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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter April 2022

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

 

 


Außerstreitiges Recht

5 Ob 74/21z – Vereinbarung der Wohnungseigentümer allgemeine Teile einer Liegenschaft nicht für einen bestimmten Zweck nutzen zu dürfen

Auf der im Mit- und Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft, auf der sich eine Tiefgarage der Wohnungseigentumsanlage befindet, gibt es 37 PKW-Abstellplätze. Ausgewiesene Abstellplätze für Mopeds oder Motorräder gibt es auf der Liegenschaft nicht. Die Antragsteller beantragten die „Erlassung einer Benützungsvereinbarung gemäß § 17 WEG“ des Inhalts, dass sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft berechtigt sind, in der auf dieser Liegenschaft gelegenen Tiefgarage einspurige Fahrzeuge auf bestimmten, in einem beiliegenden Plan eingezeichneten Flächen, nicht dauerhaft abzustellen.

Jeder Wohnungseigentümer kann eine gerichtliche Regelung über die Benützung der verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft oder die gerichtliche Abänderung einer bestehenden Regelung aus wichtigen Gründen beantragen (§ 17 Abs 2 WEG). Allgemeine Teile der Liegenschaft stehen im ideellen Miteigentum aller Wohnungseigentümer. Nach allgemeinen Grundsätzen steht der Gebrauch einer im Miteigentum stehenden Sache jedem Teilhaber grundsätzlich soweit zu, als dadurch der konkrete Gebrauch der anderen nicht gestört wird. Zum Wesen einer Benützungsregelung gehört es daher, diese allgemeinen Gebrauchsbefugnisse eines Mit- und Wohnungseigentümers in Sondernutzungsrechte an bestimmten Teilen der gemeinsamen Sache umzugestalten (5 Ob 7/17s mwN).

Das Begehren der Antragsteller ist zwar nominell auf Erlassung einer Benützungsregelung gemäß § 17 Abs 2 WEG gerichtet. Die damit angestrebte Regelung soll aber nicht die Zuweisung von Sondernutzungsrechten beinhalten, sondern die Klarstellung oder Änderung der Nutzungswidmung bestimmter allgemeiner Teile. Die Antragsteller fordern weder für sich noch für andere Miteigentümer Sonderrechte durch Zuweisung ausschließlicher Benützungsrechte an den fraglichen Flächen ein. Ein solches Begehren, das auf eine gleichartige Nutzung von allgemeinen Teilen durch alle Mit- und Wohnungseigentümer gerichtet ist, widerspricht der Rechtsnatur einer Benützungsregelung nach § 17 Abs 2 WEG. Ein Begehren, das nicht auf die rechtsgestaltende Zuweisung ausschließlicher Benützungsrechte abzielt und daher den materiellen Erfordernissen einer Benützungsregelung nicht Rechnung trägt, ist von § 17 Abs 2 WEG nicht erfasst und war daher abzuweisen (5 Ob 7/17s mwN).

5 Ob 153/21 f – Zum Sondernutzungsrecht an einer Teilfläche des Gemeinschaftsgartens

Die Antragstellenden Mit- und Wohnungseigentümer beantragten die Zuweisung des Rechts zur ausschließlichen Nutzung einer Teilfläche des Gemeinschaftsgartens.

Grundsätzlich ermöglicht es die Bestimmung des § 17 Abs. 2 WEG jedem einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer, die Umwandlung seiner allgemeinen Gebrauchsbefugnisse in Sondernutzungsrechte an bestimmten Teilen der gemeinsamen Sache zu erwirken. Daraus folgt aber nicht, dass grundsätzlich einer Antragstellung eine gerichtliche Benutzungsregelung folgt. Das Interesse an der gemeinschaftlichen Nutzung kann das Interesse der Antragsteller auf eine Sondernutzung im Einzelfall überwiegen.

In diesem Fall wirkte sich die Tatsache, dass die beabsichtigte Abzäunung eines Teilbereichs die parkähnliche Gestaltung und damit das Erscheinungsbild der gesamten Anlage verändern würde, zum Nachteil der Antragsteller aus.

