Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Februar 2021
Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht
Dr. Iris Mutz |
Mag. Michael Achleitner LL.M. |
Mag. Martin Mutz LL.M. |
STREITIGES RECHT
3 Ob 66/20g – Die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG und die Vorschrift des § 14 MRG über das Mietrecht im Todesfall sind auch auf einen genossenschaftlichen Nutzungsvertrag anzuwenden
Mit Einantwortungsbeschluss wurde den Beklagten aufgrund ihrer unbedingten Erbantrittserklärungen der Nachlass nach ihrem verstorbenen Vater je zur Hälfte eingeantwortet. Ihr Großvater hatte Jahrzehnte zuvor mit der Klägerin einen Nutzungsvertrag auf unbestimmte Dauer über die Wohnung Top Nr 2 im Haus der Klägerin abgeschlossen. In der Folge wurden der Genossenschaftsanteil und die Nutzungsrechte an der Wohnung einvernehmlich an den Vater der Beklagten übertragen.
Die Erben wurden von der Klägerin ersucht die Wohnung unter Verwendung eines mitgeschickten Formulars aufzukündigen. Ein Präsentationsrecht stehe den Erben nicht zu.
An einem eigenständigen Nutzungsrecht des Genossenschafters, das regelmäßig mit seinem Mitgliedschaftsrecht verknüpft ist und nur ausnahmsweise ein eigenes Schicksal haben kann, wurde bereits durch die ersatzlose, im Zuge eines fortschreitenden Angleichungsprozesses zwischen Miet- und Nutzungsverträgen erfolgte Aufhebung des § 20 Abs 2 alt WGG durch das 1. WÄG der Boden entzogen. § 20 Abs 2 WGG ordnet seit Inkrafttreten des 1. WÄG ua schlicht die Anwendung der §§ 29 und 30 MRG auf genossenschaftliche Nutzungsverträge an, sodass insoweit alle Unterschiede zum Mietvertrag – auch den, dass in der Regel erst die Aufhebung der Mitgliedschaft den Nutzungsvertrag beendet – beseitigt (5 Ob 44/91 mwN).
Gemäß § 20 Abs 1 Z 1 lit a und b WGG sind daher auch auf einen genossenschaftlichen Nutzungsvertrag, insbesondere die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG und die Vorschrift des § 14 MRG über das Mietrecht im Todesfall anzuwenden.
Auch wenn der Nutzungsvertrag vor Inkrafttreten des MRG (und des WGG 1979) geschlossen wurde, ist das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes dennoch nach der nun geltenden Rechtslage zu beurteilen, weil sich der relevante Sachverhalt (der Tod des Nutzungsberechtigten) erst nach Inkrafttreten des MRG ereignete (RS0008695).
Die Aufkündigung war wirksam und waren die Beklagten zur geräumten Übergabe des Objekts verpflichtet, da die Voraussetzung für einen Eintritt nicht erfüllt waren.
*
5 Ob 95/20m – Benützungsvereinbarungen, Lärmimmissionen und Videoüberwachung
Der Beklagte Mit- und Wohnungseigentümer ist entsprechend einer im Grundbuch gemäß § 17 Abs 3 WEG ersichtlich gemachten Benützungsregelung berechtigt, eine planmäßig dargestellte, unverbaute Fläche der Liegenschaft ausschließlich zu nutzen und auf dieser eine Garage und an der Liegenschaftsgrenze eine Gartenmauer zu errichten. Er hatte sodann eine ursprünglich bestehende Terrasse abgegraben und an deren Stelle eine Doppelgarage sowie eine Terrasse neu errichtet. Die Garagen nutzte er als Hobby- und Bastelwerkstätte, von der erheblicher Lärm, oft länger als 5 Stunden pro Tag, ausging. Dabei hielt er sich zum Teil auch nicht an die von der Gemeinde vorgeschriebenen Ruhezeiten. Weiters installierte er eine Videokamera, die jedenfalls bis zur Klageerhebung so eingestellt war, dass auch die nördlich der von der Benützungsregelung umfassten Fläche liegenden Allgemeinbereiche überwacht wurden.
