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Wohnrechtliche Judikatur des OGH Newsletter Juli 2018

Ihre Experten für Miet- und Wohnrecht


Dr. Iris Mutz

Mag. Michael Achleitner LL.M.

Mag. Martin Mutz LL.M.

Streitiges Recht

6 Ob 44/18s – Differenzierte Maßstäbe bei der Beurteilung der Kündigung eines Bestandverhältnisses aufgrund dringenden Eigenbedarfs betreffend Wohnraummiete gegenüber Büro- und Geschäftsraummiete

Der Vermieter kündigte das Bestandverhältnis aufgrund Eigenbedarfs (§ 30 Abs 2 Z 9 MRG). Der Vermieter beabsichtigte die Schaffung einer Groß- und Firmenkundenabteilung in der Hauptstelle durch Übersiedlung in die an den Mieter vermieteten Räumlichkeiten aus wirtschaftlichen Überlegungen. In dem Verfahren wurde festgestellt, dass der derzeitige Status auch belassen werden könne, ohne dass dadurch auf zusätzliche Kreditgeschäfte verzichtet werden müsste. Die Kundenbetreuung könne auch weiterhin aus der Bankstelle erfolgen. Überhöhte Belastungen und operationelle Risiken könnten auch durch veränderte Abläufe, Verantwortlichkeiten und Unterstützungsleistungen abgefangen werden. Dazu bedürfe es nicht des Abbaus der räumlichen Trennung zwischen Vertrieb, Marktfolge und Kompetenzträgern.

Bei der Beurteilung des dringenden Bedarfs des Vermieters ist ein strenger Maßstab anzulegen (ua 6 Ob 203/09k), 3 Ob 110(09m). Nach der bisherigen Rechtsprechung des OGH ist unter dringendem Eigenbedarf eine zumindest (wohnungs-)notstandsähnliche Situation zu verstehen, die nur dann vorliegt, wenn der Wohnungsbedarf des Vermieters (Fruchtnießers) nicht oder nur so unzulänglich gedeckt ist, dass eine unabweisliche Notwendigkeit vorliegt, diesen Mangel so bald wie möglich zu beseitigen. Es sei zu prüfen, ob der Vermieter über eine „ausreichende Wohnmöglichkeit“ verfügt, die einem Wohnsitzwechsel und damit verbundene Kündigung nicht als unabweislich notwendig erscheinen lasse. Dabei müsse jede Art der Benötigung des Bestandgegenstandes berücksichtigt werden, die sich für den Vermieter (Fruchtnießer) aus einem wichtigen persönlichen oder wirtschaftliche Bedürfnis ergibt, das nur durch die Benützung der gekündigten Wohnung befriedigt werden kann (4 Ob 167/99h). Dieses „gemäßigte Verständnis“ betreffend den dringenden Eigenbedarf ist bei der Büro- und Geschäftsraummiete jedoch nicht zu Grunde zu legen. Das bloße Bestreben eines Geschäftsraumvermieters, die eigene wirtschaftliche Lage zu verbessern, ist nicht von dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 9 MRG umfasst (1 Ob 111/01g).

3 Ob 37/18i – Zum Räumungsanspruch aufgrund qualifiziertem Mietzinsrückstand

Ein zu einer Auflösung des Mietvertrages berechtigender qualifizierter Mietzinsrückstand im Sinne des § 1118 2. Fall ABGB liegt dann vor, wenn der Mieter den Mietzins trotz gehöriger Mahnung nicht bis zum nächsten, der Mahnung nachfolgenden Zinstermin, bezahlt hat (RIS-Justiz RS0021152). Hat der Bestandgeber den Bestandnehmer vor der Zustellung der Räumungsklage gemahnt, ist die auf § 1118 2. Fall ABGB gestützte Mietzins – und Räumungsklage des Vermieters als – mit Zustellung der Klage zugegangene – Erklärung der Auflösung des Mietverhältnisses zu werten (RIS-Justiz RS0105354). Erfolgt die Mahnung jedoch erst durch die Klagezustellung, können Zinsrückstände das Räumungsbegehrens nur dann rechtfertigen, wenn sie wenigstens zu irgendeinem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens qualifiziert im Sinne des § 1118 2. Fall ABGB waren und der Bestandnehmer nach der Mahnung mit der rückständigen Zinsschuld für eine vorangegangene Periode länger als bis zum nächsten Zinstermin in Rückstand geblieben ist (RIS-Justiz RS 0127321).