Die Frage der Genehmigungsbedürftig und -fähigkeit von Abteilungen und gärtnerischen Gestaltungen von bereits in Sondernutzung stehenden allgemeinen Flächen ist aber von der Frage der Einräumung eines solchen Sondernutzungsrechts zu trennen und diesem nachgelagert. Dieses Gestaltungsrecht unterliegt anderen Beurteilungskriterien. Nur und erst dann, wenn Teile des Gartens dem einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer zur alleinigen Nutzung überlassen werden, käme ihm, bezogen auch auf diese Fläche, das nurmehr an die (großzügigeren) Voraussetzungen des § 16 Abs 2 WEG geknüpfte Recht zur Gartengestaltung zu. Das Sondernutzungsrecht wurde in diesem Fall jedoch nicht eingeräumt, sodass es zur Gartengestaltung nicht mehr kommen konnte.

5 Ob 184/21a – Freie Mietzinsbildung oder Richtwertmietzins für eine durch Dachbodenausbau geschaffene Wohnung

Das Mietobjekt war im Dachgeschoss in den Jahren 2014 bis 2015 gemäß rechtskräftiger Baubewilligung ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu aus- und aufgebaut worden. Die Gesamtfläche der aus einem Teil des Stiegenhauses und den früheren Wohnungen Nr 7 und 8 unter Einbeziehung des Dachgeschossausbaus zusammengelegten Wohnung Nr 6 beträgt 82,25 m2. Selbst bei Abzug des (neu adaptierten) Bades und WCs liegt der überwiegende Teil der Nutzfläche der Wohnung im dritten Obergeschoss und gehört dem Altbestand an.

In dem Hauptmietzinsüberprüfungsverfahren war strittig, ob die Teilausnahme des § 1 Abs 4 Z 2 MRG vorliegt oder sich die Mietzinsbildung nach dem Richtwertmietzins richtet.

Die Formulierung „neu errichtet“ in § 1 Abs 4 Z 2 MRG bezieht sich auf die Erweiterung eines bereits bestehenden Gebäudes durch (unter anderem) den Ausbau des Dachbodens und – wie der Begriff „Neuschaffung“ in § 16 Abs 1 Z 2 zweiter Fall MRG – stellt darauf ab, dass ein zuvor nicht vorhandenes Mietobjekt (neu) gewonnen wird, also zum bestehenden Bestand hinzukommt (5 Ob 177/20w Rn 33). Das angemietete Objekt muss durch den Ausbau bzw Aufbau des Dachbodens durch bauliche Maßnahmen nach dem 31. 12. 2001 neu geschaffen worden sein, damit der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG zum Tragen kommen kann. Dies setzt voraus, dass es zuvor entweder überhaupt nicht vorhanden oder zur Verwendung als Wohnraum nicht geeignet (im Sinn von völlig unbenutzbar) war. Ob bei einer baulichen Verbindung mit dem nach diesem Stichtag ausgebauten Dachboden die dadurch neu geschaffene Nutzfläche überwiegt, ist hingegen nicht ausschlaggebend. Da hier von einer einheitlichen Vermietung von getrennt nicht vermietbaren Räumen auszugehen ist, kommt nach gesicherter Rechtsprechung (vgl RS0038380RS0067001; vgl auch H. Böhm/Prader in GeKo Wohnrecht I § 1 MRG Rz 65 mwN) nur eine einheitliche, einem einzigen gesetzlichen Regime unterliegende Mietzinsbildung und keine gesonderte Beurteilung der Neu- und Altflächen im Hinblick auf Mietzinsbildungsfragen in Betracht.  Hier wurde das Mietobjekt nicht iSd § 1 Abs 4 Z 2 MRG neu errichtet, weil es – hinsichtlich eines flächenmäßig überwiegenden Anteils – bereits vor dem Dachgeschossausbau (wenn auch in anderer Konfiguration) bereits vorhanden war.

Damit unterliegt das gesamte Mietverhältnis den Zinsbeschränkungen des § 16 Abs 2 MRG.

5 Ob 209/21b – Richtwertmietzins/ durchschnittliche Lage    

Die „durchschnittliche Lage“ (§ 2 Abs 3 RichtWG) ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen (RIS-Justiz RS0111204). Das gilt auch für die nach § 16 Abs 4 MRG erforderliche Beurteilung, ob die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die „besser“ ist als die durchschnittliche. Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaft als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (5 Ob 74/17v5 Ob 104/21m).