Die Kläger begehrten den Beklagten schuldig zu erkennen, die von ihm geschaffene Doppelgarage samt Terrasse zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, es zu unterlassen, die von ihm errichtete Doppelgarage als Werkstatt zur Verrichtung lärmerzeugender Arbeiten zu nutzen und es zu unterlassen, Allgemeinflächen der Liegenschaft mittels Videokamera zu überwachen.
Eine Benützungsvereinbarung zwischen Miteigentümern bewirkt die Umgestaltung allgemeiner Gebrauchsbefugnisse eines Miteigentümers in Sondernutzungsrechte an bestimmten Sachteilen (RS0029352). Sie gibt ihm das alleinige Nutzungs- und Verfügungsrecht über einen bestimmten Sachteil und ist nur insofern eingeschränkt, als in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen wird oder deren wichtige Interessen beeinträchtigt werden könnten (5 Ob 25/13g mwN). Während eine einvernehmliche Abänderung einer Benützungsregelung jederzeit möglich ist (5 Ob 20/01d; Vonkilch in Vonkilch/Hausmann, Österreichischen Wohnrecht4 § 17 WEG Rz 39), sieht § 17 Abs 2 WEG die gerichtliche Kompetenz zur Abänderung einer bestehenden Benützungsregelung aus wichtigem Grund vor. Streitigkeiten über Benützungsregelungen unter Wohnungseigentümern sind daher im besonderen wohnrechtlichen Außerstreitverfahren abzuhandeln (5 Ob 93/17p). Auch die Aufhebung einer vertraglichen Regelung der Benützung ist als Änderung im Sinn dieser Bestimmung zu verstehen (Kothbauer in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKoWohnrecht § 17 WEG Rz 22). Bei bestehender Benützungsregelung bewirkt eine Antragstellung nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG im Zweifel eine außerordentliche Kündigung einer bestehenden Vereinbarung (RS0013576). Die Bindung daran erlischt erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung (Vonkilch aaO Rz 20 mwN; Kothbauer aaO Rz 26). Eine solche Entscheidung lag hier nicht vor.
Nach den Feststellungen verursacht der Beklagte Lärm, der das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß bei Weitem übersteigt. Die von ihm produzierte Lärmentwicklung beeinträchtigt die ortsübliche Benutzung der Wohnungen der Kläger wesentlich. Ein Unterlassungsbegehren kann auch dann hinreichend bestimmt sein, wenn – ohne Angabe von Messeinheiten – lediglich die Unterlassung störenden Lärms begehrt wird (RS0037178; vgl auch RS0010509 [T6; T5]). Wesentlich ist, dass die Unterlassungspflicht ausreichend deutlich gekennzeichnet ist. Das ist bei dem auf Unterlassung von Lärmimmissionen durch beispielhaft aufgezählte Tätigkeiten, die mit der Verwendung störenden Lärm erzeugender Geräte einhergeht, gerichteten Begehren der Fall.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein Unterlassungs- und/oder Beseitigungsbegehren berechtigt, wenn der Beklagte das Recht der Kläger auf Achtung ihrer Privatsphäre (Geheimsphäre), das als absolutes Persönlichkeitsrecht Schutz gegen Eingriffe Dritter genießt, verletzt hat (6 Ob 231/16p mwN). Eine solche Verletzung liegt bereits vor, wenn sich ein Betroffener durch die Art der Anbringung einer Überwachungskamera und dem äußeren Anschein einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt fühlt (RS0127583 [T1]). Die Überwachung oder die Schaffung des Eindrucks der Überwachung des eigenen (mit Nutzungsrechten anderer nicht belasteten) Grundstücks wird hingegen grundsätzlich als zulässig angesehen (RS0127583 [T5]).
