Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Juli 2024
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Außerstreitiges Recht
5 Ob 162/23v – Zur Verwirklichung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 4 Z 1 MRG
Gemäß § 1 Abs 4 Z 3 MRG sind (unter anderem) die Mietzinsbestimmungen der §§ 15 ff MRG auf Mietgegenstände, die im Wohnungseigentum stehen, nicht anzuwenden, sofern der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das aufgrund einer nach dem 8. 5. 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist. Bei diesem Ausnahmetatbestand ist – wie auch bei jenem des § 1 Abs 4 Z 1 MRG – auf die Neuerrichtung eines Gebäudes, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abzustellen, und nicht bloß auf die Neuerrichtung des Mietgegenstands selbst (RS0069293 [T5] zu § 1 Abs 4 Z 1 MRG).
Eine Neuerrichtung liegt nur dann vor, wenn es sich um die Gewinnung neuen und nicht eine bloß bauliche Umgestaltung schon vorhandenen Raums für Wohnzwecke und Geschäftszwecke handelt. Bloße Adaptierungen, eine Neuverteilung des Raums durch Versetzung von Zwischenwänden, die Teilung von Wohnungen oder eine Umwandlung von Geschäftsräumen in Wohnräume fallen nicht darunter (RS0068742). Die Neuerrichtung eines einzelnen Mietobjekts oder der bloße Umbau des Gebäudes unter Wiederverwendung bestehen gebliebener vermietbarer Räume also genügt nicht (RS0068742 [T2]). Die Neuerrichtung (Neuschaffung) von Mietgegenständen setzt voraus, dass durch bauliche Maßnahmen Räume gewonnen werden, die entweder bisher überhaupt nicht zur Verfügung standen oder zur Verwendung als Wohn- oder Geschäftsräume nicht geeignet waren (RS0069647 [T1]; RS0070741 [T3] jeweils zu § 1 Abs 4 Z 2 MRG und § 16 Abs 1 Z 2 MRG). Die wenn auch mit beträchtlichen Kosten verbundene, aber bloß bauliche Umgestaltung schon vorhandenen Raums für Wohn- und Geschäftszwecke sowie die Renovierung eines mangels Instandhaltung unbenützbar gewordenen Mietgegenstands sind keine Neuschaffung (RS0069647 [T5]).
Auch umfangreiche und kostspielige Umbauarbeiten können den Ausnahmetatbestand der Neuerrichtung eines Gebäudes nicht erfüllen, wenn bloß alter Baubestand adaptiert oder umgestaltet wird (vgl RS0069257). An diesem Ergebnis ändert auch die ursprüngliche allfällige wirtschaftliche Abbruchreife des Hauses und die schon erteilte baubehördliche Bewilligung für dessen Abtragung nichts. Der „rechtliche Untergang“ der Bestandsache iSd § 1112 ABGB liegt nur vor, wenn die Sache an sich aus dem Rechtsverkehr gezogen wurde oder wenn die für die Vermietbarkeit überhaupt oder für die Vermietung zu einem bestimmten Zweck erforderliche Qualifikation endgültig und unabänderlich verlorengeht (RS0033014 [T1]). Aus einer mangelnden Erhaltungspflicht des Vermieters (wegen Unwirtschaftlichkeit entsprechender Maßnahmen) kann daher nicht der Schluss gezogen werden, dass eine „erhaltende“ Sanierung, wenn sie trotzdem vorgenommen wird, stets als eine Neuerrichtung iSd § 1 Abs 4 Z 3 MRG anzusehen ist. Es sind nach dieser Bestimmung nicht wirtschaftliche Aspekte, sondern das Ausmaß und die Funktion der erhalten gebliebenen Gebäudeteile entscheidend.
