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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter August 2021

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


AUSSERSTREITIGES RECHT

5 Ob 177/ 20 w – Anwendung des MRG auf einen Gruppenhof

Die Antragsgegner sind Miteigentümer einer Liegenschaft, die unter anderem aus einem Grundstück mit einer Fläche von 803 m², davon Baufläche 530 m² und Gärten 273 m², besteht. Auf diesem Grundstück sind zwei baulich nicht miteinander verbundene, aber unmittelbar nebeneinander gelegene Gebäude errichtet. Dabei handelt es sich – dem für die Region typischen Haufen- oder Gruppenhof entsprechend – um ein freistehendes, rechteckiges Bauernhaus und ein L-förmig angeordnetes ehemaliges Wirtschafts- und Stallgebäude. In diesem Gebäude befinden sich drei Wohneinheiten.

Gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG gelten die §§ 14, 16b, 29 bis 36, 45, 46 und 49 MRG, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und II. Hauptstücks des Mietrechtsgesetzes für Mietgegenstände, die durch den Ausbau eines Dachbodens oder einen Aufbau aufgrund einer nach dem 31. Dezember 2001 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind, sowie (hier nicht relevant) unausgebaute Dachbodenräumlichkeiten, die mit der Abrede vermietet werden, dass – wenn auch zum Teil oder zur Gänze durch den Hauptmieter – entweder in ihnen oder in einem an ihrer Stelle durchgeführten Aufbau eine Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit errichtet werde.

Die Formulierung „neu errichtet“ in § 1 Abs 4 Z 2 MRG zielt auf die Erweiterung eines bereits bestehenden Gebäudes durch (unter anderem) den Ausbau des Dachbodens ab und stellt – wie der Begriff „Neuschaffung“ in § 16 Abs 1 Z 2 zweiter Fall MRG – darauf ab, dass ein zuvor nicht vorhandenes Mietobjekt (neu) gewonnen wird, also zum bestehenden Bestand hinzukommt. Damit kann auf die zu dieser Bestimmung ergangene Judikatur zurückgegriffen werden, sodass das von den Antragstellern ab 1. 10. 2016 angemietete Objekt durch den Ausbau des Dachbodens im L-förmig angelegten ehemaligen Wirtschaftsgebäude der Antragsgegner durch bauliche Maßnahmen nach dem 31. 12. 2001 neu geschaffen worden sein müsste, damit der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG zum Tragen kommt. Das setzt voraus, dass es zuvor entweder überhaupt nicht vorhanden oder – hier von Relevanz – zur Verwendung als Wohnraum nicht geeignet (im Sinn von völlig unbenützbar) war. Darauf, ob bei einer baulichen Verbindung mit dem nach diesem Stichtag ausgebauten Dachboden die dadurch neu geschaffene Nutzfläche überwiegt, kommt es entgegen der Ansicht des Rekursgerichts und der Antragsgegner hingegen nicht an. Da im Zug des nach dem 31. 12. 2001 erfolgten Dachbodenausbaus in den Mietgegenstand Gebäudeteile einbezogen worden sind, die bereits vor diesem Stichtag errichtet worden waren und aufgrund ihres Umfangs sowie ihrer Bedeutung für die Vermietung als ausnahmeschädlich beurteilt werden müssen, kommt der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht zum Tragen.

Nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG fallen Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Mehrere auf einem Grundbuchskörper errichtete Häuser sind dabei in der Regel gemeinsam zu betrachten (RS0069376 [T5]; 5 Ob 55/17z), es sei denn, eine solche Betrachtungsweise erschiene unbillig (RS0079849RS0069949). Das wäre der Fall, wenn nach der Verkehrsauffassung tatsächlich und wirtschaftlich voneinander getrennte selbständige Objekte bzw Häuser vorliegen und jedes für sich allein eine wirtschaftlich selbständige Einheit bildet (5 Ob 220/18s Pkt 4.1). Nach den Feststellungen teilen alle Wohneinheiten in den beiden am Grundstück errichteten Gebäuden eine gemeinsame Kläranlage, werden über eine Wasserleitung mit nur einem einheitlichen Wasserzähler und über eine gemeinsame Stromleitung mit einem Haupt- und drei Subzählern für die Einheiten im L-förmigen Gebäude versorgt. Aufgrund dessen war davon auszugehen, dass es sich bei den beiden Häusern nicht um tatsächlich und wirtschaftlich voneinander unabhängige Objekte handelt.

