe der letzten Annuität eines bereits getilgten Darlehens zur verstärkten Tilgung eines noch aushaftenden Kommunaldarlehens weiterhin vor. Strittig ist, ob mit diesen sogenannten Auslaufannuitäten (vgl 5 Ob 154/01k) auch die Annuitätensprünge des noch aushaftenden Darlehens abzudecken sind oder die Annuitätensprünge zusätzlich überwälzt werden dürfen.

Nach § 14 Abs 1 WGG ist das angemessene Entgelt für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung oder eines Geschäftsraums unter Bedachtnahme auf § 13 WGG nach den Verteilungsbestimmungen des § 16 WGG zu berechnen. Bei dieser Berechnung dürfen (unter anderem) die Kosten zur Refinanzierung von Bau- und Grundkosten angerechnet werden (§ 14 Abs 1 Z 1–4 WGG). Sofern die Baulichkeit nicht aus Eigenmitteln finanziert wurde und deswegen die Absetzung für Abnützung maßgeblich ist, sind dies die Tilgung der Fremdmittel einschließlich der Darlehen aus öffentlichen Mitteln und die angemessene Verzinsung der Fremdmittel einschließlich der Darlehen aus öffentlichen Mitteln (§ 14 Abs 1 Z 1 und Z 2 WGG). In der Praxis bestehen die Refinanzierungskosten regelmäßig in der Entrichtung einer Annuität, die Tilgung und Verzinsung iSv Z 1 und 2 enthält (Oberhammer/Scholz-Berger, Überlegungen zur Sachgerechtigkeit der Entgeltbildung im Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, wobl 2019, 286 [287]).

Die Entgeltbestandteile in der Aufzählung des § 14 Abs 1 Z 1 bis 9 WGG sind veränderlich. § 14 Abs 1 zweiter Satz WGG normiert eine Neufestsetzung des Entgelts, die sich aus einer Änderung der Berechnungsgrundlagen für die einzelnen Entgeltkomponenten des § 14 Abs 1 WGG (Zinssatzänderungen, Tilgung von Finanzierungsmitteln, Wegfall von Zuschüssen etc) ergibt (RIS-Justiz RS0116817RS0119207) ergibt. Nach § 14 Abs 7 WGG können Beträge gemäß § 14 Abs 1 Z 1 und 2 WGG die nicht mehr zur Verzinsung und Tilgung von Fremdmitteln einschließlich von Darlehen aus öffentlichen Mitteln verwendet werden, unverändert der Berechnung des Entgelts zugrunde gelegt werden.

Diese Beträge sind

  1. zur verstärkten Tilgung anderer noch aushaftender Fremdmittel, soweit Vertragsbestimmungen dem nicht entgegenstehen,
  2. weiters zur verstärkten Tilgung von noch aushaftenden Darlehen aus öffentlichen Mitteln,

2a. [seit der WGG-Novelle 2019] im Übrigen für die (verstärkte) Tilgung der von der Bauvereinigung unter besonderer Beachtung der Grundsätze des § 23 WGG zur Deckung von Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen getätigten Eigenmitteleinsätze zu verwenden,

  1. sodann für fünf Jahre den nicht verbrauchten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen nach § 14 Abs 1 Z 5 WGG und
  2. danach den Rücklagen zuzuführen.

Fallen daher die Ausgaben für Tilgung und Verzinsung von Fremdmitteln (zB wegen Tilgung einzelner Darlehen) weg, so können die ihnen entsprechenden Beträge weiterhin eingehoben und zur verstärkten Tilgung anderer aushaftender Fremdmittel und (danach) anderer Darlehen aus öffentlichen Mitteln verwendet werden (Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht23 WGG § 14 Rz 8; Rudnigger in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht3 § 14 WGG Rz 15).

14 Abs 7 WGG bezieht sich ausdrücklich (nur) auf jene Beträge gemäß § 14 Abs 1 Z 1 und 2 WGG, die nicht mehr zur Verzinsung und Tilgung verwendet werden. Der Gesetzgeber hat dabei bewusst zwischen diesen Beträgen und anderen Entgeltkomponenten, insbesondere den Beträgen zur Tilgung anderer Fremdmittel differenziert. Das ergibt sich schon aus der Verwendungsregel des § 14 Abs 7 Z 1 und 2 WGG, wonach diese Beträge zur verstärkten Tilgung anderer noch aushaftender Fremdmittel und Darlehen aus öffentlichen Mitteln heranzuziehen sind, aber auch aus § 14 Abs 7a WGG, der die nach § 14 Abs 7 WGG zulässigerweise zu verlangenden Auslaufannuitäten nach vollständiger Rückzahlung aller Fremdmittel einschließlich Darlehen aus öffentlichen Mitteln begrenzt. Nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes ist somit unzweifelhaft, dass die Entgeltkomponenten gemäß § 14 Abs 1 Z 1 und 2 WGG, die für die Verzinsung und Tilgung noch offen aushaftender Fremdmittel einschließlich von Darlehen aus öffentlichen Mitteln verwendet werden, weiterhin veränderlich sind. Eine Änderung der Berechnungsgrundlagen, wie eben etwa einem Annuitätensprung, rechtfertigt die Neufestsetzung dieser einzelnen Entgeltkomponente. § 14 Abs 7 WGG normiert daher keine Obergrenze für die gesamten auf die Refinanzierung der Grund- und Baukosten entfallenden Entgeltkomponeneten. Auch deren teleologischen Erwägungen zu dem im § 23 Abs 1 WGG normierten Gebot zur Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit und/oder das auf das dem WGG inhärente Kostendeckungsprinzip rechtfertigen eine solche Auslegung nicht. Das WGG ordnet in seinen Entgeltbildungsbestimmungen der §§ 13 und 14 WGG zwar grundsätzlich die Mietzinsbildung nach dem Kostendeckungsprinzip an. Es kennt allerdings echte Ausnahmen von diesem Kostendeckungsprinzip (5 Ob 72/18a). Eine solche vom Gesetzgeber statuierte Ausnahme ist auch die nach § 14 Abs 7 WGG bestehende und mit einer Verwendungsregelung verknüpfte Möglichkeit der Verrechnung einer Auslaufannuität (Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht²³ § 14 Rz 1; Ortbauer, Die Auslaufannuität im WGG, Wohnen & Recht 2015, 75).

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, März 2021

WMWP Rechtsanwälte GmbH