*
5 Ob 97/20f – Im Rahmen der ordentlichen Verwaltung ist der bestellte Hausverwalter autonom zuständig
Die Mitarbeiter eines mit diversen behördlich aufgetragenen Sanierungsarbeiten beauftragten Unternehmens, rissen über Anordnung der Beklagten mehrere Meter der Gartenmauer samt dem darauf befindlichen Zaun ab, um mit Baumaschinen leichter auf das Grundstück zu gelangen. Danach stimmte die mit Mehrheitsbeschluss neu bestellte Hausverwaltung der bereits vorgenommenen Öffnung der Gartenmauer zu und erklärte, dass diese bis zum Abschluss der aufgrund des Bescheids der Baubehörde sowie der gemäß der Entscheidung des Erstgerichts vorzunehmenden Sanierungsarbeiten unverändert bestehen bleiben könne.
Die Kläger begehrten die Beklagte schuldig zu erkennen, jegliche Durchführung von Bauarbeiten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, insbesondere den Abriss von Teilen der Gartenmauer und des Zauns ohne Zustimmung der Kläger zu unterlassen und den ursprünglichen Zustand der Gartenmauer samt Zaun auf eigene Kosten wiederherzustellen.
Ist ein Verwalter bestellt, vertritt er die Eigentümergemeinschaft (§ 18 Abs 3 Z 1 WEG) und es steht ihm nach § 20 Abs 1 zweiter Satz WEG (allein) die Verwaltung der Liegenschaft zu. Der bestellte Verwalter von Wohnungseigentum ist im Rahmen der ordentlichen Verwaltung autonom zuständig (RS0083447 [T3]). Es obliegt ihm, zu beurteilen, inwieweit Maßnahmen dem Zweck der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Guts entsprechen, ob sie sich also nach dem normalen Verlauf der Dinge als notwendig und zweckmäßig erweisen (vgl dazu RS0013573).
Nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG gehört die Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft iSd § 3 MRG, einschließlich baulicher Veränderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen, zur ordentlichen Verwaltung. Zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten gehören auch dann noch zur Erhaltung bestehender Anlagen, wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt, es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserungen“ anzusehen sind (RS0114109; RS0083121). Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit ist jedoch eine Reparaturbedürftigkeit, Schadensgeneigtheit oder Funktionseinschränkung (RS0116998). Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre gehören zu den Erhaltungsarbeiten auch die Vor- und Nacharbeiten (vgl für viele: 5 Ob 143/14m; Würth in Rummel, ABGB³ § 3 MRG Rz 3; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 3 MRG Rz 10).
Da der bestellte Verwalter von Wohnungseigentum im Rahmen der ordentlichen Verwaltung autonom zuständig ist, kann die von der Beklagten beauftragte Maßnahme letztlich nicht anders gesehen werden, als wäre sie vom Verwalter zur Vorbereitung (gleichzeitig oder später) beauftragter Sanierungsmaßnahmen in Auftrag gegeben worden und ist damit als Vorarbeit Teil der Erhaltung iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG. Mit seiner Erklärung hatte der Verwalter die eigenmächtige Verwaltungsmaßnahme der Beklagten nachträglich genehmigt, sodass die verbotene Eigenmacht vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz weggefallen und der Wiederherstellungsanspruch erloschen ist.
*
5 Ob 180/20m – Gravierende Änderung von Baumaßnahmen, denen die übrigen Wohnungseigentümer ursprünglich zugestimmt haben, bedürfen einer neuerlichen Willensbildung der Wohnungseigentümer
Bei dem Dachgeschossausbau kam es zu Abweichungen von der Baubewilligung, weshalb die Klägerin einen Auswechslungsplan erstellen ließ. Die Klägerin beantragte die Beklagten zur Zustimmung zu der von der rechtskräftigen Baugenehmigung abweichenden Bauführung gegenüber der zuständigen Baubehörde, durch Unterfertigung des Auswechslungsplans, zu verpflichten.