Die von den Antragstellern angemietete Wohnung unterliegt daher dem Vollanwendungsbereich des MRG.

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5 Ob 178/20t – Bestandverträge mit Kirchenorganen

Gemäß § 867 ABGB sind die Voraussetzungen für die Gültigkeit eines Vertrags mit einer unter der besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinde oder ihren einzelnen Gliedern und Stellvertretern aus der Verfassung derselben und den politischen Gesetzen zu entnehmen. Zu den in § 867 ABGB genannten, unter der besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinden sind nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung auch die kirchlichen juristischen Personen zu zählen (2 Ob 129/12b mwN, 2 Ob 8/14m; RIS-Justiz RS0014720). Die Gültigkeit eines Vertrags ist nach kanonischem Recht zu beurteilen (2 Ob 129/12b mwN, 2 Ob 8/14mRS0038784 [T5, T6]). Nach Art XIII § 2 zweiter Satz Konkordat 1933 findet die Gebarung mit dem kirchlichen Vermögen unter Aufsicht und Kontrolle der zuständigen Kirchenbehörden oder Ordensoberen statt. Ohne deren Zustimmung kann solches Vermögen weder veräußert noch belastet werden. Ist die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts durch einen Kirchenoberen vorgesehen, beschränkt ein derartiges Genehmigungserfordernis die Handlungsfähigkeit und Verfügungsgewalt der kirchlichen Organe über Kirchenvermögen. Die Beschränkung der Handlungsfähigkeit des betreffenden kirchlichen Organs wirkt gegen jeden Dritten (8 Ob 20/11s2 Ob 129/12b2 Ob 8/14mRS0014717 [T13, T14, T15]). Das von einem (vertretungsbefugten) kirchlichen Organ ohne die im kanonischen Recht vorgesehene Genehmigung einer übergeordneten Stelle abgeschlossene Geschäft ist daher ungültig und kann keine rechtsgeschäftliche Wirkung hervorbringen (2 Ob 129/12b mwN, 2 Ob 8/14mRS0014720 [T2]). Ein ohne die nach diesem Recht erforderliche Zustimmung zustande gekommener Vertrag ist nichtig (vgl RS0038784 [T1], RS0111822). Ein Schutz des Vertrauens auf einen äußeren Tatbestand kommt dann in Betracht, wenn ein Rechtsgeschäft vom kirchlichen Vertretungsorgan ohne die erforderliche Genehmigung der übergeordneten Stelle abgeschlossen wurde, aber die übergeordnete Stelle selbst ein Verhalten für die Zurechnung des äußeren Tatbestands gesetzt hat. Sofern also dem zuständigen Organ ein auf die Vertretungsvollmacht des Handelnden deutender äußerer Tatbestand zurechenbar ist, käme ein Rechtsgeschäft nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht rechtswirksam zustande (2 Ob 129/12b2 Ob 8/14mRS0038563 [T3, T4]).

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5 Ob 189/20k – Abberufung des zum Verwalter bestellten Miteigentümers

Der zum Verwalter bestellte Miteigentümer ist von der Abstimmung über seine Abberufung im Regelfall nicht ausgeschlossen (RS0133287). Bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen kann dieser Miteigentümer im Rahmen der Beschlussfassung daher eine (sofortige) Abberufung mit seiner eigenen Stimme verhindern.

Allen übrigen Miteigentümern gemeinsam steht gegen den verwaltenden Miteigentümer allerdings ein Abberufungsantrag aus wichtigem Grund zu. Die Abberufung ist als Streitigkeit im Zusammenhang mit der Verwaltung iSd § 838a ABGB im außerstreitigen Rechtsweg geltend zu machen. Miteigentümer, die nicht als Mitantragsteller auftreten wollen, sind als Mitantragsgegner in das Verfahren einzubeziehen und auf Duldung der geltend gemachten Rechtsgestaltung in Anspruch zu nehmen (RS0133288).