In fußläufiger Entfernung des hier betroffenen Hauses im 6. Wiener Gemeindebezirk ist (nahezu) jegliche Art von Infrastruktur vorhanden (Nahversorger, Krankenhaus, Apotheken, Ärzte, Postfiliale, Banken, Kindergärten und mehrere [Volks-]Schulen). In der Umgebung gibt es mehrere kleinere Parks und den Esterházy-Park. Das Haus des Meeres ist 730 m entfernt. Die Kaufkraft ist leicht überdurchschnittlich. Es handelt sich um ein aufstrebendes Viertel in fußläufiger Entfernung zur dichten Lokalszene der Gumpendorfer Straße und sämtlichen Einkaufsmöglichkeiten der 700 m entfernten Mariahilfer Straße.

Eine unterdurchschnittliche Versorgung mit Grünflächen sah das Rekursgericht im Rahmen der in der Rechtsprechung geforderten Gesamtschau und Gewichtung der einzelnen Lagekriterien (5 Ob 104/21m; 5 Ob 158/18v) durch die Lage in einem aufstrebenden „InViertel“ als aufgewogen. Die Nähe zum Gürtel, der dadurch bedingten überdurchschnittlichen Belastung durch Verkehr, Abgase und Lärm sowie der vorherrschenden Kleinkriminalität („Drogen und Kriminalitätshotspot“) wurde nicht angenommen, da sich das Objekt nicht in „unmittelbarer“ Gürtelnähe mit allen negativen Begleiterscheinungen oder an einer sonst stark befahrenen Straße befindet.

Streitiges Recht

2 Ob 34/21w – Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen eines Wohnungseigentümers gegenüber dem Bauträger

Mit Kauf- und Bauträgervertrag vom 22. 2. 2012 erwarben die Beklagten von der Klägerin, einer Bauträgergesellschaft, Wohnungseigentum an einer Wohnung und zwei Tiefgaragenabstellplätzen. Das Wohnungseigentumsobjekt wurde den Beklagten am 31. 8. 2012 übergeben.

Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 26. 8. 2015 lagen in der Wohnung der Beklagten Mängel vor, die einen Sanierungsaufwand von zumindest 2.920 EUR erforderten. Außerdem gab es Mängel an allgemeinen Teilen der Liegenschaft mit einem Sanierungsaufwand von zumindest 32.954 EUR, wovon 609,35 EUR auf den Anteil der Beklagten entfielen.

Dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts steht die Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger auch dann (allein) zu, wenn die Mängel nicht (nur) sein eigenes Wohnungseigentumsobjekt, sondern allgemeine Teile des Hauses betreffen. Nach ständiger Rechtsprechung können einzelne Wohnungseigentümer solche Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche auch ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer geltend machen (5 Ob 40/18wRS0082907RS0119208). Nur wenn und soweit das Vorgehen des einzelnen Eigentümers Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, ist ein Beschluss der Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder oder eine diesen Mehrheitsbeschluss substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters erforderlich (10 Ob 56/19mRS0108157 [T3, T4 uva]; RS0108158). Eine solche unterschiedliche Interessenlage könnte insbesondere in der möglichen Wahl zwischen Verbesserungs- und Preisminderungsbegehren liegen (4 Ob 10/16y mwN; 5 Ob 40/18w).

Der Zweck des Leistungsverweigerungsrechts spricht dafür, bei der Beurteilung, ob dessen Ausübung durch den einzelnen Wohnungseigentümer wegen Mängel an allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage als Schikane zu werten ist, die gesamten Behebungskosten heranzuziehen sind.

2 Ob 216/21k – Schadenersatz: Winterdienst in Wohnhausanlage im Wohnungseigentum

Die Tochter der Klägerin ist Eigentümerin einer Eigentumswohnung im Land Salzburg. Die Eigentümergemeinschaft hat die beklagte Genossenschaft mit dem Winterdienst auf den Allgemeinflächen der Wohnhausanlage beauftragt. Die in Deutschland wohnhafte Klägerin rutschte anlässlich eines Besuchs bei ihrer Tochter zum Zweck der Übernahme einer Möbellieferung auf einem Weg in der Wohnhausanlage auf einer Eisschicht aus, stürzte und verletzte sich.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von rund 15.000 EUR für die unfallkausalen Schäden (darunter Schmerzensgeld, fiktive Haushaltshilfekosten, Kosten für Heilbehandlung) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftigen Schadensfolgen.