Nur eine gravierende Änderung von Baumaßnahmen, denen die übrigen Wohnungseigentümer ursprünglich zugestimmt haben, bedarf einer neuerlichen Willensbildung der Wohnungseigentümer nach § 16 WEG (5 Ob 55/19b; vgl RS0127250). Die ergänzende Vertragsauslegung kann ergeben, dass geringfügige Änderungen – insbesondere wenn sie ihre Ursache in einer notwendigen Anpassung an tatsächliche bauliche Gegebenheiten hatten – von der ursprünglichen Zustimmung gedeckt sind (5 Ob 55/19b). Die Frage, ob eine baubehördliche Bewilligung eine Änderung erforderlich macht und zu erlangen ist, spielt im Verfahren nach § 16 WEG solang keine Rolle, als nicht von vornherein feststeht, dass mit einer Bewilligung der Baubehörde keinesfalls zu rechnen ist (RS0083330 [T1]). Die für baubewilligungspflichtige Maßnahmen durch die Bauordnungen vorgeschriebene Zustimmung aller Miteigentümer ist durch Beschluss des Außerstreitrichters im Änderungsverfahren dann durchsetzbar, wenn eine Verletzung von Interessen der übrigen Miteigentümer nicht in Betracht kommt. Es genügt daher, dass der die Änderung anstrebende Mit- und Wohnungseigentümer die gewerberechtlichen und/oder baurechtlichen Voraussetzungen für sich hat. Sind die Änderungen baubehördlich voraussichtlich zulässig, müssten die widerstrebenden Mit- und Wohnungseigentümer aufzeigen, weshalb dennoch mit der Baubewilligung nicht zu rechnen ist. Entspricht die Änderung nicht den Bauvorschriften, müsste der Bauführer dartun, dass dennoch eine Bewilligung erfolgen kann.
Der von der klagenden Partei vorgelegte Plan samt statischer Berechnung war hier ausreichend und geeignet, bei der Baubehörde eingereicht zu werden und zu einem Baukonsens zu führen. Die Entscheidung über die Baubewilligung selbst und die Überwachung der bewilligungsgemäßen Bauausführung (darunter fällt auch die Frage, ob der tatsächlich errichtete Dachbodenausbau den nunmehr eingereichten Plänen entspricht), kommt nur der Baubehörde zu. Nur diese hat zu prüfen, ob das errichtete Bauwerk dem Auswechslungsplan entspricht. Den Beklagten bleibt es unbenommen, ihre öffentlich-rechtlichen Einwendungen im Bauverfahren zu erheben.
AUSSERSTREITIGES RECHT
5 Ob 222/19m – Kein Erfordernis der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zu Abänderungen beim Ausbau, wenn diese Abweichungen lediglich geringfügig sind
Die Antragsteller der Dachgeschoss-Wohnungen 9 und 10 beantragten die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu den Abänderungen beim Ausbau der Dachgeschosswohnungen gemäß dem zur Herstellung des baubehördlichen Konsenses notwendigen Auswechslungsplans zu ersetzen.
Für die Beurteilung, ob eine Maßnahme eine genehmigungspflichtige Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG bewirkt, ist auf den bestehenden Zustand des betreffenden Objekts abzustellen. Prüfmaßstab ist dabei der aktuelle rechtmäßige Bestand. Es ist also ein Rückgriff auf den aufrechten vertraglichen Konsens der Mit- und Wohnungseigentümer erforderlich. Nur Maßnahmen, die von diesem „ursprünglichen“ Konsens nicht erfasst sind, fallen unter § 16 Abs 2 WEG (5 Ob 55/19b).