Das Individualrecht auf Auflösung des Verwaltungsvertrags kann nur dann erfolgreich ausgeübt werden, wenn nach dem Verhalten des Verwalters begründete Bedenken gegen seine Treue- und Interessenwahrungspflicht bestehen. Es muss sich dabei um Gründe handeln, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung so gewichtig sind, dass die Wahrnehmung der Interessen der Wohnungseigentümer nicht mehr gesichert ist (RS0083249). Es bedarf einer gravierenden, die Vertrauensbasis zerstörenden Pflichtverletzung (RS0083249 [T4]). Unter diesen Voraussetzungen können auch mehrere einzelne Pflichtverletzungen des Verwalters, die für sich allein betrachtet noch keine grobe Vernachlässigung seiner Pflichten darstellen, bei einer Gesamtschau die Abberufung rechtfertigen (RS0083249 [T2], RS0111894 [T1]). Bei der Prüfung von Auflösungsgründen ist auch jeweils eine Zukunftsprognose anzustellen (RS0101593 [T1]).

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5 Ob 24/21x – Änderungen an einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft stellen nicht schon deshalb, weil sie eine Veränderung der Nutzwerte nach sich ziehen, eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen der anderen Miteigentümer dar

Der Antragsteller begehrte die Zustimmung des Antragsgegners zu verschiedenen Änderungen, wie die Errichtung eines Carports, einer Gartenhütte, eines Flugdachzubaus und einer Pergola sowie für die Umwidmung der Garage in ein Lager, zu ersetzen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Änderung aber nicht schon allein deshalb ein empfindlicher Eingriff in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer und damit eine Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Interessen iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG, weil sie eine Veränderung der Nutzwerte nach sich zieht (RS0109643 [T1]; RS0083271 [T1]).

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5 Ob 243/20a – Erwirkung einer den Mehrheitsbeschluss substituierenden Entscheidung des Außerstreitrichters nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG iVm § 30 Abs 1 WEG

Die Entscheidung des Gerichts im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG iVm § 30 Abs 1 WEG ist rechtsgestaltend. Sie ersetzt den von der Eigentümergemeinschaft abgelehnten oder versäumten Mehrheitsbeschluss (RIS-Justiz RS0123170). Bis zur rechtskräftigen Entscheidung in diesem Außerstreitverfahren bleibt es den Wohnungseigentümern daher – grundsätzlich (vgl zur Problematik des Hinhaltens 5 Ob 42/09a) – unbenommen, entsprechende Beschlüsse zu fassen. Der damit verbundene Wegfall der Verfahrensvoraussetzung der „Untätigkeit der Mehrheit“ (vgl 5 Ob 40/18w) zieht dann die allgemeinen verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Erfüllung eines bereits gerichtlich geltend gemachten Anspruchs nach sich.

Für die gegenteilige Auffassung, nach Einleitung eines Verfahrens zur Erwirkung einer den Mehrheitsbeschluss substituierenden Entscheidung des Außerstreitrichters betreffend die Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen könne die Eigentümergemeinschaft in dieser Sache keinen Beschluss mehr fassen, finden sich weder Anhaltspunkte im Gesetz (vgl RS0042656) noch würde diese dem Zweck des Verfahrens nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG iVm § 30 Abs 1 WEG gerecht.

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1 Ob 92/21t – Kündigung wegen Störung des friedlichen Zusammenlebens

Der ehemalige Mitbewohner und Freund der Mieterin, versetzte einer im Haus aufhältigen Spendensammlerin einen Schlag ins Gesicht, wodurch diese eine Rötung und Schwellung im Bereich der linken Gesichtshälfte unterhalb des Auges erlitt. Aufgrund dieses Vorfalls und auch, weil er am selben Tag fahrlässig eine Waffe, nämlich ein Kampfmesser mit einer Klingenlänge von rund 12 cm besessen hatte, obwohl ihm dies gemäß § 12 Waffengesetz 1996 verboten war, wurde er zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Keiner der Mitbewohner des Hauses hat mit der Mieterin persönlich Probleme; kein Mitbewohner wurde jemals von ihrem damaligen Freund bedroht.

Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens nach § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt. Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur, wenn sie schwerwiegend sind, jedoch können mehrere, an sich geringfügige Vorfälle den Kündigungstatbestand bilden (RIS-Justiz RS0070303).

Da hier die vom Mitbewohner begangenen strafbaren Handlungen weder gegenüber der Vermieterin noch gegenüber einer im Haus wohnenden Person erfolgten, war der Kündigungstatbestand nicht erfüllt. Die Spendensammlerin hatte keinen Bezug zu diesem geschützten Personenkreis. Zwischen der Spendensammlerin, gegenüber der die Körperverletzung begangen wurde, und der Vermieterin bzw den übrigen Hausbewohnern bestand weder eine geschäftliche noch eine verwandtschaftliche Beziehung, die es rechtfertigen würde, diese zum geschützten Personenkreis der „Mitbewohner“ zu zählen.

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5 Ob 21/21f – Voraussetzungen für die Jahrespauschalverrechnung der Betriebskosten

Der Vermieter darf die Verrechnungsart der Jahrespauschalverrechnung nicht wählen, wenn keine Daten über die Betriebskosten des vorausgegangenen Kalenderjahres vorliegen (E. M. Hausmann aaO Rz 43; Egglmeier/Jäger in Schwimann, ABGB² § 21 MRG Rz 41; Würth in Rummel, ABGB³ § 21 MRG Rz 10 je mwN).

Bei der Bekanntgabe der Pauschalraten für das kommende Jahr kommt es nicht auf das Vorliegen der formellen Abrechnung gemäß § 21 Abs 3 MRG an, die erst bis zum 30. 6. des folgenden Jahres zu erstatten ist (siehe auch Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 21 MRG Rz 16; Egglmeier-Schmolke/Schinnagl in Böhm/Pletzer/ Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 21 MRG Rz 58; zu einer vergleichbaren Ausgangslage bereits 5 Ob 228/18t).

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5 Ob 39/21b – Voraussetzungen für eine Zwangsverwaltung gem. § 6 Abs 2 MRG

Die Bewilligung der Zwangsverwaltung gem. § 6 Abs 2 MRG setzt grundsätzlich (nur) voraus, dass die Durchführung der nach § 6 Abs 1 MRG aufgetragenen Arbeiten trotz Verstreichens der dafür gesetzten Frist unterblieben ist und der Antrag in dem Exekutionstitel Deckung findet (5 Ob 60/15g; RIS-Justiz RS0116300). Der Antrag kann aber ungeachtet der abgelaufenen Frist abgewiesen werden, wenn mit der alsbaldigen Schaffung einer Sachlage zu rechnen ist, bei der eine bewilligte Zwangsverwaltung ohnedies nach § 6 Abs 3 Z 3 MRG einzustellen wäre (5 Ob 60/15gRS0116301).

Derzeit war zwischen Parteien des Verfahrens noch ein Außerstreitverfahren anhängig, in dem beantragt worden war, dass das Gericht die Zustimmung zur Neuerrichtung der Aufzugsanlage ersetzen möge. Diese Uneinigkeit der Miteigentümer steht der Bewilligung der Zwangsverwaltung hier nicht entgegen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts (RS0069303) konnte iSd § 6 Abs 3 Z 3 MRG nicht damit gerechnet werden, dass die aufgetragenen Arbeiten in naher Zukunft durchgeführt werden. Die von der Zweitantragsgegnerin behauptete Unwirtschaftlichkeit der aufgetragenen (bloßen) Sanierung der Aufzugsanlage ist weder ein Grund für die Abweisung des Antrags nach § 6 Abs 2 MRG noch ein Einstellungsgrund nach § 6 Abs 3 MRG.

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5 Ob 46/21g – Feststellung der Höhe der rückforderbaren Kaution im Außerstreitverfahren

Die Kaution ist nach § 16b Abs 2 MRG nur insoweit rückforderbar, als sie nicht zur Tilgung von berechtigten Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis herangezogen wird.  Im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8b MRG muss der Vermieter als Antragsgegner nur klarstellen, welche konkrete, dem Grund und der Höhe nach spezifizierte(n) Gegenforderung(en) er dem Rückforderungsanspruch des Mieters entgegenhält, um eine Überprüfung der rückforderbaren Kaution zu ermöglichen.

Für das Mietzinsüberprüfungsverfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG nehmen Rechtsprechung (5 Ob 143/16i = wobl 2017/228/69 [Klicka] = RIS-Justiz RS0131113) und Lehrmeinungen (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23 § 37 MRG Rz 8; Klicka in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 37 MRG Rz 16) echte Konkurrenz an zwischen der Möglichkeit, in Verbindung mit einem in das Außerstreitverfahren verwiesenen Feststellungsantrag einen Rückforderungstitel nach § 37 Abs 4 MRG zu erhalten, und der Geltendmachung des Anspruchs mit einer selbstständigen Klage.

Im streitigen Verfahren steht es der beklagten Partei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs frei, der Klageforderung mehrere Gegenforderungen entgegenzuhalten. Diese Gegenforderungen muss sie bestimmt angeben. Eine auf mehrere Forderungen gestützte pauschale (gerichtliche) Aufrechnungseinrede verstößt gegen das auch für Gegenforderungen geltende Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO (RIS-Justiz RS0037570).

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5 Ob 56/21b – Keine Bindungswirkung des gerichtlich festgelegten zulässigen Hauptmietzinses bei Veränderung des Bestandsgegenstands (Objektgröße)

In einem Schlichtungsstellenverfahren war für die verfahrensgegenständliche Wohnung bereits eine Erhöhung der Hauptmietzinse gemäß §§ 18, 18b, 18c und 19 MRG für den Zeitraum 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2019 bewilligt worden. Die Wohnung war in dem Verfahren als Kategorie „A“ mit „Tür Nummer 10–11“ mit einer Nutzfläche von 62 m² spezifiziert.

Die Wohnung war im Zuge einer Sanierung in weiterer Folge umgestaltet worden. Sie hatte sodann eine Gesamtnutzfläche von 74,65 m2. Räumlichkeiten im Gesamtausmaß von 12,6 m2 (einschließlich Loggia) wurden erst im Zug der Sanierung 2012 geschaffen und mit der (vormaligen) Wohnung Top 10–11 zur (nunmehrigen) Top 10 verbunden. Gegenstand des Verfahrens war der Antrag auf Überprüfung des vereinbarten Hauptmietzinses nach § 16 Abs 2 MRG für die 2017 gemietete Wohnung – ob die vorangegangene Entscheidung der Schlichtungsstelle Bindungswirkung habe.

Die Ausfluss der materiellen Rechtskraft darstellende und aus Gründen der Entscheidungsharmonie allein nicht auszuweitende (RS0102102) Bindungswirkung der Erhöhungsentscheidung tritt einem nachfolgenden Mieter gegenüber nur unter der Voraussetzung ein, dass er auch tatsächlich das den Gegenstand der Erhöhung bildende Bestandobjekt gemietet hat. Davon kann hier aber nicht mehr ausgegangen werden. Das Gegenstand der Schlichtungsstellenentscheidung bildende Objekt wurde hier nämlich nicht nur baulich umgestaltet, sondern durch einen „Anbau“ im Gesamtausmaß von 12 m2 deutlich erweitert. Es handelte sich deshalb tatsächlich nicht mehr um das in der Schlichtungsstellenentscheidung genannte Objekt Top 10–11, für das damals ein zulässiger erhöhter Hauptmietzins festgelegt wurde. Damit ist aber der auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geltende allgemeine Grundsatz anzuwenden, dass die materielle Rechtskraft nachträglichen Sachverhaltsänderungen nicht standhält (RS0041247RS0007171).

 

STREITIGES RECHT

1 Ob 55/21a – Mietzinsminderung wegen Schimmelbefall

Die Mieter stellten viele ihrer Möbel direkt an die Wände und auch direkt vor Heizkörper. Sie lüfteten die Wohnung regelmäßig, mindestens einmal täglich und trockneten ihre Wäsche im Innenhof, wenn die Witterung dies zuließ. Es trat sodann Schimmel an Wänden und Möbeln, teilweise auch Kleidungsstücken auf. Die Mieter informierten den Vermieter, der ihnen falsches Lüftungsverhalten vorwarf. Da nach wie vor Schimmel auftrat, gaben sie gegenüber dem Vermieter an, aufgrund des Schimmelbefalls mit der vollständigen Zahlung der Miete nicht einverstanden zu sein. Obwohl es zu keiner Einigung über die Verringerung des Mietzinses kam, zahlten die Kläger weiterhin die vereinbarte Miete vollständig und gingen im Hinblick auf ihre bestehende Freundschaft davon aus, dass sie sich in der Folge noch einigen würden. Es erfolgte dann die klageweise Einforderung des Mietzinsminderungsanspruchs.