Richtet sich die Mietzins– und Räumungsklage gegen mehrere Mitmieter, ist die Einmahnung des rückständigen Bestandzinses gegen jeden einzelnen von ihnen Voraussetzung für den Erfolg (ua RIS-Justiz RS001729; 3 Ob 191/15g). Anderes gilt nur für den Fall, dass die Parteien des Mietverhältnisses eine Vereinbarung dahingehend getroffen haben, dass der von einem Mieter verwirklichte Auflösungsgrund auch gegen den anderen wirkt.

 

1 Ob 24/18p – Auflösung eines Pachtvertrages im Zuge einer Insolvenz

Über das Vermögen des Bestandgebers war in Italien das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Bestandnehmerin hatte einen in Tirol gelegenen Hotelkomplex inklusive Einrichtungen, Ausstattungen, Anlagen und Zubehör samt Handelsbetrieb mit separatem Eingang im Zeitraum vom 15.10.2014 bis 31.10.2019 in Bestand genommen. Der Hotelkomplex war auch zuvor als solcher genutzt worden. Die erforderlichen Verwaltungsermächtigungen zur Ausübung der Beherbergungstätigkeit wurden zur Verfügung gestellt. Es wurde ein Jahrespachtzins in der Höhe von EUR 120.000,– zzgl Steuern vereinbart, der in gleichen monatlichen Raten vorab zu bezahlen war. Darüber hinaus wurde ein variabler Pachtzins vereinbart. Weiters wurde eine Verpflichtung zur „Führung des Unternehmenszweiges“ vereinbart. Ausdrücklich wurde vereinbart, dass der Pachtvertrag für den Fall der Nichtbezahlung aufgelöst werden könne. Es wurde die Anwendung österreichischen Rechts auf den Vertrag vereinbart. Bereits ab November 2014 zahlte die Bestandnehmerin den fixen monatlichen Bestandzins nicht mehr, da sie umfangreiche Investitionen getätigt habe und Minderungsansprüche bestünden.

Die klagende Bestandnehmerin begehrte die Feststellung, dass das Bestandverhältnis unabhängig von der Konkurseröffnung über die Bestandgeberin und von dessen Insolvenzverwalter deshalb und des bestehenden Pachtzinsrückstandes sowie der nicht erlegten Kaution, erklärten Aufhebung des Bestandvertrages, weiterhin rechtswirksam bestehe. Aufgrund Art 8 der Verordnung (EG) Nr 1346/2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) sei auf einen bestehenden Vertrag ausschließlich das Recht des Mitgliedsstaates maßgebend, in dessen Gebiet der unbewegliche Gegenstand gelegen sei, weshalb in diesem Fall österreichisches Insolvenzrecht zur Anwendung zu gelangen habe. Es läge keine Unternehmens-, sondern lediglich Liegenschaftspacht vor. Der für die Bestandgeberin bestellte Insolvenzverwalter hatte den laufenden Unternehmenspachtertrag gemäß Art 79 des italienischen Konkursgesetzes binnen angemessener Frist vorzeitig beendet.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes regelt Art 4 Abs 2 lit e EuInsVO [2000] (die Verordnung (EU) 2015/848 (EuInsVO 2015) war auf diesen Fall noch nicht anwendbar) das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung. Danach war italienisches Recht anzuwenden. Art 8 EuInsVO (ident mit Art 11 Abs 1 EuInsVO 2015) macht für Verträge, die zum Erwerb oder der Nutzung eines unbeweglichen Gegenstands berechtigt, insbesondere Miet- und Pachtverträge, von dieser Regelung eine Ausnahme. Für diese ist das Recht des Mitgliedsstaates maßgebend, in dessen Gebiet der Gegenstand gelegen ist. Unter „unbewegliche Gegenstände“ vielen jedenfalls Grundstücke und Gebäude. Ungeachtet dessen sei der Vertrag aber bei Anwendung jedes der in Frage kommenden Rechte von dem Insolvenzverwalter rechtswirksam aufgelöst worden.