Mehrere bauliche Veränderungen sind grundsätzlich in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen und nicht für sich zu beurteilen (5 Ob 38/19b mwN). Eine Einordnung der einzelnen Änderungen in die Kategorien der Z 1 und Z 2 des § 16 Abs 2 WEG und deren gesonderte Beurteilung allein nach den jeweils für die einzelne Kategorie aufgestellten Erfordernissen ist also in der Regel nicht zielführend (5 Ob 38/19b; RS0083309 [T2]). Die gesonderte Beurteilung einzelner Änderungen ist (nur) zulässig, wenn diese in keinem untrennbaren Zusammenhang stehen. Das trifft zu, wenn die angestrebten Maßnahmen objektiv voneinander trennbar sind und der änderungswillige Wohnungseigentümer, der die Ersetzung der Zustimmung zu den einzelnen trennbaren Änderungen begehrt, eindeutig zum Ausdruck bringt, auch an einer teilweisen Stattgebung interessiert zu sein (5 Ob 38/19b mwN; RS0083040).
Sind die Bauabweichungen in ihrer Gesamtheit oder einzeln als geringfügig anzusehen, kommt es auf die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG nicht an.
*
5 Ob 71/20g – Die Anordnung des § 14d Abs 4 WGG idF WRN 1999 ist nur im Fall einer Erst- oder Neuvorschreibung (Anhebung) der Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge nach Inkrafttreten der WRN 1999 anzuwenden
Bei der Berechnung des angemessenen Entgelts für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung oder eines Geschäftsraums darf für Wohnungen die den Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz unterliegen (auch) ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag gemäß § 14d WGG angerechnet werden.
Nach § 14d Abs 4 WGG in der Fassung BGBl Nr 559/1985 musste die Bauvereinigung das Verlangen auf Entrichtung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags dem Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten spätestens einen Monat vor dem Entgeltstermin, zu dem die Entrichtung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags gefordert wurde, schriftlich mit der Verpflichtung bekanntgeben, dass der so geforderte Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag innerhalb von zehn Jahren ab der jeweiligen Entrichtung zur Finanzierung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten, deren Kosten durch die Rückstellung gemäß § 14 Abs 1 Z 5 WGG nicht gedeckt sind, verwendet und hierüber jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres eine gesonderte Abrechnung (§ 19 Abs 1 WGG) gelegt wird.
Ab seiner Novellierung durch die Wohnrechtsnovelle 1999 (WRN 1999), BGBl I Nr 147/1999 beschränkte § 14d Abs 2 WGG die Höhe des zulässigen EVB je m² der Nutzfläche und Monat je nach Erstbezugsdatum mit bestimmten festgelegten Beträgen bzw Bruchteilen davon. Dadurch ergaben sich drei Stufen des EVB. Gemäß § 14d Abs 4 WGG idF WRN 1999, BGBl I Nr 147/1999, musste die Bauvereinigung das Verlangen dem Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten spätestens zwei Monate vor dem Entgeltstermin, zu dem die Entrichtung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags gefordert wird, schriftlich mit der Verpflichtung bekanntgeben, dass der so geforderte Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag, soweit er den Betrag nach § 14 Abs 2 Z 3 WGG (die Grundstufe) übersteigt, innerhalb von zehn Jahren ab der jeweiligen Entrichtung zur Finanzierung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten verwendet und hierüber jeweils zum 30. Juni eines jeden Kalenderjahres eine gesonderte Abrechnung (§ 19 Abs 1 WGG) gelegt wird; zur Erfüllung der Schriftform reichte bei automationsunterstützt hergestellten Erklärungen an Stelle der eigenhändigen Unterschrift des Erklärenden auch die drucktechnische Anführung von dessen Namen aus. Mit dem schriftlichen Verlangen eines den Betrag nach § 14 Abs 2 Z 3 WGG (die Grundstufe) übersteigenden EVB waren auch Art, Umfang und Kostenschätzungen der aus dem so geforderten Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag zu finanzierenden Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten bekanntzugeben (§ 14d Abs 4 WGG idF WRN 1999). Wurde von der Bauvereinigung die Einhebung eines EVB nach § 14d Abs 2 Z 1 WGG (3. Stufe) für die Durchführung von Verbesserungsarbeiten, die über die normale Ausstattung hinausgehen, begehrt, konnte gemäß § 14d Abs 4a WGG idF WRN 1999 mindestens ein Viertel der Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten innerhalb von zwei Monaten ab dem Einhebungsbegehren die gerichtliche Überprüfung der Zweckmäßigkeit und Angemessenheit der veranschlagten Kosten dieser Verbesserungsarbeiten beantragen.
Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Wohnbauinvestitionsbank (WBIB-G) erlassen und das Bundesgesetz über Steuerliche Sondermaßnahmen zur Förderung des Wohnbaus und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert werden, BGBl I Nr 157/2015 (in der Folge kurz: Novelle 2016), erfuhr der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag gemäß § 14d WGG eine Neuordnung: Die formellen Erfordernisse für die Vorschreibung und die Verpflichtung zur Bekanntgabe von Art, Umfang und Kostenschätzungen der aus dem so geforderten EVB zu finanzierenden Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten sind mit der Novelle 2016 entfallen (5 Ob 237/17i).
Strittig war hier, ob die mit der WRN 1999 eingeführte Bekanntgabe-Verpflichtung des § 14d Abs 4 letzter Satz WGG nur für den Fall galt, dass nach Inkrafttreten der WRN 1999 erstmals ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag eingehoben wurde, oder auch für den – hier vorliegenden –Fall, dass Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge bereits vor Inkrafttreten der WRN 1999 verlangt und danach (abgesehen von der Indexierung bzw Valorisierung) unverändert weiter eingehoben wurden.
Es wird die Auffassung vertreten, dass die Bestimmung des § 14d Abs 4 letzter Satz WGG idF WRN 1999 nur für Erst- oder Neuvorschreibungen des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags nach dem Inkrafttreten der WRN 1999 galt. Die Anordnung des § 14d Abs 4 WGG idF WRN 1999 ist demnach nur im Fall einer Erst- oder Neuvorschreibung (Anhebung) der Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge nach Inkrafttreten der WRN 1999 anzuwenden. Schon vor dem Inkrafttreten der WRN 1999 zulässig vorgeschriebene EVB der zweiten oder dritten Stufe waren ab dem 1. 9. 1999 nicht neuerlich und gemäß der ab diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des § 14d Abs 4 WGG vorzuschreiben.
*
5 Ob 173/20g – Anhebung des Mietzinses aufgrund rechtlicher und wirtschaftlicher Veränderungen in der Mietergesellschaft
12a Abs 3 erster Satz MRG gibt dem Vermieter das Recht zur Anhebung des Mietzinses, wenn sich bei der Mietergesellschaft die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ändern. Die entscheidende Änderung muss aber kumulativ die rechtlichen und die wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten betreffen. Eine bloß rechtliche Änderung, mit der eine wirtschaftliche nicht einhergeht, führt daher nicht zur Mietzinsanhebung.
Das Kippen der Mehrheitsverhältnisse indiziert zwar den Machtwechsel, die konkreten Auswirkungen davon sind aber jeweils im Einzelfall zu prüfen sind (5 Ob 198/09t). Ergibt eine solche Prüfung, dass trotz Änderung der rechtlichen Verhältnisse keine wirtschaftliche Änderung eintritt, weil am Ende eines Vorgangs unveränderte Machtverhältnisse stehen, ist kein Anhebungsrecht bewirkt (RS0125715). Liegt so wie in diesem Fall keine Änderung der wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten vor, weil sich an der Person nichts geändert hat, die auf der obersten Ebene – der Konzernspitze – Einfluss ausübt (vgl 5 Ob 267/05h; 6 Ob 88/06v), berechtigt dies auch nicht zu einer Anhebung des Mietzinses nach §12a Abs 3 1. Satz MRG.
Dr. Iris Mutz
Wien/Klagenfurt, Februar 2021
WMWP Rechtsanwälte GmbH