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OGH zur Reichweite der vorvertraglichen Anzeigepflicht von Versicherungsnehmern in der Krankenversicherung

Die Frage, ob ein Versicherungsnehmer im Rahmen einer Krankenversicherung vorvertragliche Anzeigepflichten verletzt hat, stand im Mittelpunkt eines Rechtsstreits, mit dem sich der Oberste Gerichtshof (OGH) in der Entscheidung 7Ob209/16k befasst hat.

Dabei ging es um den mitversicherten Sohn des Versicherungsnehmers. Bei einer Untersuchung war dessen Status als unauffällig eingestuft worden, allerdings hatte der Arzt eine Verdachtsprognose gestellt und weitere Beobachtung empfohlen. Laut gerichtlicher Entscheidung hätte der Versicherungsnehmer dies angeben müssen – die Frage nach bestehenden oder vormaligen Beschwerden, behandelt oder nicht behandelt, sowie die Frage nach in Anspruch genommenen Ärzten sei „ausdrücklich und ausreichend genau umschrieben“ gewesen.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Versicherungsnehmers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zwar zurück, äußerte sich aber inhaltlich zur rechtlichen Situation. Zunächst verwies er auf die in § 16 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetzt (VersVG) niedergeschriebenen Anzeigepflichten. Nicht ausdrücklich nachgefragte Umstände seien nicht schon wegen ihrer objektiven Gefahrenerheblichkeit mitzuteilen, „sondern nur dann, wenn sich die Frage konkludent auch auf sie bezieht, oder wenn ihre Mitteilung als selbstverständlich erscheint“. Beschwerden und Schmerzen sind, so der OGH, „bei entsprechender Frage auch dann anzeigepflichtig, wenn sie noch nicht eindeutig einer Krankheit zugeordnet werden“. Ob sie der Versicherungsnehmer als harmlos einschätzt, spiele dabei keine Rolle, sofern diese Beschwerden und Schmerzen „nicht offenkundig belanglos sind und alsbald vergehen“. Ebenso anzeigepflichtig seien äußere Umstände, die auf das Bestehen eines gefahrenerheblichen Zustands schließen lassen. Auch ohne Vorliegen einer ärztlichen Diagnose müsse der Antragsteller Symptome, deretwegen er zum Arzt ging, angeben. Bewertung und Beurteilung seien dann dem Versicherer zu überlassen.

Der Versicherungsnehmer habe die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt, befand der OGH. Er habe die Fragen „nach bestehenden und bestandenen, behandelten oder nicht behandelten Beschwerden“ verneint und die Frage nach den in Anspruch genommenen Ärzten bloß unvollständig beantwortet, weil er den untersuchenden Arzt nicht genannt habe.

Da „ausdrücklich und ausreichend genau umschrieben“ nach Beschwerden, die bestehen oder bestanden, sowie nach den in Anspruch genommenen Ärzten gefragt worden sei, trete nach Ansicht des OGH auch die Rechtsfolge des § 18 VersVG, wonach bei nicht genau umschriebenen Fragen ein Rücktritt des Versicherungsnehmers nur bei arglistiger Verschweigung möglich wäre, nicht ein. Vielmehr bleibe es also bei der allgemeinen Rücktrittsregelung des § 16 VersVG – und danach genüge schon leichte Fahrlässigkeit für eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Die Beweislast für ein mangelndes Verschulden an der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht treffe grundsätzlich den Versicherungsnehmer.

„Selbst, wenn dem Kläger beim Ausfüllen des Fragenkatalogs der Besuch beim Urologen zur Gänze und der Inhalt des Arztgesprächs in Teilen entfallen sein sollte, wäre ihm dies vorwerfbar, da er sich diese Umstände durch zumutbare Bemühungen – wie zum Beispiel Nachfragen bei seiner Frau – leicht wieder ins Gedächtnis rufen hätte können, zumal ihm die Beschwerden seines Sohnes bekannt und Grund für das Aufsuchen von Ärzten waren.“

Zusammenfassend vertrat der OGH die Ansicht, dass die Angabe eines erheblichen Umstands entgegen § 16 Abs. 1 VersVG unterblieben ist und der Versicherer daher nach § 16 Abs. 2 VersVG vom Vertrag zurücktreten könne. Der Versicherer bleibe nur dann zur Leistung im Sinne des § 21 VersVG verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer „jede mögliche Mitursache des falsch angezeigten oder verschwiegenen Umstands am Eintritt des Versicherungsfalls und dem Umfang der Leistungen des Versicherers“ ausschließen kann.