Nach den Feststellungen seien in diesem Fall sowohl die Betriebsmittel als auch die notwendigen behördlichen Bewilligungen für den Betrieb der Hotels zur Verfügung gestellt worden. Darüber hinaus seien auf der Liegenschaft die beiden Hotelbetriebe bis zur Übergabe an die Bestandnehmerin geführt worden. Auch sei eine Betriebspflicht vereinbart worden. Aufgrund der Umstände sei daher von einer Unternehmenspacht auszugehen.

Wenn der Pachtvertrag gemäß Art 4 Abs 2 lit e EuInsVO italienischem Recht unterliegen sollte, bildet Art 79 des italienischen Konkursgesetzes der Konkurs keinen Grund für die Auflösung eines Vertrages über die Pacht eines Betriebes. Beide Parteien können aber innerhalb von 60 Tagen zurücktreten, wenn sie an die andere Partei eine angemessene Entschädigung zahlen, die bei fehlendem Einvernehmen der Parteien vom beauftragten Richter nach Anhörung der Betroffenen festgesetzt wird.

Sollte der Bestandvertrag gemäß Art 8 EuInsVO österreichischem Recht unterliegen, wäre maßgeblich, dass § 1118 ABGB nachgiebiges Recht enthält. Unterliegt das Bestandverhältnis keinen besonderen Schutzbestimmungen, dann können auch für den Bestandgeber günstigere Kündigungsbestimmungen vereinbart werden. Gemäß Art 18.1. des dem Rechtsverhältnis zu Grunde liegenden Bestandsvertrags wurde der Verpächter zur Auflösung des Pachtvertrages bei „Nichtbezahlung, auch teilweise, egal welcher Nebenverpflichtungen (einschließlich Gebühren und Steuern) innerhalb der Vertragsfristen und/oder der gesetzlichen Fristen“ berechtigt. Diese Klausel entspreche dem Bestimmtheitsgebot. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen bestand eine offene Bestandzinsforderung gegen die Bestandnehmerin in der Höhe von brutto EUR 420.000,–. Aufgrund der behaupteten Sanierungsbedürftigkeit der Anlage hatte die Bestandnehmerin eine Mietzinsreduktion des fixen Bestandzinses um 50 % abgeleitet. Betreffend der von ihr getätigten Instandhaltungsaufwendungen konnte nicht festgestellt werden, ob sie außergerichtlich eine Aufrechnungserklärung gegenüber der Bestandgeberin oder dem Insolvenzverwalter abgegeben hatte. Aus diesem Grund war der Insolvenzverwalter zur Auflösung des Bestandvertrages wegen bestehenden Pachtzinsrückständen berechtigt.

 

Außerstreitiges Recht

5 Ob 237/17i – Die Angemessenheit des eingehobenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags im Sinne des § 14d Abs 1 WGG orientiert sich (lediglich) an den gesetzlichen Höchstgrenzen, nicht an der Notwendig- und/ oder Zweckmäßigkeit sowie Preisangemessenheit

Die Anträge stellende Mieterin begehrte im Sinne des § 14 Abs 3 WGG zu entscheiden, ob die Erhöhung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags gerechtfertigt ist und innerhalb welchen Zeitraums die für die geplanten Maßnahmen erforderlichen Kosten durch die erhöhten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge zu decken sind. Es wurde beantragt, dass das Gericht im Sinne des gestellten Antrages den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (in weiterer Folge „EVB“) entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen festsetzt. Die geplante Erhöhung des EVBs sei nicht zulässig; die geplanten Maßnahmen nicht zweckmäßig, sie rechtfertigen die Erhöhung nicht.

Bei der Berechnung des angemessenen Entgelts für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung oder Geschäftsraums darf auch ein EVB gemäß § 14d WGG angerechnet werden. Gemäß § 14d WGG idF der Novelle 2016 hat die Bauvereinigung im Interesse einer rechtzeitigen und vorausschauenden Sicherstellung der Finanzierung der Kosten der jeweils erkennbaren und in absehbarer Zeit notwendig werdenden Erhaltungsarbeiten sowie von nützlichen Verbesserungsarbeiten die Entrichtung eines EVBs zu verlangen, sofern der Miet- oder sonstige Nutzungsgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, für das die Baubehörde den Abbruch weder bewilligt noch aufgetragen hat. Der EVB darf je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat, sofern das Erstbezugsdatum fünf Jahre oder weniger zurückliegt, den Ausgangsbetrag von EUR 0,50 nicht übersteigen. Ab dem sechsten Jahr und für jedes weitere Jahr des Zurückliegens des Erstbezugsdatums erhöht sich dieser Betrag um 12 vH pro Jahr, jeweils gerechnet vom Ausgangsbetrag. Er darf aber je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat EUR 2,– nicht übersteigen. Auf Antrag eines Mieters hat das Gericht (die Gemeinde, § 39 MRG) zu entscheiden, ob die Erhöhung den Voraussetzungen gemäß § 14 Abs 2b WGG entspricht (§ 14 Abs 2c WGG). Sollte von dem eingehobenen EVB nicht innerhalb von zwanzig Kalenderjahren Gebrauch gemacht verwendet werden, ist er an die Mieter und sonstigen Nutzungsberechtigten zuzüglich Verzugszinsen zurückzuerstatten.