Die Beweislast dafür, dass ein Mangel vorliegt, der eine Zinsminderung rechtfertigt, trifft den Bestandnehmer (RS0021416 [T1]).  Nach § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB wird der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts von der Entrichtung des Mietzinses befreit, wenn dieses schon bei der Übergabe so mangelhaft war oder während der Bestandzeit ohne Verschulden des Bestandnehmers derart mangelhaft wurde, dass es zum bedungenen Gebrauch nicht taugt. Diese Zinsbefreiung (Zinsminderung) tritt ex lege ein und besteht ab Beginn der Unbrauchbarkeit oder Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandgegenstands bis zu deren Behebung (RS0021326RS0021457 [T4, T7]; RS0107866). Bestandzinsüberzahlungen können in solchen Fällen nach § 1431 ABGB zurückgefordert und/oder gegen laufende oder spätere Mietzinsforderungen aufgerechnet werden (RS0021337 [T2]). Die vorbehaltlose und ohne Irrtum (auch Rechtsirrtum) erfolgte Zahlung des Mietzinses in Kenntnis des bestehenden, die Brauchbarkeit des Bestandobjekts beeinträchtigenden Mangels kann jedoch unter Umständen (nach Maßgabe des § 863 ABGB) als konkludenter Verzicht auf den Mietzinsminderungsanspruch gewertet werden, der auch die Rückforderung nach § 1431 ABGB ausschließt (RS0021408 [T7, T8, T10]). Keine Mietzinsminderung steht dann zu, wenn die Gebrauchsbeeinträchtigung vom Bestandnehmer zu vertreten ist, er insbesondere den Mangel selbst (rechtswidrig) verursacht hat, ohne seine Schuldlosigkeit zu beweisen (RS0021331).

Da die Mieter die Schimmelbildung hier wiederholt gerügt hatten musste dem Vermieter bewusst sein, dass sie diesen Umstand gerade nicht akzeptierten. Ihnen steht daher mangels schlüssigen Verzichts ein Mietzinsminderungsanspruch zu.

Schimmelbildung ist ein ernster Schaden des Hauses, der zur Mietzinsminderung berechtigt (3 Ob 286/05p mwN). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Mieter mit dem Auftreten von Schimmelbildung in Wohnräumen weder bei Beginn des Mietverhältnisses noch im Laufe der Zeit zu rechnen braucht. Schimmelbildung kann, wenngleich je nach Art und Ausmaß, so doch, wenn sie nicht bloß oberflächlich ist, sogar gesundheitliche Nachteile nach sich ziehen. Daher ist grundsätzlich auch davon auszugehen, dass Schimmel der (mittleren) Brauchbarkeit entgegensteht (8 Ob 34/17h). Wird – wie im vorliegenden Fall – ein Objekt zu Wohnzwecken vermietet, hat der Vermieter dafür einzustehen, dass es in ortsüblicher Weise auch dafür genutzt werden darf und nutzbar ist. Bei der üblicherweise anzunehmenden, durchschnittlichen Brauchbarkeit eines als Wohnung vermieteten Bestandobjekts wird der Mieter daher auch erwarten können, dass mit einem durchschnittlichen Lüften das Auslangen gefunden werden kann. Ist ein darüber hinaus gehendes Lüftungsverhalten erforderlich, um Schimmelbildung zu verhindern, wird in der Regel davon auszugehen sein, dass dies an der Beschaffenheit des Bestandobjekts, nicht aber am normalen Wohnverhalten des Bestandnehmers liegt. Kann Schimmelbildung nicht mit einem normalen Lüftungsverhalten verändert werden, ist dies daher dem Vermieter, nicht dem Mieter zuzurechnen (8 Ob 34/17h).

