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Handlungsbedarf bei Crowdinvesting

Nach dem Jubelschrei der „Crowdinvesting-Crowd“ über das vor einem Jahr in Kraft getretene Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) zeigt nun das LG Graz zivilrechtliche Schranken für herkömmliche Crowdinvesting Strukturen auf.

Crowdinvesting erfolgt in aller Regel über nachrangige Darlehen. Diese Nachrangigkeit ist für diese Darlehen bestimmendes Merkmal um einerseits die Qualifikation als Einlagengeschäft  und somit die Konzessionspflicht nach dem Bankwesengesetz (BWG), und andererseits um die Prospektpflicht des Kapitalmarktgesetzes (KMG) für den Darlehensnehmer zu vermeiden.

Das LG Graz (35 Cg 153/15t) hatte nun auf Grund einer Klage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) die zivilrechtliche Zulässigkeit der Nachrangigkeitsvereinbarung in Vertragsformblätter (Allgemeine Geschäftsbedingungen – AGB) eines Unternehmens gegenüber Verbrauchern zu beurteilen.

Die verwendete Nachrangigkeitsklausel in den Darlehensverträgen lautet, wie folgt:

„Der Darlehensgeber (DG)  tritt für den Fall der Insolvenz hiermit mit seinen Forderungen unwiderruflich im Rang hinter sämtliche Forderungen gegenwärtiger und zukünftiger anderer Gläubiger (mit Ausnahme der Gläubiger, die ebenfalls Nachranggläubiger sind) zurück. Der DG kann seine Forderungen aus dem Nachrangdarlehensvertrag nicht vor, sondern nur gleichrangig mit den Einlagenrückgewähransprüchen des Darlehensnehmers (DN) verlangen (qualifizierter Rangrücktritt).

Außerhalb der Insolvenz verpflichtet sich der DG, seine Forderungen solange und soweit nicht geltend zu machen, wie die teilweise oder vollständige Befriedigung dieser Forderung zu einer zum Insolvenzantrag verpflichtenden Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des DNs führen würde. Die Forderungen des DGs können außerhalb einer Insolvenz nur nachrangig, und zwar nach Befriedigung aller anderen nicht gleichrangigen Gläubiger, und erst nach Beendigung einer allenfalls vorliegenden Krise befriedigt werden. Der DN befindet sich in einer Krise, wenn die Eigenmittelquote (§ 23 Unternehmensreorganisationsgesetz (URG)) der Gesellschaft weniger als 8% und die fiktive Schuldentilgungsdauer (§ 24 URG) mehr als 15 Jahre betragen.“

Das Gericht war der Ansicht, dass diese Klausel massiv in grundlegende dispositive Regelungen eingreift, indem das unternehmerische Risiko auf den Darlehensgeber im Umfang der Finanzierung übertragen wird, während er in keiner Weise am unternehmerischen Erfolg des Darlehensnehmers partizipiert. Dieses Ungleichgewicht kann auch nicht durch unüblich hohe Zinsen ausgeglichen werden.

Der vom LG Graz angewandte gesetzliche Maßstab ist die Inhaltskontrolle für AGB nach § 879 Abs 3 ABGB. Zu beachten ist, dass diese Kontrolle nur für Nebenbestimmungen zur Anwendung kommt. Ob die Vereinbarung der Nachrangigkeit als Nebenbestimmung zu sehen ist, ist insbesondere auch im Hinblick auf § 2 Z 2 und 3 AltFG zweifelhaft. Die Nachrangigkeit ist ja gerade wesentlicher Bestandteil dieser Finanzierungsform.

Auch ist nicht verständlich warum ein nachrangiges Darlehen als Anlageform riskanter ist, als eine Unternehmensbeteiligung, welche auch für den Verbraucher offen steht.

Obwohl beträchtliche Zweifel über die Richtigkeit dieser erstinstanzlichen Entscheidung bestehen, bleibt Rechtsunsicherheit, ob die derzeitigen Finanzierungsstrukturen im Rahmen des Crowdinvestings zulässig sind, oder ob hier rasche Änderungen erforderlich sind. Darlehensnehmer und Crowdinvestingplatformen sind daher gut beraten, sich über die Konsequenzen dieser Entscheidung auf die aktuell verwendeten Vertragsbedingungen Gedanken zu machen, da bei einer Bestätigung dieser Entscheidung durch den OGH Anpassungsbedarf bei den Vertragsbedingungen und unter Umständen sogar die Notwendigkeit der Refinanzierung von „Altverträgen“ entstehen könnte.

Ich stehe Ihnen gerne für Fragen zur Verfügung:

Dr. Roman Hager, LL.M.

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