Gegenstand des Außerstreitverfahrens nach § 22 Abs 1 Z 11 WGG ist die Richtigkeit des EVBs und dessen Rückzahlung (§ 14d WGG). Nach der Rechtsprechung beruht die Einhebung von EVBs gemäß § 14d WGG auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Vermieters. Sie hat im Interesse einer rechtzeitigen und vorausschauenden Sicherstellung der Finanzierung der Kosten der jeweils erkennbaren und in absehbarer Zeit notwendige werdenden Erhaltungsarbeiten zu erfolgen. Die Beurteilung dieser Voraussetzungen obliegt dem Vermieter, der jedoch für die Folgen seiner Fehleinschätzung des Erhaltungszustandes einzustehen hat und zur Rückerstattung verpflichtet ist (5 Ob 71/88 = RIS-Justiz RS0070577 [T2]; vgl Würth/ Zingher/ Kovanyi/ Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht23 WGG § 14 Rz 6f). Seiner normativen Ausgestaltung nach gestattet § 14d Abs 1 WGG der Bauvereinigung die Einhebung eines EVBs in dem in § 14d Abs 2 WGG beschriebenen Ausmaß zu einem bestimmten Zweck, ohne das verlangt wird, dass die tatsächliche Verwendung der einzuhebenden Mittel schon im Zeitpunkt der Einhebung für konkrete Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten feststehen muss (5 Ob 71/88). Es besteht daher keine Verpflichtung zur Offenlegung. Außerhalb der Prüfung eines Rückforderungsanspruchs wegen nicht (ordnungsgemäßer) Verwendung der EVB kann die „Richtigkeit“ des EVBs iSd § 22 Abs 1 Z11 WGG daher nur an der Einhaltung der Bestimmungen des § 14d Abs 2 WGG über die gesetzlichen Höchstgrenzen gemessen werden (vgl Würth/ Zingher, WohnR 2000, Anm 8 zu § 14d WGG; Puhr, Der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag im WGG, immolex 2015, 111 [113f]). Das Gericht kann in diesem Verfahren demnach nicht prüfen, ob beabsichtige Maßnahmen notwendig oder nützlich sind und die Höhe der Einhebung in diesem Zusammenhang gerechtfertigt ist (5 Ob 71/88; Korinek/ Aicher/ Funk/ Scherz/ Wieser aaO Anm 10b zu § 22). Die Zweckmäßigkeit und Preisangemessenheit sowie die beabsichtigte und erfolgte Verwendung kann nur als Vorfrage im Zusammenhang mit der Rückforderung geprüft werden (vgl Kulhanek in Illedits/ Reich-Rohrwig, Wohnrecht Kurzkommentar2 § 22 WGG Rz 31). Die Angemessenheit des eingehobenen EVBs im Sinne des § 14d Abs 1 WGG orientiert sich an dessen Zulässigkeit bzw Rechtmäßigkeit, lediglich betreffend die Einhaltung der Bestimmungen des § 14d Abs 2 WGG über die gesetzlichen Höchstgrenzen. Aufgrund der Novelle 2016 kann die Bauvereinigung nunmehr den EVB einheben ohne Art, Umfang und Kostenschätzung der zu finanzierenden Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten bekanntzugeben. Da hier der Erstbezug im Jahr 1958 erfolgt war beträgt der höchstzulässige EVB EUR 2,– Pro m²/M. Dieser wurde nicht überschritten.

Dr. Iris Mutz

Wien/Klagenfurt, Juli 2018

WMWP Rechtsanwälte GmbH