Ursächlich für die Schimmelbildung war (speziell) in diesem Fall die starke Feuchtigkeitsbelastung des Mauerwerks durch das Fehlen einer horizontalen Abdichtung. Die Kläger hielten ein übliches und normales Lüftungsverhalten ein. Dennoch trat während des Mietverhältnisses ab Sommer 2016 immer wieder Schimmel auf. Die Mieter konnten große Teile der Wohnung – je nach Jahreszeit – nur eingeschränkt nutzen, eine Mietzinsminderung von 50% wurde dafür als angemessen befunden. Die Mietzinsminderung steht ihnen ab dem Zeitpunkt der Gebrauchsbeeinträchtigung durch die Schimmelbildung zu.

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3 Ob 59/21d – Kündigung wegen gänzlicher Weitergabe

Die Beklagte hatte anlässlich der gänzlichen Weitergabe der aufgekündigten Wohnung im Jahr 2013 erklärt, sie werde die Wohnung für ihre damals knapp 13 Jahre alte Tochter, die seit 2003 nicht mehr mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebte, also keine eintrittsberechtigte Person iSd § 14 Abs 3 MRG mehr war, ab dem Sommer 2019 wieder benötigen, weil diese dann in Wien studieren werde. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden Zukunftsprognose ist nach der Rechtsprechung nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung, sondern auf jenen der Weitergabe des Mietgegenstands abzustellen (vgl RS0070701 [T2]).

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG setzt voraus, dass der Mieter den gänzlich weitergegebenen Mietgegenstand offenbar in naher Zukunft weder für sich noch für eintrittsberechtigte Personen iSd § 14 Abs 3 MRG dringend benötigen wird. Die Beweispflicht dafür, dass er in naher Zeit die Wohnung dringend benötigt, trifft den Mieter (RS0070679). Der Kündigungsgrund war damit verwirklicht, weil die Tochter nicht zu dem Kreis der eintrittsberechtigten Personen gehört.

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3 Ob 62/21w – Geschäftsunfähigkeit eines Vertragspartners

Nach den Feststellungen war der Ende 2017 verstorbene Vater der Klägerin infolge der auf jahrelangen Alkoholmissbrauch zurückzuführenden schweren Schädigung seines Gehirns sowohl bei Einräumung des obligatorischen Wohnrechts an seiner Eigentumswohnung im Mai 2017 als auch schon bei Abschluss des mündlichen Mietvertrags mit dem Beklagten Ende Februar/Anfang März 2015 geistig nicht mehr in der Lage, die Bedeutung und Tragweite dieser Rechtsgeschäfte zu beurteilen.

Geschäftsunfähigkeit ist nicht nur bei völliger Unfähigkeit zur Willensbildung gegeben; es reicht vielmehr aus, wenn eine durch Geisteskrankheit oder Geistesschwäche behinderte Person zur Willensbildung unfähig ist oder die Tragweite des konkreten Geschäfts nicht richtig abschätzen kann (RS0014623 [T4]).

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3 Ob 71/21v – Der Räumungstitels gegen den Hauptmieter wirkt auch gegen den Untermieter

Gemäß § 568 ZPO ist ein infolge Auflösung eines Bestandvertrags über einen Gegenstand nach § 560 ZPO gegen den Bestandnehmer erwirkter Räumungstitel auch gegenüber dem Afterbestandnehmer (Unterbestandnehmer) wirksam und vollstreckbar. Diese Regelung bewirkt, dass der – gegen den Hauptbestandnehmer erfolgreiche – Bestandgeber im Exekutionsverfahren gegen den Hauptbestandnehmer (als Verpflichteten) auch eine Delogierung des Unterbestandnehmers und seiner Fahrnisse erreichen kann. Dadurch wird eine erweiterte Möglichkeit des Exekutionsvollzugs gegen dritte Personen (Nutzer) geschaffen, die ihr Benützungsrecht vom Verpflichteten ableiten (vgl Kulhanek in Höllwerth/Ziehensack § 568 ZPO Rz 1; Iby in Fasching/Konecny3 § 568 ZPO Rz 12 ff). Die Räumungsverpflichtung des Hauptbestandnehmers umfasst die „Entfernung von Personen und beweglichen Sachen“ (§ 349 EO). Dieser Wirkungsumfang wird für den Bestandgeber durch § 568 ZPO sichergestellt (vgl Iby in Fasching/Konecny3 § 568 ZPO Rz 5), soweit es sich um Personen handelt, die ihr Benützungsrecht lediglich vom Verpflichteten ableiten, also keine selbstständigen Rechte aufgrund eines zwischen ihnen und dem Betreibenden bestehenden direkten Rechtsverhältnisses haben (RS0000907RS00004097 Ob 162/57 MietSlg 6160; Heller/Berger/Stix EO4 2493 f; Höllwerth in Deixler-Hübner § 349 EO Rz 31).