5 Ob 8/24y – Zur Mietzinsanhebung nach § 46 MRG
Die Bestimmung des § 46 MRG gewährt unter bestimmten Voraussetzungen dem Vermieter einer Wohnung ein – näher geregeltes – Recht zur Anhebung des (vor dem 1. März 1994 vereinbarten) Hauptmietzinses beim Eintritt bestimmter berechtigter Personen. Beim Eintritt besonders privilegierter naher Angehöriger des bisherigen Hauptmieters soll der Mietzins unverändert bleiben. Wenn aber in den Mietvertrag nur Angehörige eintreten, die nicht zum engsten Familienkern (§ 46 Abs 1 MRG) zählen, oder wenn zwar ursprünglich Angehörige im Sinn des § 46 Abs 1 MRG gemeinsam mit anderen Angehörigen in den Mietvertrag eingetreten, später aber durch Verlassen der Wohnung oder durch Erreichen der Volljährigkeit weggefallen sind, so kann der Vermieter nach § 46 Abs 2 MRG eine Anhebung des Zinses verlangen (vgl 4 Ob 204/11w mwN). Die Privilegierung des § 46 Abs 1 MRG ist nur beim ersten Eintritt vorgesehen (5 Ob 107/15v (= RS0130185) ).
Dem Fall des Eintritts von privilegierten nahen Angehörigen gemäß § 46 Abs 1 MRG steht der Fall gleich, in dem es neben dem verstorbenen Mieter, in dessen Mietrechte Angehörige gemäß § 14 Abs 2 MRG eintreten, noch einen Mitmieter gibt (4 Ob 204/11w). Grund dafür sei, dass eine Person, die bereits Mieter gewesen sei, durch das Hinzutreten eines weiteren Mieters nicht schlechter gestellt werden solle. Daher stehe „jedweder überlebende Mitmieter, unabhängig davon, ob er selbst eintrittsberechtigt ist oder nicht, der Anhebung des Mietzinses entgegen“. Eine Mietzinsanhebung wird dann zulässig, wenn sämtliche privilegierten Personen die Wohnung auf Dauer verlassen haben oder volljährig geworden sind (so bereits 5 Ob 107/15v; vgl RS0070651; ebenso A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 46 MRG, Rz 8 mwN, Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 46 Rz 2).
5 Ob 21/24k – Zur Nutzfläche einer Wohnung
Gemäß § 17 Abs 2 erster Satz MRG ist die Nutzfläche die gesamte Bodenfläche einer Wohnung oder eines sonstigen Mietgegenstands abzüglich der Wandstärken und der im Verlauf der Wände befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen).
Unter einer in die Nutzfläche einzurechnenden „Loggia“ ist ein nach vorne offener, von seitlichen Wänden, einem Boden und einer Decke begrenzter Raum (also ein zumindest fünfseitig umbauter Raum) zu verstehen, der meist in das Gebäude eingeschnitten und dessen nach außen freie Öffnung durch ein Geländer oder eine Brüstung abgegrenzt ist (RS0069968). Ein solcher Raum ist unabhängig von der konkreten Nutzungsmöglichkeit bei der Nutzungsflächenberechnung einzubeziehen (RS0069885). Für die Qualifikation eines Raums bei der Nutzflächenberechnung nach § 17 MRG als „Loggia“ ist somit darauf abzustellen, dass dieser an fünf Seiten von Mauerwerk oder einer ähnlich massiven Begrenzungswand umgeben ist (5 Ob 165/22h mwN). Die in diesem Fall als Loggia qualifizierte Fläche ist hofseitig durch ein Metallgeländer begrenzt, rechts durch eine Mauer, links durch eine Mauer mit kleinen Fenstern und an der Rückseite durch eine Mauer mit einer Türe, durch die man von der restlichen Wohnung aus dorthin gelangt. Die Decke ist betoniert und hat die gleiche Größe wie der (ebenfalls betonierte) Boden dieses Bereichs.
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Nutzflächenermittlung von Wohnungen mit schrägen Wänden und Dachschrägen nur die Bodenfläche und nicht die Raumhöhe zu berücksichtigen (RS0069876). Auch Heizräumen sind nutzflächenrelevant, wenn sie ausschließlich für das jeweilige Bestandobjekt vorgesehen und diesem zugeordnet sind (ebenso 5 Ob 105/88, 5 Ob 61/01h), auch wenn sie nur als Stell- und Ablagefläche verwendet werden.
„Ausnehmungen“ im Sinn des § 17 Abs 2 erster Satz MRG sind nach der Rechtsprechung „Nischen“ in der Wand (vgl RS0069946). Keine solche Ausnehmung liegt vor, wenn die Wand selbst vom Boden bis zur Decke in geringerer Stärke fortgeführt wird (vgl RS0069946; ebenso Prader in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 17 MRG, Rz 28 mwN).