Die Klägerin wurde analog zu den Entscheidungen betreffend Mietverhältnisse (2 Ob 70/12a4 Ob 223/10p2 Ob 137/11b6 Ob 163/18s5 Ob 82/19y6 Ob 146/04w6 Ob 155/04v) als nicht in den Schutzbereich des Winterdienstvertrags fallend beurteilt (vgl auch RS0023168 [T4, T5, T10]; RS0020884 [T6, T9]). Die Abgrenzung richtet sich nach der Rechtsprechung nicht nach vertraglichen Beziehungen zwischen Bestandnehmer (hier: Wohnungseigentümer) und Dritten, sondern primär danach, ob es sich bei den Dritten um Mitbewohner oder bloße Besucher (Gäste, Lieferanten, Handwerker), die sich nur kurzfristig in der Wohnung aufhalten, handelt (RS0023168 [T4, T5, T10]; RS0020884 [T6, T9]).

Die unfallkausale schuldhafte mangelhafte winterdienstliche Betreuung der Allgemeinflächen, wonach die Beklagte ein Organisationsverschulden (vgl RS0023138 [T3]) treffe oder der mit dem Winterdienst betraute Gehilfe untüchtig gewesen sei, weshalb die Beklagte für diesen gemäß § 1315 ABGB hafte (vgl RS0023938), war von der Klägerin in erster Instanz nicht erstattet worden.

3 Ob 193/21k – Erheblicher nachteiliger Gebrauch

Ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Mietgegenstands iSd § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG liegt (ua) dann vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (vgl RS0068076 ua).

Der Kündigungsgrund wurde in diesem Fall verneint, weil die für die Verwirklichung dieses Kündigungsgrundes erforderliche erhebliche Schädigung der Bausubstanz durch die vom Beklagten in Auftrag gegebene Herstellung einer Zwischendecke, weder aus den Feststellungen ersichtlich, noch nach der Lebenserfahrung zu erwarten ist.

5 Ob 80/21g – Anwendbarkeit des WGG für Mietkaufwohnungen

Der Wohnungseigentümer und Vermieter zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses hatte die Wohnung im Jahr 2012 von der Beklagten, einer gemeinnützigen Bauvereinigung, im Rahmen eines Mietkaufs iSd §§ 15c ff WGG erworben.

Mit Aufhebungsvertrag aus dem Jahr 2017 vereinbarten der ursprüngliche Vermieter und die Beklagte die Aufhebung und Rückabwicklung des Kaufvertrags. Gemäß Pkt 8. dieses Aufhebungsvertrags trat die Beklagte mit Übernahme der Liegenschaftsanteile in einen allenfalls bestehenden Mietvertrag ein.

Die Beklagte als nunmehrige Vermieterin schrieb der Klägerin in der Folge bis zum vereinbarten Ende des Mietvertrags (31. 12. 2018) den vereinbarten monatlichen Hauptmietzins samt Betriebskosten vor. Nachdem die Klägerin am Ende der Vertragslaufzeit nicht aus der Wohnung ausgezogen war, schrieb die Beklagte der Klägerin im Jahr 2019 ein monatliches Nutzungsentgelt analog WGG in einer etwas geringeren Höhe vor. Ende 2019 wurde die Wohnung zwangsweise geräumt. Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Rückzahlung von im Zeitraum 1. 1. 2016 bis 31. 12. 2019 zu viel bezahlten Entgelten, da die Beklagte als gemeinnützige Bauvereinigung nur ein angemessenes Nutzungsentgelt nach § 14 WGG hätte verlangen dürfen.

