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Blogserie | Teil 4: Die Restrukturierungsordnung (REO) – der neue Weg zur Entschuldung

Nach dem 1. Teil (Grundelemente und Wesensmerkmale), dem 2. Teil (Restrukturierungsplan, -konzept) und dem 3. Teil (Restrukturierungsverfahrensarten) befasst sich der 4. Teil dieser Blogserie mit dem neu geschaffenen Restrukturierungsbeauftragten, der Vollstreckungssperre sowie der gemeinsam mit in Kraft treten der ReO eingeführten Änderungen in der Insolvenzordnung (IO).

  1. Restrukturierungsbeauftragter

Dem Schuldner soll im ReO-Verfahren grundsätzlich die Selbstverwaltung über sein Vermögen und Unternehmen zukommen (§ 16 ReO). Sofern notwendig, kann aber zur Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger von Gericht ein ReO-Beauftragter bestellt werden.

Die Bestellung eines ReO-Beauftragten ist jedenfalls zwingend (§ 9 Abs 1 und 2 ReO), wenn

  • dies bei der Gewährung der Vollstreckungssperre zur Wahrung der Gläubigerinteressen notwendig ist,
  • die Bestätigung des Restrukturierungsplans eines klassenübergreifenden Cram-down bedarf,
  • auf Antrag der Schuldner oder die Mehrheit der Gläubiger und Erlag eines Kostenvorschusses, oder
  • Umstände bekannt sind (z.B. Verletzung der Mitwirkungs-/Auskunftspflichten, unrichtige Angaben, Ermittlungsverfahren wegen einer strafbaren Handlung, verspätete Zahlungen von „Masseforderungen“), die eine Nachteiligkeit der Eigenverwaltung zu Lasten der Gläubiger erwarten lassen.

Das Gericht hat die Aufgaben des ReO-Beauftragten festzulegen, wobei es ihm insbesondere die Unterstützung bei der Ausarbeitung des Restrukturierungsplans, die Überwachung der Tätigkeit des Schuldners oder die Übernahme oder die teilweise Kontrolle über das Vermögen oder das Unternehmen des Schuldners auf-/übertragen kann (§ 14 ReO).

Das Gericht kann dem Schuldner auch nur eingeschränkt bestimmte Rechtshandlungen verbieten oder an die Zustimmung des Gerichts/ReO-Beauftragten binden. Ohne Zustimmung vorgenommene Rechtsgeschäfte werden erst mit vollständiger Erfüllung des Restrukturierungsplans wirksam, wenn der Dritte wusste, dass keine Zustimmung erteilt worden ist (§ 16 Abs 3 ReO).

Der ReO-Beauftragte hat Anspruch auf Ersatz der Barauslagen und auf Entlohnung für seine Mühewaltung (§ 15 ReO). Die Bemessung erfolgt im Einzelfall je nach Umfang, Schwierigkeit und Sorgfalt der Tätigkeit des ReO-Beauftragten. Zur Deckung der Anlaufkosten für die Entlohnung des ReO-Beauftragten hat das Gericht dem Schuldner den Erlag eines angemessenen Kostenvorschusses binnen einer vom Gericht festzulegenden Frist per Beschluss aufzutragen; Ratenzahlungen sind auf Antrag möglich und wird hierdurch die Frist zum Erlag unterbrochen (§ 10 ReO). Sofern der Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses den Betrag von EUR 2.000 nicht übersteigt, kann dieser nicht angefochten werden. Bei einem darüber hinausgehenden Betrag kann der Beschluss – jedoch nicht abgesondert – bekämpft werden.

Die Geltendmachung bestehender Entlohnungsanspruche hat bis zur Restrukturierungsplantagsatzung zu erfolgen. Darüber hinaus gehende Ansprüche sind binnen 14 Tagen nach Tätigkeitsbeendigung geltend zu machen (§ 15 ReO). Wenn der erlegte Kostenvorschuss nicht ausreicht, ist dem Schuldner auf Antrag des ReO-Beauftragten die Zahlung der darüber hinausgehenden Kosten binnen 14 Tagen aufzugtragen.

Die Zustellung des Beschlusses auf Bestellung eines ReO-Beauftragten erfolgt an den Schuldner und an die bekannten betroffenen Gläubiger (vgl. § 9 Abs 5 ReO).

  1. Vollstreckungssperre

Auf Antrag des Schuldners kann das Gericht eine Vollstreckungssperre für gewisse, vom Schuldner selbst festzulegende Forderungen mit unanfechtbarem Beschluss anordnen (§ 19 Abs 1 und § 21 Abs 3 ReO). Das Gericht darf bei seiner Entscheidung nicht über den Antrag hinausgehen, kann aber eine Sperre aber über weniger Schuldner, als beantragt wurden, verhängen. Diese gilt sohin nicht automatisch für alle Gläubiger und wird auch erst mit Zustellung der Bewilligung gesondert an jeden Gläubiger wirksam (§ 21 Abs 2 ReO). Das Gericht darf bei seiner Entscheidung nicht über den Antrag hinausgehen, kann aber eine Sperre auch über weniger Schuldner, als beantragt wurden, verhängen.

