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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Februar 2023

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


Streitiges Recht

1 Ob 178/22 s – Zinsrückstände für eine Schutzhütte

Die Klägerin hatte der Beklagten eine Schutzhütte verpachtet und erhob aufgrund von Zinsrückständen Pachtzins- und Räumungsklage.

Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ist die COVID-19-Pandemie als „Seuche“ iSd § 1104 ABGB zu werten (RS0133812). Führen aufgrund dieser Pandemie durch Gesetz oder Verordnung angeordnete Betretungsverbote für Geschäftsräume in Bestandobjekten zu deren gänzlicher Unbenutzbarkeit, ist sowohl auf Miet- als auch auf Pachtverträgen § 1104 ABGB anzuwenden; bloß teilweise Unbenutzbarkeit führt hingegen zur Anwendung des zwischen Miet- und Pachtverträgen differenzierenden § 1105 ABGB (9 Ob 31/22g). Nach der ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs 2 der 2. bis 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung galten Schutzhütten als Beherbergungsbetriebe, deren Betreten nach § 8 Abs 1 dieser Verordnungen zum Zweck der Inanspruchnahme von Dienstleistungen untersagt war.

Da die Beklagte aber mit einer Zinszahlung von über € 300,00 aus Zeiträumen, die nicht in die 2. bis 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung fielen, im Verzug war, wurde darin kein – ein allenfalls die Auflösung des Vertrags nicht rechtfertigender – bloßer „Bagatellbetrag“ (worunter geringe Centbeträge zu verstehen sein könnten; vgl Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1118 Rz 81) gesehen. Das Zahlungs- und Räumungsbegehren bestand daher zu Recht.

3 Ob 172/22y – Zur fristgerechten Einbringung einer Räumungsklage nach Ablauf eines befristeten Mietverhältnisses

Das Bestandverhältnis lief am 30. April 2021 aus. Nach den Feststellungen wurde – aufgrund der Berücksichtigung des Umstands, dass der 1. Mai Staatsfeiertag und der 2. Mai ein Sonntag war, offensichtlich zeitnah vor dem Vertragsende – zwischen der Hausverwaltung und dem beklagten Mieter die Rückstellung der Wohnung für Anfang Mai, nach dem Wochenende 1. und 2. Mai, vereinbart. Die Hausverwaltung versuchte erfolglos den Beklagten telefonisch zu erreichen, um mit ihm den exakten Rückgabetermin zu vereinbaren, und sandte ihm hierauf am 7. Mai auch E-Mails. Nachdem es der Hausverwaltung an einem nicht mehr feststellbaren Tag Anfang Mai gelungen war, den Beklagten zu erreichen, erklärte dieser, er wolle bei der Rückstellung „einen Rechtsanwalt dabeihaben“, und weil dieser in der laufenden Woche keine Zeit habe, werde er sich bei der Hausverwaltung hinsichtlich der Rückstellung melden. Nachdem sich der Beklagte bis zum 17. Mai weiterhin nicht gemeldet hatte, fragte die Hausverwaltung bei ihm nach, wann nun der Übergabetermin stattfinden werde, worauf dieser ihr am 18. Mai mitteilte, dass er die Wohnung nicht zurückstellen werde. Am 19. Mai wurde die Räumungsklage eingebracht.

Zur Verhinderung einer stillschweigenden Erneuerung des Bestandvertrags nach § 569 ZPO dadurch, dass der Bestandnehmer nach Ablauf der Bestandzeit fortfährt, den Bestandgegenstand zu gebrauchen oder zu benützen, ist nicht unbedingt notwendig, dass der Bestandgeber innerhalb der in der Vorschrift genannten Frist Räumungsklage erhebt (vgl RS0020764RS0033050 [T2]). Es reicht aufgrund der verba legalia „und der Bestandgeber es dabei bewenden lässt“, dass in dieser Frist nach außen erkennbare Erklärungen und Schritte geschehen, die objektiv betrachtet keinen Zweifel an der Ablehnung der Erneuerung des Bestandverhältnisses zulassen (vgl RS0020764 [T2]; RS0020790). Eine derartige Handlung oder Erklärung kann auch schon vor Ablauf der Bestandzeit erfolgen; sie muss nur in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Ende der Bestandzeit stehen (RS0020764 [T6]). Bei Vorliegen eines der Annahme einer stillschweigenden Vertragsverlängerung entgegenstehenden, zeitnah vor dem Vertragsende oder innerhalb der in § 569 ZPO genannten Frist nach Vertragsende gesetzten Verhaltens kann aber der Umstand, dass anschließend lange mit der Räumungsklage zugewartet wird, den Schluss rechtfertigen, die stillschweigende Verlängerung des Vertrags werde jetzt doch akzeptiert (vgl RS0033050 [T2]).