Die Anordnung des § 568 ZPO gilt für eine Aufkündigung, einen Übergabsauftrag, ein stattgebendes Urteil aufgrund einer Räumungsklage nach § 1118 ABGB sowie grundsätzlich auch für einen Räumungsvergleich (RS0044968; zuletzt 3 Ob 163/15i; vgl auch Kulhanek in Höllwerth/Ziehensack § 568 ZPO Rz 4; Iby in Fasching/Konecny3 § 568 ZPO Rz 3; Höllwerth in Deixler-Hübner § 349 EO Rz 32) und einen prätorischen Räumungsvergleich  ( 1 Ob 9/04m). Der Untermieter kann daher im Fall der Beendigung des Hauptmietverhältnisses nur gegenüber seinem Vertragspartner erfolgreich das aufrechte Untermietverhältnis einwenden, nicht aber dann, wenn er vom Eigentümer nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses auf Räumung in Anspruch genommen wird. Diese Grundsätze zu § 568 ZPO, gelten nur dann nicht, wenn der Bestandgeber und der Hauptbestandnehmer kollusiv zusammengewirkt haben oder der Räumungsvergleich nur zum Schein abgeschlossen wurde (1 Ob 9/04m; vgl auch Iby in Fasching/Konecny3 § 568 ZPO Rz 4 und 10; Rechberger/Klicka5 § 568 ZPO Rz 2; Höllwerth in Deixler-Hübner § 349 EO Rz 35). In diesen Fällen kann sich der Unterbestandnehmer, der nicht Beteiligter des Exekutionsverfahrens im Sinn des § 66 EO ist, mit Exszindierungsklage gegen die Räumungsexekution zur Wehr setzen (Kulhanek in Höllwerth/Ziehensack § 568 ZPO Rz 6; Iby in Fasching/Konecny3 § 568 ZPO Rz 10). Gleiches gilt für einen Dritten, der sein Benützungsrecht materiell-rechtlich direkt vom Bestandgeber (betreibenden Gläubiger) ableitet; auch auf ihn ist § 568 ZPO nicht anwendbar (Kulhanek in Höllwerth/Ziehensack § 568 ZPO Rz 6; Iby in Fasching/Konecny3 § 568 ZPO Rz 15).

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4 Ob 62/21b – Kündigung, weil die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG setzt nach ständiger Rechtsprechung das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Form voraus (RIS-Justiz RS0070431). Der Mieter hat die gemieteten Geschäftsräume grundsätzlich zu dem ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Vertragszweck zu verwenden. Verwendet er sie zu einem anderen Zweck, dann ist die Gleichwertigkeit zu prüfen (RS0070410 [T4]).

Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde das aufgekündigte (zum Betrieb als ärztliche Ordination bzw zu Bürozwecken samt Garage vermietete) Mietobjekt vom mittlerweile 73jährigen Beklagten seit Jahren nur mehr für zwei Stunden pro Woche für die Behandlung von Patienten benützt. Der Beklagte reduzierte damit seine frühere (dem Mietvertrag entsprechende) Tätigkeit in der Ordination um 80 %. Er behandelt im Monat maximal vier bis acht Patienten, zum Teil nur zwei. Angestellte sind in der Ordination nicht tätig, es gibt dort auch keine Unterlagen. die Beurteilung, die Verwendung des Mietobjekts in einem so geringen Ausmaß könne nicht mehr als geschäftliche Tätigkeit im Sinne des Vertrags angesehen werden, war vertretbar.

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, August 2021

WMWP Rechtsanwälte GmbH