Die Vollstreckungssperre kann alle Arten von Forderungen, einschließlich besicherter Forderungen erfassen. Die Einbeziehung nicht betroffener Gläubiger in die Vollstreckungssperre ist nur bis zur Vorlage des Restrukturierungsplans möglich. Vor der Entscheidung sind die Gläubiger nicht einzuvernehmen, ihnen steht jedoch ein Aufhebungsantrag nach § 23 ReO zu.

Das Gericht kann von der Anordnung einer Vollstreckungssperre absehen, wenn sie nicht erforderlich ist, sie die Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan nicht unterstützen kann oder der Schuldner zahlungsunfähig ist (§ 19 Abs 2 ReO). Das Gericht hat durch Einsicht in die Exekutionsdaten die Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu prüfen. Diese wird vermutet, wenn zur Hereinbringung von Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen Exekutionsverfahren gegen den Schuldner geführt werden. Die Abgabenbehörden und die Sozialversicherungsträger sind zur Auskunft darüber verpflichtet.

Die Bewilligung der Vollstreckungssperre ist nicht anfechtbar (§ 21 Abs 3 ReO). Eine öffentliche Bekanntmachung (z.B. in der Ediktsdatei) erfolgt nicht. Bei wirksamer Vollstreckungssperre darf den betroffenen Gläubigern keine Exekutionsbewilligung erteilt werden. Weiters sind der Erwerb eines richterlichen Pfand- oder Befriedigungsrechts sowie die außergerichtliche Verwertung von körperlichen Sachen ausgeschlossen (§ 19 ReO). Bereits bestehende Pfandrechte werden – vorbehaltlich einer Rückschlagsperre iSd § 12 IO (60 Tage vor Bewilligung der Vollstreckungssperre) – hingegen nicht berührt. Zudem bewirkt die Vollstreckungssperre keine Prozesssperre und auch keinen Zinsstopp.

Ab Eintritt der Vollstreckungssperre, nicht jedoch bereits mit der Verfahrenseinleitung, tritt eine Insolvenz(-antragspflichts-)sperre ein (§ 24 Abs 1 ReO). Ab Vollstreckungssperre ist über einen auf Überschuldung gestützten Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht zu entscheiden und entfällt die Verpflichtung des Schuldners einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung zu stellen. Es besteht folglich auch keine Insolvenzverschleppungshaftung ieS (§ 24 Abs 2 und § 25 Abs 1 ReO; § 69 Abs 2 IO iVm § 1311 ABGB). Bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bleibt der Schuldner jedoch weiterhin zur Insolvenzantragstellung verpflichtet. Zudem haftet der Schuldner für Zahlungen an vom Restrukturierungsplan betroffene Gläubiger sowie von Forderungen, für die eine Vollstreckungssperre gilt.

Während der Vollstreckungssperre ist ein Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit ausnahmsweise dann nicht zu eröffnen, wenn die Eröffnung unter Berücksichtigung der Umstände des Falles nicht im allgemeinen Interesse der Gläubiger ist (etwa dann, wenn ein Restrukturierungsplan bereits angenommen, jedoch noch nicht gerichtlich bestätigt wurde). Über das Vorliegen des allgemeinen Interesses hat das Gericht im ReO-Verfahren zu entscheiden (§ 24 Abs 3 ReO).

Weiters tritt eine Vertragsauflösungssperre für unterworfene Gläubiger ein (§ 26 ReO). Diese betrifft vor Eintritt der Vollstreckungssperre entstandene Forderungen und wesentliche (d.h. unternehmensrelevante), noch zu erfüllende Verträge, solange der Schuldner seinen nach Verfahrenseinleitung entstandenen Verpflichtungen nachkommt. Vertragliche Vereinbarungen bezüglich eines Kündigungsrechts, etwa bei Einleitung eines ReO-Verfahrens oder Bewilligung der Vollstreckungssperre, sind unzulässig (§ 26 Abs 3 ReO). Weiters sind die Leistungsverweigerung und einseitige Vertragsanpassung (Kündigung, Fälligstellung) durch den unterworfenen Gläubiger aufgrund offener „Altforderungen“ unzulässig, solange der Schuldner die laufenden Verpflichtungen erfüllt. Ausgenommen von der Auflösungssperre sind jedoch Kreditgeschäfte (§ 26 Abs 4 ReO).

Die Dauer der Vollstreckungssperre ist temporär und darf drei Monate bzw. bei begründeter Verlängerung sechs Monate nicht übersteigen (§ 22 ReO). Weiters ist die Vollstreckungssperre von Amts wegen bzw. auf Antrag eines Gläubigers oder des ReO-Beauftragten bei fehlender Erforderlichkeit für den Restrukturierungserfolg, bei unangemessener Beeinträchtigung der Gläubiger(klassen) sowie für Verwertungen einzelner Vermögensteile, die die Fortführung des Unternehmens nicht gefährden, vorzeitig aufzuheben (§ 23 Abs 4 ReO). Die Aufhebung kann gänzlich oder auch nur hinsichtlich einzelner Gläubiger(klassen) erfolgen.

 

WMWP Rechtsanwälte GmbH

Wien/Klagenfurt, April 2022