In diesem Fall konnte im Zusammenhang mit den Bemühungen der Hausverwaltung mit der Rückstellung der Wohnung, objektiv betrachtet, kein Zweifel an der Ablehnung der Erneuerung des Bestandverhältnisses durch die klagenden Vermieter aufkommen.

5 Ob 134/22 z – Widmungsänderung eines als Geschäftslokal und Lager genutzten Objekts

Die Kläger begehrten, unter anderem, die Nutzung der Objekte im Erdgeschoß als Veranstaltungssaal, Gastronomiebetrieb oder Wohnung, zu unterlassen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Frage der Widmung auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen (RIS-Justiz RS0120725RS0119528 [T4]). In einem Nachtrag zum Wohnungseigentumsvertrag wurde hier eine unspezifische Widmung als Geschäftsraum vereinbart.  Besteht keine spezifische Geschäftsraumwidmung, war also kein bestimmter Geschäftsbetrieb im Wohnungseigentumsobjekt Grundlage des Wohnungseigentumsvertrags, dann haben sich die Mit- und Wohnungseigentümer schon bei der Begründung des Wohnungseigentums grundsätzlich mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt (5 Ob 105/16a). Nach der Rechtsprechung fällt unter den Begriff des „Geschäftslokals“ auch das Gastgewerbe; eine Differenzierung zwischen diesem Begriff und einem „Gastronomielokal“ hat insoweit nicht zu erfolgen (vgl 5 Ob 122/05k mwN).

Die Änderung der Widmung von Lagerräumlichkeiten zu Zwecken der Gastronomie und Veranstaltungen indiziert hingegen eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Wohnungseigentümer und bewirkt damit ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer oder eine diese ersetzende Zustimmung des Außerstreitrichters einen Eingriff in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer (vgl allgemein 5 Ob 235/17w mwN).

 10 Ob 46/22w – Umsatzeinbußen, die dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen sind, rechtfertigen keine Mietzinsminderungsansprüche

Die Beklagte ist Mieterin von Geschäftsräumlichkeiten in der Grazer Innenstadt, in denen sie ein Bekleidungsgeschäft betreibt. Zwischen dem ersten und dem zweiten, dem zweiten und dem dritten Lockdown und auch nach dem dritten Lockdown bis Ende Februar 2021 gab es an dem gegenständlichen Standort Umsatzrückgänge im Vergleich zu den jeweiligen Monaten im Jahr 2019. Diese Umsatzrückgänge sind auf die Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie zurückzuführen. In diesen Monaten gab es am Standort eine geringere Kundenfrequenz.

Wenn die in Bestand genommene Sache wegen eines außerordentlichen Zufalls gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist nach § 1104 ABGB kein Mietzins zu entrichten. Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstücks, so wird ihm gemäß § 1105 ABGB ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Lassen sich Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters daher auf behördliche Maßnahmen, also auf jene Betretungsverbote zurückführen, die anlässlich der COVID-19-Pandemie verfügt wurden, so sind solche Umsatzeinbußen konkrete Folgen einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs des Bestandobjekts und im Rahmen einer Mietzinsminderung zu berücksichtigen.

Soweit Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters jedoch – wie in diesem Fall – eine unmittelbare Folge der COVID-19-Pandemie sind, die sämtliche Unternehmer wie (auch) den Mieter des Geschäftslokals, insbesondere dessen gesamte Branche, allgemein und insgesamt treffen, sind diese dem Unternehmerrisiko zuzuordnen und daher für den zu zahlenden Mietzins nicht relevant. Diese Auswirkungen der Pandemie sind keine Gebrauchsbeeinträchtigungen des vom Vermieter vereinbarungsgemäß zur Verfügung zu stellenden Objekts. Die §§ 1096, 1104 f ABGB bilden daher keine Grundlage für eine allein darauf aufbauende Mietzinsminderung.