Bis zum Eintritt der Beklagten in das Mietverhältnis bestand zwischen der Klägerin und der Beklagten keine Vertragsbeziehung, sodass die Beklagte für jene Entgeltbestandteile, die auf diesen Zeitraum entfallen, nicht passivlegitimiert ist (vgl RIS-Justiz RS0108811 [T5]). Mangels eines Rechtsverhältnisses zwischen der Beklagten (als einer gemeinnützigen Bauvereinigung) und der Klägerin (als Mieterin) kommt bis zu diesem Zeitpunkt auch die Anwendung des WGG von vornherein nicht in Betracht.

Veräußert der nach § 20 Abs 1 Z 2a WGG privilegiert erwerbende Mieter die Eigentumswohnung, führt dies nicht zu einer Rückführung des Objekts in das Regime des wohnzivilrechtlichen WGG. Auch für die Vermietung durch dessen Rechtsnachfolger gelten daher grundsätzlich nicht die Bestimmungen des WGG, sondern jene des MRG; dies nach Maßgabe des § 1 Abs 1, 2 und 4 MRG (Prader/Pittl, WGG1.03 § 20 Rz 11) und (seit 1. 8. 2019) des § 15h WGG. Hier hat die Beklagte die Wohnung gemäß den §§ 15b ff WGG dem bisherigen Mieter ins Wohnungseigentum übertragen. Die nachfolgende Vermietung durch diesen unterlag der Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 1 Z 2a WGG. Für das Mietverhältnis der Klägerin galt daher das MRG mit allen Ausnahmen des § 1 Abs 2, 4 und 5 MRG.

Die Bestimmung des § 15h WGG idF der Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, BGBl I Nr 85/2019, wonach bei unter Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichteten Wohnungen, die nachträglich gemäß §§ 15b ff WGG in das Eigentum (Miteigentum, Wohnungseigentum) der bisherigen Mieter übertragen werden, für einen Zeitraum von 15 Jahren ab Abschluss des ersten Kaufvertrags der Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes gilt, bei einem unbefristeten Hauptmietvertrag die Mietzinsvereinbarung insoweit unwirksam ist, als der Hauptmietzins den für das jeweilige Bundesland und die jeweilige Zinsperiode geltenden Richtwert überschreitet und der höchstzulässige Hauptmietzins sich im Fall eines befristeten Hauptmietvertrags um 25 vH verringert, war auf das Mietverhältnis der Klägerin gemäß der Übergangsbestimmung des § 39 Abs 36 WGG (noch) nicht anzuwenden.

Nur für den Fall des Wiedererwerbs des Wohnungseigentumsobjekts durch jene gemeinnützige Bauvereinigung, die dieses (als Mietgegenstand) errichtet und in der Folge iSd § 20 Abs 1 Z 2a WGG veräußert hat, vertreten Prader/Pittl (WGG1.03 § 20 Rz 12) insofern Anderes, als in diesem Fall der ursprüngliche status quo in Bezug auf das wohnzivilrechtliche Regime wiederhergestellt werde. Diese Rechtsfolge trete aber erst bei Neuvermietung ein.

Die Gefahr einer systematischen Umgehung durch Veräußerung und Rückübereignung liegt angesichts der rechtlichen Rahmenbedingungen und des damit verbundenen, vor allem auch finanziellen Aufwands nicht nahe.

7 Ob 109/21m – Lärm und unberechtigte Anzeigen verwirklichen unleidliches Verhalten, welches zu einer Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt

Der Beklagte nimmt fühlte sich seit dem Jahr 2008 durch Geräusche aus den Wohnungen Top 9, 11 und 12 gestört. Deshalb begann er mit dem Besen an die Decke und die Wände zu klopfen. Es wurde von ihm jeweils ca 8 Sekunden lang geklopft, dies mehrfach am Tag, alle drei bis vier Stunden, bis ca 00:30 Uhr. Das Klopfen begann er zeitweise früh morgens ab 6:30/7:00 Uhr. Die Vermieterin hat dem Beklagten geraten, sich gegen allfälligen Lärm durch Polizeianzeigen zu wehren. Mehrfach wurden die Mieter der anderen Wohnungen von dem Beklagten bei der Polizei angezeigt – dies zu Unrecht, eine übermäßige Lärmbelästigung fand tatsächlich nicht statt. Ein Mediationsgespräch im Jahr 2018 verlief erfolglos.