5 Ob 40/24d – Zum Stimmrechtsausschluss nach § 24 Abs 3 WEG
Ein zum Stimmrechtsausschluss führendes wirtschaftliches Naheverhältnis zum Geschäftspartner einer Eigentümergemeinschaft kann nicht nur dann bestehen, wenn der an der Willensbildung der Gemeinschaft teilnehmende Wohnungseigentümer als Gesellschafter oder Geschäftsführer des Geschäftspartners fungiert; es ist auch konzernmäßigen Verflechtungen und wirtschaftlichen Beteiligungen nachzugehen, die auf gleich gerichtete (der Eigentümergemeinschaft abträgliche) Interessen schließen lassen. Auch Abhängigkeiten, die sich aus einem Dienstvertrag oder aus der ständigen Zusammenarbeit in einem Auftrags- oder Werkvertragsverhältnis ergeben, können ein wirtschaftliche Naheverhältnisses iSd § 24 Abs 3 WEG 2002 indizieren.
8 Ob 43/24t – Zum Antrag auf Erhöhung des Hauptmietzinses
Einem Miteigentümer (mag er auch Mehrheitseigentümer sein), gegen den sich eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB richten soll – etwa wenn Ansprüche der Gemeinschaft gegen ihn geltend gemacht werden sollen oder ein Mietvertrag mit ihm gekündigt werden soll –, ist die Mitwirkung an der Beschlussfassung der Miteigentümer über eine solche Sache grundsätzlich zu versagen (vgl RS0013594, RS0013436, RS0013609 [T9], RS0013680; hA: vgl auch Klausberger in Klang3 §§ 834, 835 ABGB [2022] Rz 13 und § 833 ABGB [2022] Rz 37, Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas4 § 834 ABGB [2015] Rz 11 und Sailer/Painsi in KBB7 [2023] § 833 ABGB Rz 5, jeweils mwN aus Rsp und Lehre). Die anderen Miteigentümer, die eine solche außerordentliche Verwaltungsmaßnahme durchführen wollen, haben in einem solchen Fall die Ermächtigung durch den Außerstreitrichter einzuholen (vgl RS0013436; RS0013680).
Der Außerstreitrichter hat nach § 835 ABGB eine wichtige Veränderung (wie hier die Antragstellung nach § 11 LPG) zu genehmigen, wenn sie offenbar (also eindeutig) vorteilhaft ist. Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls und vom Standpunkt der Gesamtheit aller Miteigentümer zu beurteilen (RS0013703; RS0013440), etwa dahin, ob beispielsweise eine Maßnahme der Kündigung eines mietenden Miteigentümers bessere Verwendungsaussichten für das Objekt mit sich bringt (vgl 5 Ob 8/09a). Der Beschluss des Außerstreitrichters ist eine im Wesentlichen von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung (RS0013650 [T2]). Bei der Abwägung der Gesamtinteressen der Eigentumsgemeinschaft hat eine angemessene Berücksichtigung der subjektiven Lage der einzelnen Teilhaber, also der persönlichen und familiären Verhältnisse und Bedürfnisse einzufließen, was schon aus der innerhalb eines Gemeinschaftsverhältnisses bestehenden wechselseitigen Treuepflicht (vgl 5 Ob 249/12x) folgt, die auch die Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Teilhaber erfordert (vgl RS0013701). Es kommt dabei nicht nur auf finanzielle Interessen an, sondern es sind die gesamten Umstände des Falls zu berücksichtigen, wie etwa ein persönliches (immaterielles) Interesse eines Miteigentümers am Weiterbestehen seiner Wohnmöglichkeit (vgl 5 Ob 8/09a mwN).
Der hier zu beurteilende Antrag stellte darauf ab, die gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen, ob die Antragsgegnerin dafür einen – einem Fremdvergleich standhaltenden, zumindest aber einen den geänderten innerfamiliären Verhältnissen entsprechend anzupassenden – angemessenen Pachtzins (§§ 4, 11 LPG) an die Gemeinschaft zu zahlen hätte. Warum eine solche Überprüfung für die Gemeinschaft nicht von Vorteil sein sollte, wurde letztlich nicht nachvollziehbar dargelegt.
Dr. Iris Mutz
Wien/Klagenfurt, Juli 2024
WMWP Rechtsanwälte GmbH