Außerstreitiges Recht

5 Ob 55/22g – Untergang des Bestandgegenstands

Der Mietgegenstand, eine Lagerhalle, ist aus technischer Sicht abbruchreif. Die einzige technisch geeignete Methode zur Behebung dieses Bauzustands ist der Abriss und Neubau.

Die Erhaltungspflicht des Vermieters findet auch im Anwendungsbereich des MRG grundsätzlich an der Unwirtschaftlichkeit der Erhaltung des Gebäudes ihre Grenze (§ 6 MRG; RIS-Justiz RS0020813). Nur bei den privilegierten Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 3 Z 2 lit a bis c MRG ist der Einwand der Unwirtschaftlichkeit unbeachtlich (RS0069990; vgl auch RS0114401RS0069992). Arbeiten, die Kraft eines öffentlich-rechtlichen Auftrags vorzunehmen sind (lit a), die der Behebung von Baugebrechen, die die Sicherheit von Personen oder Sachen gefährden, dienen (lit b) oder die zur Aufrechterhaltung des Betriebs von bestehenden Wasserleitungs-, Lichtleitungs-, Gasleitungs-, Beheizungs- (einschließlich der zentralen Wärmeversorgungsanlagen), Kanalisations- und sanitären Anlagen erforderlich sind (lit c), sind daher jedenfalls durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gilt das aber nicht, wenn eine „erhaltende“ Sanierung ausgeschlossen ist und praktisch einem Neubau gleichkommende Maßnahmen erforderlich sind. Dies führt vielmehr zum „rechtlichen Untergang“ des Mietobjekts iSd § 29 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 1112 ABGB, sodass der Mieter sich infolge Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr erfolgreich auf § 3 Abs 3 Z 2 MRG berufen kann (5 Ob 192/07g = RS0122971RS0069990 [T2], RS0027764 [T4]; vgl auch 5 Ob 34/11b5 Ob 537/89 und 5 Ob 275/03g = RS0118608 [Unmöglichkeit von Erhaltungsarbeiten nach Abbruch des Hauses]). Der „rechtlichen Untergangs“ des Mietobjekts iSd § 29 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 1112 ABGB setzt nicht voraus, dass ein Abbruchbescheid besteht. Die Vertragsbeendigung nach § 29 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 1112 ABGB ist vielmehr erst die Folge davon, dass die Baugebrechen, die zur Bescheiderlassung geführt haben, aus technischen Gründen nicht behoben werden können oder der Bestandgeber diese nicht behebt und dazu auch nicht verpflichtet ist (RS0027764RS0122970).

5 Ob 121/22p – Die Beschränkung des § 5 Abs 2 Satz 1 WEG gilt sowohl für die erstmalige Begründung von Wohnungseigentum als auch für derivative Erwerbsvorgänge innerhalb der Dreijahresfrist

Ob der Liegenschaft wurde im Juni 2018 das Wohnungseigentum einverleibt. Die Erstantragstellerin ist Wohnungseigentümerin von KFZ-Abstellplätzen. Sie verkaufte der Zweitantragstellerin mit Vertrag vom 10. 12. 2018 diejenigen Mindestanteile, mit denen das ausschließliche Nutzungsrecht an zwölf Abstellplätzen verbunden ist. In diesem Kaufvertrag ist in Punkt II. unter anderem festgehalten: „Die Käuferin ist in Kenntnis, dass eine Einverleibung des Eigentumsrechtes gemäß § 5 Abs 2 WEG nicht vor Ablauf von drei Jahren ab Begründung von Wohnungseigentum (das war am 20. 06. 2018), an der Gesamtliegenschaft erfolgen kann, zumal sie außer den Abstellplätzen kein weiteres Wohnungseigentum an einer Wohnung auf der kaufgegenständlichen Liegenschaft erwirbt. Die Eigentumseintragung kann daher nicht vor dem 20. 06. 2021 beantragt werden.“