Die klagende Vermieterin brachte sodann eine Aufkündigung wegen unleidlichen Verhaltens gegen den Beklagten ein. Nachdem die Klägerin die Aufkündigung eingebracht hatte, änderte der Beklagte sein Verhalten. Er stellte das Klopfen ein und rief nicht mehr die Polizei. Deshalb wurde in der Tagsatzung im Juni 2018 zwischen den Parteien Ruhen des Verfahrens vereinbart. Im Oktober/November und Dezember 2018 verfiel der Beklagte wieder in alte Verhaltensmuster, er rief die Polizei wegen angeblichen Lärms, nahm das Klopfen wieder auf und schrie Kinder wegen angeblichen Lärms an. Im Herbst verlangten die anderen Mieter von der Klägerin mittels Unterschriftenliste einzuschreiten. Im November 2019 stellte die Klägerin den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens, weil seit rund einem Jahr wieder die festgestellten Vorfälle geschahen.

Der Beklagte wandte in dem Verfahren den Verzicht der Vermieterin auf den Kündigungsgrund ein. Es war aber nicht ersichtlich, welches konkrete Verhalten oder welche Erklärung der Klägerin der Beklagte als Verzicht auf das Kündigungsrecht werten hätte können. Vielmehr hat die Klägerin das Verfahren lediglich nicht schon zum erstmöglichen Zeitpunkt nach drei Monaten (§ 168 ZPO), sondern erst 14 Monate später fortgesetzt. Warum dies zwingend als Verzicht und nicht etwa als Verlängerung des Beobachtungszeitraums betreffend das Verhalten des Beklagten zu verstehen sein soll, vermochte der Beklagte nicht aufzuzeigen und ergab sich dies auch nicht aus den Feststellungen. Es liegt daher kein schlüssiger Verzicht auf das Kündigungsrecht vor.

Der Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens stellt die mietrechtliche Konkretisierung der Unzumutbarkeit des Fortbestands des Dauerrechtsverhältnisses dar (RS0014436). Der in Rede stehende Kündigungsgrund schützt das wichtige Interesse des Vermieters, in seinem Haus Ruhe und Ordnung zu halten (RS0067596 [T1]). Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt. Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur, wenn sie schwerwiegend sind; jedoch können mehrere, an sich geringfügige Vorfälle den Kündigungstatbestand bilden (RS0070303RS0067678). Entscheidend ist stets das Gesamtverhalten des Mieters, zu dessen Würdigung auch auf länger zurückliegende Ereignisse zurückzugreifen ist (vgl RS0070321). Wesentlich ist, ob der Tatbestand zur Zeit der Aufkündigung erfüllt war, wobei nicht nur das als Kündigungsgrund angeführte Verhalten, sondern darüber hinaus das der Kündigung vorangehende, ebenso wie das nachfolgende einer Würdigung zu unterziehen sind (RS0067519). Es kommt nicht darauf an, ob den Mieter ein Verschulden trifft, sondern darauf, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes angesehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige Erkrankung zurückgeführt werden kann. Bei krankheitsbedingtem Verhalten ist jedoch eine Interessenabwägung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (RS0067733 [insb T5]).

Hier lag aufgrund des festgestellten Sachverhalts eine Störung des friedlichen Zusammenlebens vor, die durch längere Zeit fortgesetzt wurde und die nach ihrer Art das zu duldende Ausmaß übersteigt. Dabei kommt es doch nicht auf das subjektive Empfinden oder auf das Verschulden des Beklagten an. Hinzu kommt, dass sich der Beklagte teilweise sogar gestört fühlt, obwohl eine Lärmimmission ausgeschlossen ist, weil sich die Nachbarmieter gar nicht in der Wohnung aufhalten oder schlafen. Die Klägerin hat dem Beklagten zwar geraten, sich gegen allfälligen Lärm durch Polizeianzeigen zur Wehr zu setzen, sie hat ihn aber klarerweise nicht zu unberechtigten Anzeigen geraten, was der Beklagte auch erkannt haben muss, hat er sich doch rund ein dreiviertel Jahr nach Einbringung der gerichtlichen Kündigung wohl verhalten.

 

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, April 2022

WMWP Rechtsanwälte GmbH