§ 5 Abs 2 WEG will innerhalb der Frist von drei Jahren die „Liegenschaftsangehörigen“ beim Erwerb von KFZ-Abstellplätzen bevorzugen. Nur sie sollen während der Wartefrist Wohnungseigentum an einem Abstellplatz erwerben können, sofern sich der Wohnungseigentumsorganisator, der sich das Wohnungseigentum an KFZ-Abstellplätzen vorbehalten hat, zur Veräußerung der damit verbundenen Mindestanteile entschließt. Der Gesetzeszweck erfordert es daher, dass Erwerb iSd § 5 Abs 2 WEG nicht nur die sachenrechtliche Verfügung (§ 431 ABGB), sondern bereits den Rechtsvorgang erfasst, der dem liegenschaftsfremden Dritten einen Anspruch auf sachenrechtliche Übereignung des Mindestanteils gibt, mit dem das ausschließliche Nutzungsrecht an einem KFZ-Abstellplatz verbunden ist. Auch beim derivativen Erwerb verstößt der Abschluss eines Kaufvertrags vor Ablauf der Wartefrist damit gegen § 5 Abs 2 WEG, was gemäß § 879 Abs 1 ABGB dessen Nichtigkeit zur Folge hat.

Die Erwerbsbeschränkungen in § 5 Abs 2 WEG verbieten damit jedenfalls die Einverleibung des Wohnungseigentums an einem KFZ-Abstellplatz zugunsten eines „Liegenschaftsfremden“ in einem Rang, der zeitlich vor dem Ablauf der Wartefrist liegt. Die Erwerbsbeschränkungen des § 5 Abs 2 Satz 1 und 2 WEG gelten nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung sowohl für die erstmalige (konstitutive) Begründung von Wohnungseigentum als auch für derivative Erwerbsvorgänge innerhalb der Drei-Jahres-Frist (RIS-Justiz RS0129132).

Die Beschränkungen des ersten und zweiten Satzes des § 5 Abs 2 WEG sind Kraft gesetzlicher Anordnung nicht auf denjenigen Wohnungseigentumsorganisator anzuwenden, der für die Wohnungseigentumsbegründung und den Abverkauf der Wohnungseigentumsobjekte hauptverantwortlich zeichnet (§ 5 Abs 2 letzter Satz WEG idF der WRN 2006). Innerhalb der dreijährigen Wartefrist ist es daher zulässig, an „überzähligen“ KFZ-Stellplätzen zugunsten des hauptverantwortlichen Wohnungseigentumsorganisators Wohnungseigentum zu begründen, auch wenn diesem sonst kein selbständiges Wohnungseigentum an der Liegenschaft zukommt (5 Ob 223/19hT. Hausmann in Hausmann/Vonkilch4 § 5 WEG Rz 16b). Der nachfolgende Verkauf durch den Wohnungseigentumsorganisator unterliegt jedoch ebenfalls den Einschränkungen des § 5 Abs 2 Satz 1 und 2 WEG (5 Ob 223/19h). Nach Ablauf der dreijährigen Frist gelten aber keine Beschränkungen mehr. Weder für die Wohnungseigentümer noch für „liegenschaftsfremde“ Personen besteht dann noch eine Einschränkung beim Erwerb von Abstellplätzen. Nach Ablauf dieser Frist „herrscht der Markt ohne weitere Beschränkungen“ (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 40).

Der in diesem Fall zwischen den Antragstellern innerhalb der Wartefrist des § 5 Abs 2 WEG abgeschlossene Kaufvertrag über KFZ-Abstellplätze ist daher nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig und damit keine taugliche Grundlage für die begehrte Grundbuchseintragung. Dass sie, wie im Vertrag festgehalten, den Antrag auf Verbücherung erst nach Ablauf von drei Jahren nach Begründung des Wohnungseigentums an der Liegenschaft stellten, kann die Nichtigkeit des Vertrags nicht beseitigen und damit auch keine (nachträgliche) Wirksamkeit des Vertrags begründen.

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, Februar 2023

WMWP Rechtsanwälte GmbH